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Menschenaffen im Kölner Zoo„Sie sind ganz nah an uns dran“

Lesezeit 5 Minuten
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Klaus Pyszora vor der Go­ril­la­an­la­ge im Kölner Zoo.

Köln – Seine Freunde wollten alle zu Ford, Autos bauen. „Morgens Maschine an, abends Maschine aus. So hab’ ich mir mein Leben nicht vorgestellt“, sagt Klaus Pyszora. Es wurde anders. Nahezu ein halbes Jahrhundert lang hat sich Pyszora um die Menschenaffen des Kölner Zoos gekümmert. Um Orang Utans, Bonobos, Gorillas. „Sie sind ganz nah an uns dran. Unserer engsten Verwandten“, sagt der 63-jährige. Wenn er erzählt, spürt man die Nähe.

Mit 14 Jahren geht Klaus Pyszora in die Lehre

Die Begegnung mit Maia, damit fing alles an. Der junge Tierpfleger, gerade 17 Jahre alt, darf zum ersten Mal mit rein zu den Orang Utans. Deren Käfige waren damals klein und hellgelb oder hellblau gekachelt. Der Orang Maia spürt genau, wen er vor sich hat. Er sucht den Kontakt. „Wir waren ja im gleichen Alter, und er war genauso neugierig wie ich“, erzählt Pyszora. „Wir haben ein bisschen gerangelt. Er hat mich an der Hand gepackt. Das war schon cool. Muss ich ehrlich sagen.“

Mit 14 Jahren fängt der Junge aus Riehl die Lehre an. Sein Traum sind die Großsäuger. Elefanten, Büffel, Tiere mit viel Kraft und Masse. Drei Jahre später ist für den ausgelernten Tierpfleger nur Platz bei den Lemuren, den kleinen drahtigen Halbaffen, wilden Kletterkünstlern. „Überall Scheiben. Dann kann ich ja direkt Fensterputzer werden – das hab’ ich damals gedacht“, erinnert er sich. Womöglich auch gesagt. Die Zooleitung hat ein Einsehen. Er darf zu den Menschenaffen.

Respekt vor dem Tier steht im Mittelpunkt

Manchen der älteren Pfleger in diesem Revier fehlt ein Stück Finger. „Man muss schon Respekt haben vor den Tieren“, sagt der 63-Jährige. Das Wort kommt oft vor, wenn Pyszora von seinen Affen erzählt. „Wir geben ihnen etwas und sie uns. Und wenn die Tiere mich ebenfalls respektieren, kann ich reingehen und sie tun mir nichts.“ Respekt, den bekomme man durch angemessenes Verhalten den Tieren gegenüber. „Jeder Menschenaffe ist anders, hat seinen eigenen Charakter. Das muss man sehen“, sagt Pyszora. „Und auch, dass sie nicht immer gleich gut drauf sind.“ Zarte Falten auf der Stirn, ein Schnalzen durch die geschürzten Lippen, das sind kleine Warnzeichen. „Dann darf man sich nicht auf einen Krach einlassen, muss den Affen erstmal links liegen lassen, die Situation geschickt umspielen. Als ob gar nichts wäre. Und damit als Gewinner“, schildert Pyszora. „Wenn ich mit einem mal richtig Krach habe, lässt der mich nicht mehr rein.“ Passiert ist ihm das nie.

Vom Urwaldhaus zum Menschenaffenhaus

Reingehen zu den Menschenaffen, die Pflege in direktem Kontakt, das war im Jahr 1985 vorbei. Damals wurde das Urwaldhaus als neues Menschenaffenhaus eröffnet. „Man muss sich entscheiden, will man auf Menschen bezogene Tiere. Oder will man Nachwuchs, den die Tiere auf natürliche Weise großziehen. Das war damals schon die richtige Entscheidung“, sagt der Reviertierpfleger.

