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„Nicht angemessen“Land lässt keine digitale Ratssitzung zu – Politiker sind empört

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Dicht an dicht sitzen die Politiker im Stadtrat, getrennt durch Acrylglasscheiben.

Köln – Mit ihrer Bitte, in Corona-Zeiten auch virtuelle Sitzungen von Stadtrat und Ausschüssen per Videokonferenz zu erlauben, ist Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei Armin Laschet abgeblitzt. Der Brief, den sie vorige Woche an den NRW-Ministerpräsidenten schrieb, stieß in Düsseldorf ebenso wenig auf Gegenliebe wie das Schreiben Kölner Ratsfraktionen an NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach. Die Landesregierung lehnt es trotz hoher Corona-Infektionszahlen ab, die Gemeindeordnung NRW zu ändern. Diese schreibt vor, dass kommunale Gremien in öffentlich zugänglichen Präsenzsitzungen tagen müssen.

Dabei bleibe es, erklärte ein Sprecher von Ministerin Scharrenbach auf Anfrage. Öffentliche Sitzungen seien ein „unverzichtbares Element in einer freiheitlichen Demokratie“. Die Öffentlichkeit solle Beratungen, Abstimmungen „und die Interaktion der Gremienmitglieder umfassend verfolgen können. Diese Anforderungen lassen sich auf digitale Formate nicht ohne Weiteres übertragen.“

Kritik am Plan der Stadtverwaltung

Wie berichtet, gibt es im Stadtrat Kritik am Plan der Stadtverwaltung, die Ratssitzung am 4. Februar mit mehr als 100 Personen im engen Ratssaal abzuhalten. Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin und SPD-Parteichefin Christiane Jäger hatten eine Verlegung in den wesentlich größeren Festsaal des Gürzenich ins Spiel gebracht. Die Verwaltung hält derzeit am Ratssaal fest. Dort wurden in Absprache mit dem Gesundheitsamt für 30 000 Euro Trennwände aus Acrylglas errichtet, die die Ratsmitglieder schützen sollen.

„Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung auch in NRW digitale Formate für Rats- und Ausschusssitzungen erlaubt, wie dies in Baden-Württemberg bereits der Fall ist“, sagt CDU-Ratsmitglied Ralph Elster. „Auch per Videokonferenz kann man Beschlüsse fassen. Das ist längst gelebte Praxis in vielen Unternehmen. Die CDU hat es bei der Wahl ihres Bundesvorsitzenden praktiziert, und auch die Arbeit der kommunalen Gremien könnte von neuen Formaten profitieren.“ Denkbar sei zum Beispiel eine Kombination aus Präsenz und virtueller Sitzung, bei der sich kleine Gruppen treffen und mit den anderen digital vernetzen. Öffentlichkeit herzustellen, sei dabei kein Problem. „Für Besucher könnte man die Sitzungen auch per Video in einen öffentlich zugänglichen Raum im Rathaus übertragen.“

Nein aus Düsseldorf sei unangebracht

Dass nächste Woche mehr als 100 Politiker und Verwaltungsmitarbeiter im engen Ratssaal zusammenkommen sollen, sei „der aktuellen Lage nicht angemessen“, so Elster. „Es wäre besser, in einen größeren Saal wie den Gürzenich auszuweichen.“ Dort tagte die Landschaftsversammlung Rheinland (LVR) am Freitag mit rund 130 Personen.

Auch Grünen-Ratsherr Manfred Richter äußert „die dringende Bitte an die Verwaltung, die Ratssitzung am 4. Februar wieder im Gürzenich oder einem vergleichbar großen Saal stattfinden zu lassen“. Er schlägt vor, „dass alle Fraktionen und Gruppen im Rat angesichts der Infektionslage nur die Hälfte ihrer Mitglieder zu dieser Sitzung schicken, wie dies bereits beim ersten Lockdown im Frühjahr der Fall war“.

Das Nein aus Düsseldorf zu digitalen Sitzungen findet Richter unangebracht. „Die NRW-Landesregierung wäre gut beraten, mögliche Formen virtueller Gremiensitzungen zu prüfen, statt sie sofort abzulehnen.“ FDP-Fraktionschef Ralph Sterck plädiert ebenfalls für einen Umzug in den Gürzenich und betont: „Mit neuen digitalen Formaten ließe sich sogar mehr Öffentlichkeit für die Kommunalpolitik schaffen.“