Köln – Und dann sitzt er einfach da und schaut über das Wasser. Rüber zum Tanzbrunnen und den vorbeituckernden Schiffen. Neben ihm steht seine Harley, mit der er an der Bastei runter zum Rhein gerollt ist. Meist zündet er sich in solchen Momenten eine kubanische Zigarre an und genießt das Leben. „Das ist für mich das Schönste, was es gibt: Kultivierter Müßiggang“, sagt der Mann mit der ergrauten Mähne und dem schelmischen Lächeln.An diesem Donnerstag feiert Thomas Richard Engel, genannt Tommy, seinen 70. Geburtstag.
Wie die Feierlichkeiten genau ablaufen werden, weiß er nicht. „Meine Frau hat was vorbereitet“, ist sich der Musiker sicher, der mit den Bläck Fööss kölsche Musik bundesweit salonfähig gemacht hat und später als Solokünstler mit „Do bes Kölle“ sein Meisterstück abgeliefert hat. Aber er legt Wert darauf, keine gefühlsduselige Hymne getextet zu haben, sondern eine Bestandsaufnahme, in der subtile Kritik mitschwingt. „Ich liebe diese Stadt, aber ich lasse mich nicht einlullen“, bekennt er und saugt genüsslich an einer Zigarre.
Vom Schlagzeuger zum Gesicht der Band
Mit den Jahren ist Tommy Engel ruhiger geworden, und „weicher“, wie er selbst sagt. „Aber ich kann immer noch aus der Haut fahren, wenn es mir zu dilettantisch wird“, weiß er. Als Musiker und Band-Leader ist er Perfektionist, vielleicht rührt daher das Lampenfieber, das er auch nach 60 Jahren Bühnenleben noch verspürt. „Ich wünschte manchmal, ich hätte es nicht. Aber es ist ein Bauchgefühl, ich kann es nicht ändern“, erzählt er. In seinem Leben hat er oft auf sein Bauchgefühl gehört, auch wenn ihm das nicht immer Applaus eingebracht hat. Etwa bei der Trennung von den Bläck Fööss im Jahr 1994, die so gravierend wahrgenommen wurde, dass manch einer das Ende der Band heraufbeschwor. „Der Dom steht noch, aber alles andere schwankt“, kommentierte damals Fernsehmoderator Frank Plasberg im WDR.
Doch nicht nur Tommy Engel hat die Bläck Fööss geformt, umgekehrt war es genauso. Vom Schlagzeuger wurde er zum Sänger, zum Gesicht der Band, wozu vor allem sein komödiantisches Talent beitrug. Legendär ist seine Rolle als „Huusmeister Kaczmarek“ im grauen Kittel, seine niederländische vorgetragene Version von Grönemeyers „Männer“, die A capella-Nummer „Die drei vun der Eierquell“. Und plötzlich war dieses Kapitel vorbei. „Das ist Geschichte“, beendet Engel das Thema. Wenn die Fööss kommendes Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiern, ist nach wie vor unklar, ob Tommy Engel mit auf der Bühne stehen wird. Er habe Kontakt zu Erry Stoklosa, sagt er.
Tommy Engel zu LSE: „Die heben einen als Sänger hoch“
Nichtsdestotrotz liebt der Sänger noch viele Lieder aus der Fööss-Zeit. „In den Texten müssen nachvollziehbare Geschichten erzählt werden“, sagt er, wie etwa bei der Nummer „Pütze Hein“ von 1976, die er mit seiner Band bei der diesjährigen Weihnachtsshow aufführt. Tommy Engel, der Lebemann, sagt von sich selbst, „nicht der Fleißigste“ zu sein. Aber er weiß, was er will.
Nach der Trennung von den Fööss widmete er sich der Formation LSE mit Arno Steffen und Rolf Lammers. „Wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre ich heute todunglücklich“, sagt er. Schon immer habe es ihn zu einer richtigen Band gezogen. So wie heute, wenn er mit Top-Musikern aufspielt, die einen Klangteppich weben, auf den er sich stimmlich legen kann. „Ich bin überglücklich. Die heben einen als Sänger hoch“, beschreibt er dieses Erlebnis.
Musiker, Komödiant und Entertainer
Viele Musiker gratulieren Tommy Engel in seiner Weihnachtsshow per Videogruß. Einer adelt ihn als „kölsche Seele“ und „großartigen Sänger“, was eine nett gemeinte Plattitüde sein könnte. Doch der Absender dieser Botschaft ist BAP-Gründer Wolfgang Niedecken, dem so etwas nicht einfach rausrutscht. Engel verkörpert etwas Urkölsches, er hat etwas Verschmitztes, genauso gut kann er grantig werden. Seit Jahren schon engagiert er sich mit anderen Künstlern in der Initiative „Arsch huh“ gegen Fremdenfeindlichkeit.
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Obwohl Engel mitten in der Südstadt lebt, verzichtet er auf Karneval. „Darauf habe ich einfach keine Lust mehr. Ich habe meine Badewanne ausgetrunken“, meint er. Schon vor seiner Trennung von den Fööss hatte er auf die Karnevalsauftritte verzichtet. Die reine Partymusik war nie sein Ding, er sieht sich nicht nur als Musiker, sondern als Komödiant und Entertainer.
Das Leben hat es gut mit Tommy Engel gemeint. „Ich verspüre oft Dankbarkeit“, sagt der Sänger. Er hat einige Oldtimer in der Garage stehen, doch die Ausfahrten werden seltener. Außerdem hat er ein Motorboot. „Aber ich kann mich nicht mehr um alles kümmern“, stellt er fest.Manchmal reicht es ihm, an seiner Zigarre zu ziehen und zu sehen, wie das Wasser den Rhein runterfließt.