Im Café des Bauturm-Theaters sprachen wir mit dem Frontmann von Kasalla. Was hat ihn in der Vergangenheit geprägt, wie sieht er die Zukunft und was macht das mit seiner Gegenwart?
„Das andere Gespräch“Warum Bastian Campmann von Kasalla Zeitreisen mag
Auf der Bühne wirkt alles immer so leicht, so lebensfroh, so zeitvergessen. Doch wenn Bastian Campmann seinen Gedanken nachgeht, wird es oft tiefgründig. Die Zukunft bewegt ihn. Jens Meifert hat sich mit dem Kasalla-Sänger auf Zeitreise begeben.
Zukunft ist ein großes Thema. Denken Sie oft an das, was kommt?
Ich finde Zukunft ist auch ein ganz kleines Thema, denn jede Entscheidung, die wir treffen, ist auch auf das gerichtet, was kommt. Alles, was wir tun, geht nach vorne. Dennoch lebe ich aber vor allem im Hier und Jetzt. Gerade seit dem Tod meines Vaters, das ist nun 17 Jahre her. Das hat viel verändert.
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Was genau?
Mein Vater ist ganz plötzlich gestorben und das hat mir gezeigt: Der Moment ist wichtig, zu planen macht keinen Sinn. Das hat sich aber relativiert im Laufe der Jahre - vor allem durch die Geburt meiner Tochter.
Wie war das damals?
Es war im Mai 2007, drei Wochen vor meiner Hochzeit. Wir hatten am Abend noch telefoniert, haben uns etwas gestritten über Kleinigkeiten. Und dann war ich abends unterwegs, hatte kein Handy dabei, das war damals noch nicht so, dass man immer drauf geschaut hat. Und als ich nach Hause kam, hatte ich 25 Anrufe in Abwesenheit. Meinem Vater ist es plötzlich sehr schlecht gegangen, er ist zusammengebrochen, noch ins Krankenhaus gekommen und leider ganz schnell gestorben. Er war 48 Jahre alt, nicht mal ein Jahr älter als ich es jetzt bin.
Wenn von einer Minute auf die andere alles einstürzt. Was hilft dann?
Es ist erstmal alles in Trümmern. Und dass wir uns beim letzten Gespräch nicht einfach schöne Dinge gesagt haben, das ist ein Narbe, die immer bleibt. Es war aber ganz gut, dass meine Frau und ich danach geheiratet haben. Wir haben es nicht abgesagt und einen Platz für meinen Vater freigehalten. Es war uns wichtig, dass er bei uns ist, und das war dann auch schön. Eine völlig surreale Zeit. Ich denke immer noch sehr viel an ihn.
Trägt die Erinnerung in die Zukunft?
Schon, ich bin anfangs ganz viel nach Auftritten angesprochen worden, einfach weil mein Vater viele Menschen gekannt hat. Ich habe gestaunt, wie viele Freunde er hatte (lacht). Diese Kontakte sind im Laufe der Zeit weniger geworden. Aber ich nehme das alles gerne mit, und das hilft auch für die Zukunft. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum der Tod und das Memento Mori auch in unserer Musik so eine Rolle spielt.
Zuletzt tanzte Ludwig Sebus im Video mit auf dem Sarg ...
... und bei „Alle Jläser huh“ feiern wir mit denen, die im Himmel sind - dasselbe Thema. Das kommt schon sehr häufig vor bei uns.
Zukunft heißt meistens: Pläne schmieden, Träume leben, positiv nach vorne schauen. Machen Sie das gerne?
Total. Ich muss mich aber schon regulieren, dass ich bei der rosaroten Farbe bleibe und nicht in Pessimismus verfalle, denn es gibt derzeit viele Negativthemen, die drücken. Aber ja: Das Schlimmste kann von jetzt auf gleich passieren, das Schönste eben auch.
Was wird in zehn Jahren sein?
Keine Ahnung. Als Kind oder Jugendlicher war die Zukunft wie eine Schiene, die grobe Richtung war klar. Jetzt ist das viel offener, man weiß nicht, was morgen passiert. Ich denke, wir leben in einer extrem schnellen Zeit. Das macht es auch schwieriger, die Zukunft zu gestalten. Das haben wir in der Pandemie gemerkt, als wir auf einmal nicht mehr auftreten konnten. Da gab es für mich Momente, bei denen ich mir sicher war: Die Zukunft der Band ist vorbei. Tatsächlich könnte es eine pandemische Entwicklung wie diese noch einmal geben, aber da bleibe ich dann relativ entspannt und sage: Das ist ein Teil der Zukunft, den kann ich nicht beeinflussen. Das Gleiche gilt für die Wahl in den USA, ich muss beeinflussen, was in meinem Umfeld liegt.
Wie lange wird Bastian Campmann Musik machen?
Da variiert meine Vorstellung. Was ich versprechen kann: Mit 70 stehe ich nirgendwo mehr auf der Bühne. Da fahre ich mit meiner Frau in den Urlaub und spiele Skat mit meinen Freunden.
Das ist jetzt festgehalten! Für junge Menschen sind Sie ein Zukunftsidol, Ihre Turnschuhe sind im Stadtmuseum ausgestellt. Komisches Gefühl?
Das würde ich gar nicht so hoch hängen. Aber klar, dadurch dass wir auf einer Bühne stehen, sind wir auch Projektionsfläche für Zukunftswünsche. Wir versuchen aber, einfach nur Musik zu machen und das ein oder andere gesellschaftlich relevante Thema anzusprechen.
