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Interview

„Das andere Gespräch“
Mirja Boes nimmt Unfälle ihrer Kinder mit Humor

Lesezeit 8 Minuten
Auf der Jahnwiese balanciert Mirja Boes auf einem Torpfosten.

Auf der Jahnwiese balanciert Mirja Boes auf einem Torpfosten.

Die Kölner Comedienne Mirja Boes spircht ihn der Serie „Das andere Gespräch“ darüber, wie sie damit umgeht, wenn ihre Söhne krank sind und wie ihre eigene Kindheit war.

Ob blutende Köpfe, gebrochene Arme: Mirja Boes hat mit ihren Kindern schon einiges erlebt. Humor ist da ihr Medikament der Wahl. Warum es für den Geschmack ihrer Söhne manchmal zu viel des Guten wird und in wann sie doch an Grenzen kommt, hat sie Lia Gasch erzählt.

Frau Boes, warum stehen wir auf der Jahnwiese am Rheinenergie-Stadion?

Beide Söhne haben hier mit Fußball angefangen. Obwohl immer über den „Acker“ gemeckert wurde, weil das eben kein Kunstrasen ist. Hier war immer viel Freizeitgestaltung. Das ist für uns der nächste Ort, wo man hin kann, wenn man auch kleinere Kinder hat oder mal auf den Hund vom Nachbarn aufpasst. Wir haben hier schon sehr oft rumgelungert.

Sind Sie eine typische Fußball-Mutter?

Bei Weihnachtsfeiern meines älteren Sohns wurde auch gerne mal gesagt „Jetzt wo die Frau Boes in der Mannschaft ist, sind die Ultras eingekehrt“. Und dann wurden die Platzregeln erklärt. (lacht) Aber es geht eigentlich. Ich bin beruflich sehr oft am Wochenende unterwegs, deswegen verpasse ich viele Spiele. Ich finde die Kinder sollen einfach Spaß haben. Gott sei Dank sind beide Kinder im Verein untergekommen. Die denken natürlich noch, sie werden starker Fußballprofi, aber das werden ja die wenigsten.

Weil ihr Sohn sich den Arm gebrochen hatte, haben wir unseren Termin verschoben. Wie geht’s ihm?

Der hat jetzt einen bemalten Gips. Obwohl das heutzutage gar nicht mehr so einfach ist, weil das eher Schienen mit einem Verband sind. Dafür braucht man extra Stoffmalstifte. Und er bekommt jede Woche einen neuen, weil er Drähte in den Arm bekommen hat, die kontrolliert werden müssen. Der Große hat jetzt auch was. Als ich am Wochenende auf Tour war, ist ihm jemand mit dem Stollenschuh auf die Hand gesprungen, nachdem er gefallen war. Die Hand ist jetzt ein bisschen zermatscht, aber immerhin ist nichts gebrochen.

Wie haben sie da reagiert?

Die Hand sah aus wie eine Treppe, wie in einem Comic. Ich habe dann gesagt: „Guck mal, das sieht doch lustig aus!“ Mein kleiner Sohn hat irgendwann gesagt: „Mami, jetzt ist aber wirklich mal nicht mehr witzig.“ Ich versuche dann einen Witz rauszuhauen und stelle fest, dass meine Kinder sagen „Manchmal weint man eben auch.“ Die bremsen mich, weil man sich manchmal auch in seinem Elend wälzen dürfen muss. Die sehen schon aus wie so kleine Hutzelmänner im Krankenhausbett und wenn die dann in den OP geschoben werden, ist das natürlich der Moment, in dem ich viel Mitleid habe. Aber ich bin so gepolt zu denken, dass alles gut wird.

Sie bleiben also immer entspannt?

