„Häuser mit Historie“Der Dunst vom Gülichplatz — Das Haus Neuerburg
- Häuser mit Historie gibt es viele in der Stadt. Die meisten stehen im Schatten des Doms und des Gürzenichs.
- Anselm Weyer erzählt ihre Baugeschichte. Der zweite Teil unserer Serie dreht sich um Haus Neuerburg.
- Die Geschichte hinter dem Haus und was es so besonders macht.
Köln – Den Stolz mittelalterlicher Baugeschichte, wie es das Overstolzenhaus oder Haus Saaleck vorzuweisen haben, besitzt das Haus Neuerburg nicht. Namensgeber ist vielmehr eine 1908 in Trier gegründete Firma gleichen Namens. Haus Neuerburg war Pionier bei der Umstellung auf Zigaretten in einer Zeit, in der der Zigarettenkonsum in Deutschland in Mode kam.
Die Tabakindustrie war es auch gewesen, die den wirtschaftlichen Niedergang Kölns nach dem Dreißigjährigen Krieg zumindest etwas abgemildert hatte. Zwar hatte der Kölner Kurfürst den Tabakgenuss zunächst noch bei Strafe untersagt. Der päpstliche Gesandte, Kardinal Fabio Chigi, gab den Kampf dann jedoch 1650 auf und erlaubte das „Tabaksaugen“. Mit der 1735 von Heinrich Joseph Dumont gegründeten Tabakfabrik, die in der Straße „In der Höhle“ stand, begann der Aufstieg des „Kölner Tabaks“, dessen Rohstoffe zumeist über die Niederlande bezogen wurden.
Tabak wird zum Massenartikel
Aus dem gelegentlich konsumierten Genussmittel wurde jedoch nach der Jahrhundertwende ein Massenartikel. Waren es um das Jahr 1900 noch 80 Zigaretten, die jeder Deutsche durchschnittlich rauchte, zumeist in Form von Importartikeln aus England und Ägypten, wurden es nach dem Ersten Weltkrieg 170.
In der Zeit des Wiederaufbaus dampften nicht nur die Maschinen, der Durchschnittswert lag 1955 schon bei 910, so dass Haus Neuerburg zwischenzeitlich eines der größten Unternehmen in Deutschland werden konnte. Nach Köln gezogen war die ursprünglich in Trier ansässige Firma zwar nicht mit der Produktion, wohl aber mit ihrer Verwaltung nach dem Ersten Weltkrieg.
Köln sollte Metropole werden
Das Ziel: näher am Absatzgebiet zu sein und Köln somit zu einer Metropole der Zigarettenindustrie zu machen. Auf repräsentativem Grundstück, dessen Vorgängerbebauung 1918 bei einem Fliegerangriff zerstört worden war, errichtete Haus Neuerburg ab 1921 ihre neue Firmenzentrale. Nach Entwürfen des gebürtigen Schweizer Architekten Emil Felix entstand das Gebäude in zwei Bauabschnitten, 1921 bis 1923 und 1928 bis 1929.
Die Fassade aus holländischen Backsteinen mit hellen Muschelkalk-Werksteinteilen öffnet sich hin zum Gülich-Platz und lässt gegen den vorherrschenden Trend des „Neuen Bauens“ Anklänge an Bürgerhäuser erkennen, bis hin zum Turm. Hierbei orientiert sich der westliche Flügel zu Obenmarspforten stilistisch an der Renaissance, der südliche Bauteil gen Gülichplatz am Barock, so dass die Anmutung zwei verschiedener Bauten die Wuchtigkeit des Gesamtensembles abmildert.
Markenname an der Fassade verewigt
Die architektonische Deutschtümelei war hierbei Programm, denn eines der Erfolgsrezepte von Haus Neuerburg war, dass es in national aufgeladenen Zeiten dem Tabakkonsum den fremdländischen Nimbus nahm. Die erfolgreichste Marke der Firma hieß „Overstolz“, ins Leben gerufen nach dem Ersten Weltkrieg und benannt nach dem alten Kölner Geschlecht.
Dieser Markenname ist ebenso wie andere, „Löwenbrück“, „Güldenring“ und „Ravenklau“, an der Fassade Ecke Quatermarkt in Form von Bauschmuck verewigt, den Wolfgang Wallner aus Kirchheimer Muschelkalk schuf. Die Schmiedearbeiten stammten von Carl Wyland. Das Gebäude wurde, so verrät eine weitere Inschrift, 1943 bis 1945 zerstört und von 1947 bis 1950 neu erbaut. Hierbei erfuhr es eine behutsame Umgestaltung, die Arkaden des Nordostflügels fielen weg.
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Die dominierende Marktposition der Zwischenkriegszeit erreichte Haus Neuerburg nicht wieder, sondern wurde erst von einer amerikanischen, später einer japanischen Firma aufgekauft, die keine Verwendung für die Kölner Verwaltungszentrale hatte. Also erwarb die Stadt, deren Rathaus aus allen Nähten platze, das Gebäude, um hier zunächst das Liegenschaftsamt, seit 2001 das Standesamt unterzubringen. Haus Neuerburg ist seit 1984 in die Denkmalliste eingetragen.