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Kraft des AmateursportsWie Manuel Schmidt seine Leukämie-Erkrankung überwinden konnte

Lesezeit 5 Minuten

Keine Champions-League, aber eine ganze Menge Spaß: Manuel Schmidt (rechts) feiert den Fußball nicht nur in Poll.

Köln – An einem Dienstagabend im September 2018 bekommt Manuel Schmidt (38) den schockierenden Anruf. Der Familienvater und Fußballtrainer hatte sich mit Schüttelfrost in der Uniklinik vorgestellt. Nach der Auswertung eines Blutbilds ist klar: Er hat akute myeloische Leukämie. Im Gespräch mit Alexander Wolf berichtet er vom Kampf gegen den Blutkrebs und seiner Rückkehr als Trainer.

Wie geht es Ihnen?

Aktuell fühle ich mich sehr gut. Ich habe noch ein paar Probleme mit den Kniegelenken wegen einer Rheuma-Art. Die waren aber schon vor meiner Krankheit so ramponiert, dass ich mit 30 aufgehört habe selbst Fußball zu spielen. Mit einer Tablettenumstellung glaube ich aber, dass ich bis zum Sommer wieder auf dem Trainingsplatz von A nach B wetzen kann.

Nach Ihrer Leukämie kam noch Corona. Wie blicken Sie auf das Virus?

Ich glaube schon, dass Leukämiepatienten aktuell ein noch größeres Problem haben als ich es hatte. Man muss nach der Stammzellen-Transplantation gut aufpassen und alle Arten von Bakterien meiden. Diese Patienten müssen sich quasi einschließen, weil das mit einer Corona-Infektion nicht gutgehen würde.

Zur Person

Am 10. August 1980 in Köln geboren, wächst Manuel Schmidt in Sülz und Lindenthal auf. Der 1.-FC-Köln- und Karnevalsfan wird fußballerisch bei BW Köln groß, ehe sich sein Lebensmittelpunkt in den Norden der Stadt nach Heimersdorf verlagert. Beruflich fasst er bei Autobauer Ford in Niehl fuß. Über die Stationen FC Pesch, CfB Niehl und SC Weiler-Volkhoven landet der Fußballer Schmidt wieder bei BW Köln. Dort wird er Cheftrainer, nachdem er wegen Arthrose im Knie 2010 seine aktive Laufbahn beendet hat. 2015 wechselt er zum VfL Rheingold Poll und steigt 2018 im dritten Jahr in die Bezirksliga auf. Dann ereilt ihn die Diagnose Blutkrebs. Nun heuert die als geheilt geltende, kölsche Frohnatur bei der SpVg. Flittard als Cheftrainer für die Saison 2021/22 an. (alw)

Stimmt es, dass auch Sie einen positiven Corona-Test hatten?

Ja, ich hatte mir das wahrscheinlich auf dem Fußballplatz geholt, als ich im Oktober in Poll zuschauen war und mich mit dem Trainer Salvatore Trovato unterhalten habe. Drei Tage später hat er mir am Telefon von seinem positiven Test erzählt. Ich hatte aber keinen Husten, kein Fieber, gar nichts. Da habe ich mich schon über den positiven PCR-Test gewundert…

Ihr neues Immunsystem wirkt also stabil. Hätten Sie das im Herbst 2018 für möglich gehalten?

Nach dem Anruf am 18.9. waren die Schotten natürlich dicht. Ich dachte: „Das war es!“ Ich wusste, dass Leukämie im ganzen Körper ist und dachte, wie soll man das wegbekommen. Ich habe zuerst an meine Tochter gedacht, dass sie versorgt ist. Meine Mutter ist vor 25 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Da kannte ich mich ein bisschen aus. Dass Blutkrebs der Krebs ist, der heute am besten heilbar ist, wusste ich nicht.

Wie konnten Sie die düsteren Gedanken verdrängen?

Ich habe erstmal gegoogelt. Nach ein paar Tagen hatte ich auch von den Ärzten genügend Infos. Man hat mir gesagt, dass sich für mich als Mitteleuropäer, Ende 30, sicher ein Spender findet. Die Stammzellen-Transplantation ist im Kampf gegen Blutkrebs ja ein riesiger Schritt nach vorne.

Vor der Transplantation gab es mehrere Chemotherapien und viel Unterstützung von der Familie und den Fußballfreunden.

Die Reaktionen waren überwältigend. Mein Freundeskreis hat mir mit Nachrichten und Klinik- besuchen viel Halt gegeben. Auch das Benefiz-Event in Poll, bei dem die DKMS einen Stand zur Typisierung hatte, brachte mit mehr als 1000 Besuchern am Tag viele Spenden. Und selbst zweieinhalb Jahre später werde ich gefragt, wie es mir geht. Das ist überragend. Davon zehre ich.

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Die harte Zeit ist also vergessen?

Nicht ganz. Wichtig war, dass die Uniklinik für Blutkrebs europaweit top ist. 15 Stunden nach meiner Ankunft dort hatte ich schon die Chemo am Arm. Die Ärzte haben mich durchgecheckt und erkannt, dass keine Organe angegriffen sind. Ich hätte also nicht viel früher kommen können, aber auch nicht viel später kommen dürfen. Vor der Transplantation am 23.11. kam das 375 Milliliter- Döschen mit den Spender-Zellen. Kaum mehr als eine Cola-Dose. Die wurde mir mit einem Katheter in den Brustkorb angehängt, drei Stunden laufen gelassen. Dann hatte ich ein neues Leben.

Über ein halbes Jahr lang waren Infektionen für Sie aber tabu. Wie eine Vorschau auf Corona quasi.

Tatsächlich kam ich mir Anfang 2019 noch blöd vor, als ich am Sportplatz Mundschutz tragen musste. Jetzt haben ihn alle. Ich konnte aber nicht anders: Ich musste wieder zu meinen Jungs. Ohne meine Lebensgefährtin hätte ich das alles nicht geschafft. Aber auch die Fußballer haben mir zum Zuschauen Stuhl, Decke und Kissen an den Kunstrasen gestellt, mich mit Getränken und Essen versorgt und sogar Video-Liveschalten gemacht.

Das klingt, als könnte der Amateurfußball nicht ohne Sie, Sie aber auch nicht ohne ihn.

Fußball ist einfach mein Ding. Meine Tochter, die Familie und meine Arbeit bei Ford stehen über allem. Danach kommt aber direkt der Fußball. Wenn ich Trainer bin, bin ich das von Montag bis Sonntag, weil ich es liebe. Es war vom ersten Tag an mein Ziel zurückzukommen.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn es wieder los geht?

Ich schätze das Drumherum sehr. Schon vor dem Training in der Kabine mit den Jungs Musik zu hören und dann auf den Platz. Wir spielen Bezirksliga und keine Champions-League, wollen aber trotzdem erfolgreich sein. Das Allerwichtigste ist der Spaß. Wenn bei einer Torschussübung einer den Ball 25 Meter am Tor vorbei haut, einen blöden Spruch zu bringen und gemeinsam zu lachen.

Was sagen Sie zur Arbeit der DKMS?

Es gab zwar keinen direkten Kontakt, weil alles über die Uniklinik lief. Die DKMS ist aber super und rettet viele, viele Menschenleben. Einfacher als sich dafür zu registrieren geht es nicht. Das Stäbchen kann man kostenlos nach Hause bestellen. Auch mein Brief an den Spender wurde weitergeleitet. Sollte der reagieren, bekomme ich bald Post und kann ihn nach zwei Jahren kennenlernen.