Ich hatte immer schon die Tendenz zu brüllen „Ist bestimmt nicht so schlimm“. Obwohl ich natürlich zu Hause mit Grießbrei, Pudding und Suppe versorge, wenn die Kinder krank sind und denen eine tolle Zeit mache oder aktuell morgens den Krankentransport zur Schule übernehme. Aber eine richtig gute Krankenschwester wäre ich nicht. Ich bin mir selbst ziemlich hart und das macht es für mein Umfeld nicht immer so schön, weil ich von den anderen auch erwarte, dass sie sich nicht anstellen. Man heilt am schnellsten wieder zusammen, wenn man sich selbst hochzieht.

Haben Sie schon mal die Nerven verloren?

Mein Größerer hat mal versucht, sich den Kopf am Türrahmen aufzubersten. Während der Corona-Zeit war ihm langweilig, er sperrte seinen kleinen Bruder auf der Terrasse aus, rannte weg, freute sich diebisch, guckte noch mal nach hinten, dann wieder nach vorne und knallte gegen die Tür. Das blutet natürlich einfach extrem.

Es waren fast neun Zentimeter, man konnte den Knochen sehen. Der Schlagzeuglehrer meines Sohnes, der gerade da war und auch mein Schlagzeuger in der Band ist, hat den Pressverband angelegt, weil ich so nervös war. Im Krankenhaus lag Mutti würgend unter dem Behandlungstisch, weil da noch kleine Splitter mit Pinzetten rausgeholt wurden.

Mussten Sie schon Gigs absagen, weil ihre Kinder krank waren?

Gott sei Dank sind meine Kinder nicht so oft krank. Vielleicht auch, weil die Angst vor mir haben, krank zu werden. (lacht) Der Große ist ein Kopffüßler, der immer wahnsinnig viel überlegt und der Kleine ist so ein Draufgänger, trotzdem hatte der Große bisher immer die schlimmeren Verletzungen aus irgendwelchen erstaunlichen Gründen. Einmal musste ich ein Veto einlegen, weil beide Kinder krank waren und ich von einem Dreh direkt zum nächsten sollte. Sonst gab es mal Verschiebungen. Als vor kurzem der Kleine operiert werden musste, war natürlich klar, dass ich im Krankenhaus bleibe, ob ich jetzt nur eine Unterbuchse mithabe oder nicht.

Wie kinderfreundlich ist ihre Branche?

Das hängt auch etwas an einem selbst. Es gibt auch viele, die sagen, dass sie Jobs in jedem Fall machen müssen. Ich bezeichne mich immer als Präsenzmutter, was es mir manchmal wahnsinnig schwierig macht, alles unter einen Hut zu kriegen. Ich will mit denen zum Arzt gehen. Wenn dafür Termine weichen müssen, dass muss es eben so sein. Heute nach der Schule muss ich wieder mit dem Kleinen zum Arzt, weil der Gips gewechselt werden muss. Manchmal ist es total unlogisch: Ich bin die, die mit zum Kieferorthopäden fährt wegen der Zahnspange und zum Kinderarzt wegen Impfen, wo ich letztens dachte, das könnte aber auch der Papi machen.

Gibt es einen Endgegner für Sie unter den Krankheiten, die Kinder so anschleppen?

Endgegner war immer Magendarm. Erbrochenes reizt mich auch zu starken Würgegeräuschen. Da habe ich Gott sei Dank einen Partner an meiner Seite, der das besser aushalten konnte. Natürlich hätte ich meine Kinder aber auch nicht drin liegen lassen.

Haben Sie Tipps an Eltern, die Verletzungen und Krankheiten ihrer Kinder zu überstehen?

Es hilft - obwohl das natürlich eine total bescheuert klingt - Ruhe zu bewahren. In Notfallsituationen ist das echt schwer, weil man selbst so konfus ist. Meinem Großen hing mal was im Hals und er lief blau an. Da bin ich erstmal 30 Sekunden um den Trip Trap rumgesprungen, statt den raus zu heben und auf den Rücken zu klopfen. Für Kinder ist es auch total wichtig, dass jemand sagt, komm, das kriegen wir hin. Und die brauchen dann einfach Streicheleinheiten.