Doch erstmal, beim Umzug ins neue Haus, ist noch ganz viel Nähe gefragt. „Die Tiere waren sehr ängstlich, es war ja alles neu für sie. Wir haben sie an die Hand genommen, haben ihnen alles gezeigt im Gehege“, erinnert sich Pyszora. „Sie haben sich an meinem Hosenbein festgehalten. Wie Kinder.“ Das klingt, als wäre es gestern gewesen.

Beschäftigung und Targettraining

16 Menschenaffen leben derzeit im Urwaldhaus: sechs Orang Utans und jeweils fünf Gorillas und Bonobos. Versorgt werden sie von einer Tierpflegerin und fünf Tierpflegern.

Die intelligenten Tiere brauchen Beschäftigung. Deshalb überlegt sich das Pflegeteam immer etwas Neues. In der Anfangszeit im neuen Haus haben die Menschenaffen Orang Utans regelmäßig die Schrauben im Innenraum abgedreht. „Die mussten wir alle festschweißen“, erinnert sich Pyszora. Heute verteilen die Pfleger zum Beispiel Rosinen in einem großen Strohberg, damit die Tiere eine zeitlang mit der Futtersuche beschäftigt sind.

Das Target-Training absolviert jedes Tier regelmäßig. Sie lernen dabei, auf bestimmte Kommandos hin Berührungen an verschiedenen Körperstellen zuzulassen. Das ist die Voraussetzung für Tierarztbehandlungen. Zu den Tieren hinein gehen die Pfleger nicht. (bos)

Fünf Jahre dauert es, bis sich die bestehenden Menschenaffengruppen und die Neuzugänge zusammengefunden haben. Dann kommt der erste Nachwuchs bei zwei Gorillaweibchen. Doch nur eines weiß sofort, was es tun muss. „Gina nicht“, sagt Pyszora. „Für sie war es schwierig, ihr Junges zu säugen. Ich bin dann reingegangen und hab’ es ihr an die Brust gelegt. Das ging. Wir haben uns ja vertraut.“

Eine tiefe Verbindung hat Klaus Pyszora auch mit Kim, dem ranghöchsten Tier der Gorillagruppe. 30 Jahre lang kannte er den Silberrücken. Gorillas stellen ganz andere Anforderungen ans Pflegeteam als die Orang Utans, die als Einzelgänger leben. „Sie sind Gruppentiere, da muss man viel mehr die Augen gehen lassen“, erinnert sich Pyszora. „Wenn etwa die Jungtiere auf mich zustürmen, muss ich sie ignorieren und mich mit dem Chef der Gruppe beschäftigen. Das kann er verlangen.“

Kim sucht die Nähe zu seinem Pfleger

Die Nähe zu seinem Pfleger sucht Kim auch im neuen Haus. „Wir habe uns durch die Gitter geneckt, er war ja den direkten Kontakt jahrelang gewohnt.“ Und die persönliche Ansprache. „Warum soll ich mit einem der intelligentesten Tiere nicht reden?“

Als Kim mit 32 Jahren unerwartet stirbt, ist Klaus Pyszora nicht in Köln. „Das war gut. So war es leichter für mich“, sagt er. Heute ist Kims Sohn, Kito, der Chef der Gruppe. Er ist ohne direkten Menschenkontakt aufgewachsen, absolviert stattdessen das Target-Training und profitiert von den Beschäftigungsprogrammen, die das Pflegeteam sich ausdenkt (siehe Kasten).

„Die sind alle mit Herz dabei. Jetzt kann ich gehen. Nach 50 Jahren ist es einfach an der Zeit“, ist sich Pyszora sicher. Und wenn er mal Sehnsucht hat nach seinen Menschenaffen? „Ich geh’ ja nicht so ganz“, sagt er schmunzelnd. „Dann gehe ich einfach nochmal gucken, was mein Sohn Nico so macht mit den Affen.“ Der ist 23 Jahre alt. Und liebt seine Arbeit als Tierpfleger im Menschenaffenhaus.