Und was steht auf dem persönlichen Wunschzettel?
Ich versuche mir mehr Zeit zu nehmen, um weiter an meinem ersten Roman zu schreiben. Ich komme ja aus der Medienwelt, mein Vater hat als Elektriker bei der Kölnischen Rundschau gearbeitet, ich selbst war mal freier Mitarbeiter bei der Rundschau und wollte Journalist werden. Das Schreiben hat mir immer etwas bedeutet und das würde ich gerne weiter machen.
Zurück in die Zukunft“: War das ein wichtiger Film für den jungen Bastian Campmann?
Absolut. Ich bin auch ein Fan von Zeitreisen. Ich hatte Physik im Leistungskurs in der Schule, in Themen wie den Urknall und Teilchenbeschleuniger kann ich mich reinfallen lassen. Das finde ich spannend. Aber ich möchte lieber nicht in eine Zeitkapsel steigen und in 200 Jahren auf die Welt schauen. Wahrscheinlich würde ich gar nichts mehr verstehen. Wenn ich sehe, wie sich Speichermedien und Datenübertragungen vervielfachen: Wir leben im Turbozeitalter.
Star Trek?
War genau mein Ding. Ich habe alle Folgen gesehen und mir auch viele Gedanken gemacht über Überlichtgeschwindigkeit und Risse im Raum-Zeit-Kontinuum, all diese Sachen, da war ich voll dabei. Das waren doch kühne Zukunftsvisionen: In den 80ern haben wir uns bei Knight Rider kaputtgelacht, wenn David Hasselhoff über seine Uhr mit dem Auto gequatscht hat. Heute haben wir Siri im Wagen, und die Apple-Watch sagt, wo es lang geht.
Wir leben in einer Realität, die noch vor wenigen Jahren eine verrückte Zukunftsvision gewesen ist. Stichwort KI.
Irre, was das für Umwälzungen ausgelöst hat. Gerade in kreativen Bereichen und damit in unseren Jobs. ChatGPT wird irgendwann Bücher schreiben. Von der Photographie ganz zu schweigen. Wir lachen uns heute oft darüber kaputt, aber das System ist schon sehr weit. Und übrigens schreibt die Künstliche Intelligenz auch Musik. Wenn ich heute einen deutschen Schlager in Auftrag gebe, ist das noch sehr übersichtlich im Ergebnis. Aber ich betone: noch. Musik ist Mathematik, aufgefüllt mit der persönlichen Emotion. Am Ende sind es zwölf Töne.
Aber die kölsche Sprache ist schon eine ganz besondere Herausforderung.
Ja, daran könnte die KI wirklich scheitern (lacht). Und auch der Auftritt auf der Bühne ist von Robotern schwer zu kopieren.
Mensch und Maschine ist ein klassisches Thema aus dem Science-Fiction-Genre. Kommt der Mensch noch mit?
Er droht natürlich, unter die Räder zu kommen. Ich sehe leider nicht die Jobs, die entstehen können. Ich sehe sie einfach nicht. Das ist auch der Punkt, der mich ratlos zurücklässt. Ich habe kürzlich mit einem Arzt gesprochen: Es werden jetzt schon Videos von medizinischen Eingriffen gemacht, die Roboter füttern, die uns irgendwann operieren werden. Telemedizin und autonomes Fahren: Riesenthemen. Das finde ich spannend, aber das macht mir auch Angst. Denn die Superintelligenz sorgt irgendwann vielleicht dafür, dass wir überflüssig werden. Bis dahin sollten wir die Zeit also nutzen (lacht).
Schauen Sie durch die Augen Ihrer Tochter in die Zukunft?
Ja, natürlich. Sie ist jetzt sieben Jahre alt, und da ist die Zukunft sehr nah. Meine Tochter plant sehr kurzfristig. Sie hat jetzt sechs Wochen Ferien, das ist für sie ein kaum zu überschauender Zeitraum. Das ist doch schön, die großen Weltschmerzsorgen sind noch sehr weit weg.
Sind Sie gut darin, von einer Vorstellung Abschied zu nehmen?
Ich bin zumindest besser geworden. Wenn ich im Stau stehe und einen Termin verpasse, kann ich das nicht ändern. Dann rufe ich meine Frau an, oder mein Kind sitzt auf der Rückbank, dann sind sofort andere Themen da. Das ist sowieso das Schönste.
Zur Person
Bastian Campmann ist Frontmann der Band Kasalla, die er 2011 mit dem Gitarristen Flo Peil gründete. Sein Vater war der Räuber-Gitarrist Norbert Campmann, der 2007 überraschend verstarb. Mit Hit wie „Pirate“, „Alle Jläser huh“ und „Stadt met K“ schuf die Band Hymnen, die nicht nur im Karneval in Dauerschleife zu hören sind.
2022 trat die Band im Rheinenergie-Stadion auf, es war der bislang größte Auftritt der Musiker. Längst sind die Kölschrocker auch bundesweit unterwegs und touren durchs benachbarte Ausland. Mit dem Sprachführer „Kölsch für Anfänger“ hat der Sänger sein erstes Buch veröffentlicht, er hat zudem „Das kölsche Märchenbuch“ als Hörbuch eingesprochen.
In Stammheim ist Campmann groß geworden. Er ist heute 47 Jahre alt und engagiert sich in der Initiative „Arsch huh“ gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Der Musiker ist verheiratet und Vater einer Tochter. (mft)