Kölner ZooWie sich die Tiere im Corona-Lockdown fühlen
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Köln – Fressen, schlafen, Menschen gucken – ganz so einfach ist es nicht, aber viele Tiere im Kölner Zoo merken, dass gerade etwas anders ist. Seit Anfang November ist der Zoo für Besucher geschlossen. Und die sind etwa für die Menschenaffen ein Teil ihres gewohnten Alltags. Sie erkennen Stammgäste, erwidern Blickkontakt, manche reagieren auf die Kontaktversuche neugieriger Kinder.
Andere wie die Erdmännchen scheinen Ausschau zu halten nach den ausbleibenden Tierfreunden. „Das täuscht“, sagt Sprecher Christoph Schütt. „Auch wenn sie gerade nicht wie sonst nur einen Wachposten, sondern mehrere haben. Damit reagieren sie auf die veränderte Situation.“ Trotzdem. Zumindest Xena, Xaver und Xea staunen ganz schön. Die drei Jungtiere wurden Mitte Juni geboren, für sie ist es der erste Lockdown.
Die Wege gehören den Pflegern – und den Spatzen
Wie die Erdmännchen reagieren auch Giraffen, Elefanten oder Seelöwen stärker als andere Tierarten. So recken die Giraffendamen Koob’i, Sala, Nyiri und Bulle Maru ihre Hälse, wenn sie einen Menschen sehen und halten lange Blickkontakt. Und auch die Impalas lassen Besucher nicht aus den Augen, bis sie um die Ecke biegen. An normalen Zootagen werden die Menschenmassen schlicht ignoriert.
Überhaupt. Der Zoo gehört jetzt nur den Tieren. Es ist ruhig, alles wirkt friedlich und ein bisschen verschlafen. Der Bisonbulle lässt sich die Sonne aufs Fell brennen, Schleiereulen in der Astgabel nehmen den Besucher ins Visier, ein Paradiskranich stakst lautlos durchs Gras. Die Wege gehören Spatzen, die hier ungestört nach Futter suchen.
Man hört Vogelrufe, und in der Ferne grollt der Seelöwenbulle. Keine Gesprächsfetzen, kein Popcornduft, es riecht nach Tieren. „Platsch“ macht es leise. Einem Humboldt-Pinguin ist das Bad in der Novembersonne zuviel geworden, er ist ins Wasser gesprungen. Und Hufgetrappel der Przewalskipferde, sie spitzen neugierig die Ohren, es gibt mal was zu gucken.
Unterdessen sind die Elefanten fleißig, durchwühlen den Sandhaufen in ihrem Freigehege nach versteckten Möhren oder Äpfel. Und Amurtiger Sergan muss sich seine Fleischbrocken von einem Baum holen, wenn Fütterungszeit ist. Beschäftigungsprogramme wie diese sollen den Zooalltag der Tiere abwechslungsreicher gestalten, nicht nur in Corona-Zeiten. Deshalb trainieren die Pflegerinnen und Pfleger auch regelmäßig weiter, selbst wenn es seit März keine öffentlichen Vorführungen mehr gibt.
Andreas Hölscher, Reviertierpfleger bei den Kalifornischen Seelöwen, und Azubi Kim Waldenberger nutzen die ruhige Zeit im Zoo ganz intensiv. Etwa fürs Einzeltraining mit der einjährigen Lucy, die ihre ersten Tricks ungestört lernen soll. „Das machen wir sonst, bevor der Zoo öffnet. Jetzt haben wir dafür mehr Zeit“, sagt Hölscher. Seelöwen sind intelligente Tiere, sie brauchen Beschäftigung – zwei Mal täglich wird mindestens geübt. Ideen hat Andreas Hölscher genug. Und falls es mal hakt, gibt es ja noch die Facebookgruppe „Seelöwenpfleger“. „Hier tauschen sich Kollegen aus ganz Deutschland über tiergerechte Beschäftigungen aus. Das machen wir auch bei vielen anderen Tierarten“, erzählt Hölscher.
Verluste durch Corona-Beschränkungen
Wegen des Lockdowns war der Zoo von Mitte März bis Anfang Mai geschlossen, bis zum aktuellen Lockdown Anfang November war die Besucherzahl begrenzt. Um die Kosten von 54 000 Euro täglich aufzufangen, gab es im Juni 800 000 Euro Landeshilfen. Trotz der Förderung rechnete Landsberg mit einem Minus von 1,5 bis 3 Millionen Euro für das laufende Jahr – ohne die Einnahmeausfälle im November. (bos)
Die Übungen knüpfen immer an natürliches Verhalten an. So springen die Seelöwen in Freiheit auch schon mal über einen ihre Feinde, den Orca. Oder schlagen im Spiel Salti mit den Wellen. „Das erklären wir den Besucher während der Vorführung“, so Hölscher „Und auch, dass das Bälle-Balancieren ihnen nur mit Hilfe der Barthaare gelingt. Die sind so empfindlich, dass sie sogar spüren, welche Fischart in hundert Metern Entfernung schwimmt.“ Das mit den Besuchern sei so ein Ding. Irgendwie fehlen sie. Und etwas Wichtiges fällt weg. Ihnen erklären zu können, wie wertvoll und schützenswert die Tiere sind.