Als Frau kann man sich ja sowieso schon gut dran gewöhnen. Man hat im Zweifelsfall vorher schon mal einen Partner. Die sind ja auch sehr, sehr wehleidig. Da bin ich auch ganz schlimme Klischeefrau, weil ich finde, dass Männer lauter leiden als Frauen. Mein Freund hört das auch nicht gerne, aber es ist so.

Sie sagten, zu sich sind sie im Krankheitsfall ziemlich hart. Waren ihre Eltern auch so?

Nein, bei uns wurde direkt das Lieblingsessen gekocht und es gab sehr viele Kümmerer. Meine Eltern sind Lehrer gewesen und man war dann auch oft bei der Oma, die direkt um die Ecke von der Schule wohnte.

Waren sie früher oft krank?

Ich weiß, dass meine Eltern mal eine ganz entsetzliche Zeit hatten, da war ich im ersten Schuljahr und mein Bruder im fünften. Mein Bruder hatte eine Hirnhautentzündung und lag im Krankenhaus. Meine Eltern sind vor der Schule noch eine Stunde früher aufgestanden, haben dafür gesorgt, dass ich versorgt bin, einer ist dann immer zum Krankenhaus gefahren. Als mein Bruder draußen war, bekam ich eine Knochenmarkentzündung und konnte zwei Wochen nicht laufen. Ich bin an einer Kinderlähmung vorbei geschreddert. Das muss die Hölle gewesen sein. Das war eine Odyssee von zwei Monaten. Wenn das Kind krank ist, ist das schlimmer, als wenn man selbst krank ist.

Gab es ein bewährtes Hausmittel bei Ihnen?

Als Kinder haben wir dieses ganz schreckliche Zeug Sanostol auf einem Suppenlöffel bekommen. Das ist ein Vitamin C-Saft, der theoretisch süß schmecken sollte. Aber in echt schmeckte der Horror. Eines gibt es bei uns jetzt wieder, weil ich mich aus Kindertagen so gerne daran erinnere: Ein Bett aus der Couch machen, so richtig nomadenartig. Die Kinder holen dann sofort ihr Bettzeug und es kommt ein Laken drauf. Das ist wie ein Bett im Wohnzimmer.

Wie denken Sie generell an ihre Kindheit zurück?

Die war total behütet. Ich sage immer, ich wurde diplomatisch-pädagogisch erzogen. Es war bei uns immer fröhlich und vor allem haben wir eine gute Streitkultur gehabt, die heute manchen auf den Sack geht. Mein Vater hat mit seiner dunklen, tiefen Stimme auch mal laut geschimpft. Aber er hat sich nach dem Streit auch entschuldigt und gesagt: „Ich habe mich einfach vertan.“

Das versuche ich bei meinen Kindern auch. Im Streit macht man echt viel falsch und ist dann auch ungerecht. Und jetzt ist der Große gerade im Vorhof zur Hölle der Pubertät. Es wird auch nicht gesprochen und wenn gesprochen wird, nur in einer Zombieartigkeit. Also ich nenne das dann immer den wortkargen Wolfram. Ich sage immer im Spaß, vielleicht reden sie irgendwann einfach nicht mehr mit mir. Dann habe ich ein bisschen mehr Ruhe. (lacht)


Zur Person

Mirja Boes ist eine Comedienne, Schauspielerin und Sängerin aus Köln. Sie ist außerdem Teil der Band „Die Honkey Donkeys“. Die 52-Jährige hat zwei Söhne.

Seit rund 30 Jahren steht sie auf Deutschlands Bühnen. Boes veröffentlichte mehrere Partyschlager, darunter den Song „20 Zentimeter“. Ihr erstes Soloprogramm präsentierte sie 2007. In diesem Jahr wurde Boes Siegerin der Prime Video-Serie „Last One Laughing“ und der TV-Serie „The Masked Singer“. Mit ihrer Band ist sie aktuell auf „Arschbombe Olé!“-Tour.


Zur Serie

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