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Kölner Serie „Häuser mit Historie“Das Hansa-Hochhaus – ein Stück Amerika am Rhein

Lesezeit 4 Minuten
Hansahochhaus

Das Hansa-Hochhaus – ein Stück Amerika am Rhein

  1. Viel mehr als der Dom: In unserer Serie „Häuser mit Historie“ stellt Anselm Weyer Bauten in Köln vor, ihre Geschichte und ihre Nutzungen.
  2. Das Hansa-Hochhaus war eine Verheißung der Moderne, und dazu ein Bau in Rekordzeit.

Nicht nur das erste Hochhaus Kölns, sondern das mit 65 Metern damals höchste Haus Europas war am 1. April 1925 am Hansaring 97 bezugsfertig und brachte ein Stück Amerika an den Rhein.

Das Hansa-Hochhaus war nicht das höchste Gebäude, wohlgemerkt, denn nicht zuletzt die Türme des Kölner Doms ragen mit 157 Metern mehr als doppelt so hoch. Lange Zeit wusste man mit vertikaler Baumasse aber kaum etwas anzufangen. Hoch baute man deshalb traditionell aus repräsentativen Gründen oder in Form von Wach- und Glockentürmen.

Architektur-Führer zur Serie

Begleitend zur Serie ist der Architekturführer Köln erschienen. Anselm Weyer erläutert auf 400 Seiten die Baugeschichte der Stadt von der Römerzeit bis zur Gegenwart, markiert neue Entwicklungen, zeigt Widersprüche zwischen Tradition und Modern auf und erzählt, wie in der Serie lesenswerte Baugeschichte(n).

In keiner anderen deutschen Stadt lassen sich so viele historische Bauphasen in der Stadtgestaltung ablesen. Rundschau-Autor Weyer erläutert anhand historischer Karten die Stadterweiterung von der Gründung zur freien Reichsstadt des Mittelalters über die Erweiterung der Gründerzeit bis zur Gegenwart. Neben dem Dom und den romanischen Kirchen werden Baudenkmäler wie der Gürzenich, Ikonen der Moderne wie die Bastei oder Leuchttürme wie die Kranbauten im Rheinauhafen ausführlich beschrieben. Viele der Bauten sind aus der Vogelperspektive zu sehen. (mft)

Anselm Weyer: Architekturführer Köln, Dom-Publishers, 400 Seiten, 650 Abbildungen, 38 Euro.

Eine wirkliche Nutzung hoher Gebäude ermöglichten erst bautechnische Innovationen Anfang des 20. Jahrhunderts, etwa die Erhöhung der Brandsicherheit durch neue Werkstoffe oder die Erfindung des absturzsicheren Fahrstuhls.

Beim Hansa-Hochhaus, von Jacob Koerfer im Stile des Backsteinexpressionismus entworfen als mit Hartbrandziegeln verklinkerter Stahlskelettbau, erschlossen der damals weltgrößte Paternoster sowie ein zusätzlicher Personenaufzug und zwei Lastenaufzüge die 15 ersten Etagen, auf denen zwei Arkadengeschosse aufgesetzt sind. Es blieb das Problem, dass die Kölner Feuerwehr 1925 nur über eine 24 Meter lange Leiter verfügte und der Druck der städtischen Wasserleitungen nur für bis zu 35 Meter Höhe reichte.

Abhilfe schufen zwei im Keller in die Wasserleitung integrierte Zentrifugalpumpen, die zwei an der Turmspitze platzierte und zusammen 35 Kubikmeter fassende Wasserbehälter versorgten und automatisch ansprangen, sobald der Wasserstand sank. Dass das erste Kölner Hochhaus, an das sich beidseitig ein ebenfalls noch stolze sechs Geschosse zählender Trakt anschließt, gerade an dieser Stelle entstand, liegt nicht zuletzt an der hochliegenden Bahntrasse, die an dieser Stelle die Stadt durchschneidet. Wer will schon ein Haus direkt neben den lauten Gleisanlagen haben? Gerade in diesem Grundstück sah Jacob Koerfer, der schon als Architekt von Schwerthof, Industriehof und diverser Privat- und Geschäftshäuser in Erscheinung getreten war, Entwicklungspotenzial.

Er kontaktierte Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der etwa mit der Neugründung der Universität zu Köln und der Kölner Messe sowie dem Bau des Müngersdorfer Stadions schon eine Vorliebe für ehrgeizige Großprojekten dokumentiert hatte. In einem am 11. Januar 1924 vorgelegten Plan versprach er, dass sein Gebäude die Hässlichkeit des Platzes an einer städtebaulich neuralgischen Stelle mindern würde. Und das fix. Unverzügliche Genehmigungen vorausgesetzt würde er bis zu 450 Mitarbeiter beschäftigen, damit das Hochhaus schon im Frühjahr 1925 fertig sei – rechtzeitig für die prestigeträchtige Jahrtausendausstellung im Rheinland. Und tatsächlich genehmigte die Verwaltungskonferenz unverzüglich dieses immer noch eher schwammige Projekt, von dem gemunkelt wurde, dass es auch ein Hochhaus umfassen solle. Nach einem Blick ins benachbarte Düsseldorf, wo das 57 Meter hohe Wilhelm-Marx-Haus stand, inspirierte zu einem 65 Meter hohen Prestigebau.

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Nun ging alles erstaunlich schnell, obwohl es Probleme genug gab. Die Finanzierung in Zeiten der Wirtschaftskrise erforderte viel Kreativität. Und beim Erdaushub stieß man auch noch auf einen alten Festungsgraben, der sich schräg durch die Baustelle zog. Nach Baubeginn im März 1924 wurden zunächst 15 000 Kubikmeter Erde durch Pferdefuhrwerke abtransportiert, dann 10 000 Kubikmeter Beton und Stahlbeton verbaut. Bis Ende Juli stand bereits der Rohbau des Haupthauses, Ende Oktober 1924 auch der Rohbau des Hochhauses.

Kino mit 1500 Plätzen und ein Café

Am Ende stand ein Multifunktionsbau mit 23 000 Quadratmetern vermietbarer Bodenfläche. Während im Hochhaus vornehmlich Büros untergebracht waren, bot das Haupthaus Platz für Ausstellungsflächen, ein großes Kino mit etwa 1500 Plätzen sowie ein beliebtes Café mit 550 Sitzplätzen. Die Fassade ist mit Art-Déco-Skulpturen verziert, die Mensch- und Tiermotive zeigen. Die bis zum Zweiten Weltkrieg zwischen den Fenstern der zweiten Etage angebrachten Skulpturen von Franz Albermann und Joseph Pabst, welche die fünf Kontinente repräsentieren sollten, sind mittlerweile verloren gegangen und wurden nicht ersetzt. Das mag als sehr subtile Erinnerung an die Gräuel des Krieges verstanden werden, im dem auch das Hansahochhaus eine unrühmliche Rolle spielte, waren doch in dessen dritten und vierten Etage von Mai 1944 bis Februar 1945 Zwangsarbeiter untergebracht.

1961 wurde hier der erste Saturn-Markt von den Eheleuten Anni und Wilhelm Waffenschmid eröffnet. Viele Jahre lang war die Schallplattenabteilung ein Mekka für Musikfans weit über Köln hinaus. Inzwischen haben die Sortimente gewechselt: Computerspiele haben die Oberhand gewonnen.

Hansahochhaus

Hansaring 97

Jacob Koerfer 1924/25