In den zwei Loft-Etagen arbeiten 23 Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung oder kognitiver Beeinträchtigung - und das äußerst erfolgreich.
Inklusion in Köln„Kunsthaus KAT 18“ feiert mit besonderem Konzept Zehnjähriges
Im „Kunsthaus KAT18“ stehen die Türen offen. Hinter historischen Backsteinfassaden mit Graffiti und Rosenbüschen im Hinterhof-Idyll begegnen sich Gäste und Kunstschaffende im Komplex am Kartäuserwall — beim Besuch in der Galerie und in der Kaffeebar mit vegetarischem Mittagstisch an der langen Tafel.
„Hier können wir unsere Kunst machen. Hier werden wir gut geschätzt. Hier werden wir auch berühmt, das hätte ich nie gedacht“, erklärt Andreas Maus bei einer Atelierführung im Kunsthaus, das zehnten Geburtstag feiert (siehe Infotext). Der 60-Jährige gehört zu den 23 Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderung oder kognitiver Beeinträchtigung, die in zwei Loftetagen der ausgebauten früheren Brauerei arbeiten. Ein Ort voll schöpferischer Kraft - von den Blumenbildern der Malerin Buket Isgören bis zu den Doppellinien-Wesen von Bärbel Lange, die gerade im Kunstverein Braunschweig ausgestellt sind. „Die Doppellinie bedeutet das Innenleben. Die Seele. Das die auch gewärmt wird“, erklärt sie. Im Museum Kolumba des Erzbistums Köln präsentiert Kollegin Susanne Kümpel, geboren mit Trisomie 21, in der aktuellen Jahresausstellung zusammen mit Exponaten etwa von Louise Bourgeois Werke zum Thema Herz als Gefäß für die Liebe.
„Hier fühle ich mich wohl“, sagt Andreas Maus zum Kunsthaus. Der 60-Jährige ist froh, dass er nach Jahren eintöniger Werkstatt-Tätigkeiten wie Elektromontage und Verpackungsarbeit dort seine Ideen mit fachlicher Unterstützung umsetzen kann. „Als die Elektromontage für Ford wegfiel, war ich erstmal arbeitslos und hab den Bleistift genommen“, so Maus, der 2021 als erster mit dem Euward-Preis ausgezeichnet wurde; einige Arbeiten kaufte die Bundeskunstsammlung an.
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„Kunsthaus KAT 18“: Auch politische Themen werden behandelt
Der Kölner arbeitet seit 2020 in Vollzeit im Komplex am Kartäuserwall. Er gestaltet expressive Skulpturen aus Keramik wie die Faust mit der Inschrift „Respekt Bitte“. Er zeichnet mit Bleistift oder Kuli in akurat „verhäkelten“ Linien Bildergeschichten. In Künstlerbüchern setzt er sich auch mit erlittenen Gewalterfahrungen und Ausgrenzung auseinander, mit politischen Themen zu Nazi-Diktatur und Gefahren für die Demokratie: „Ausgelöscht für immer“, steht mahnend über verstörenden Szenen des Grauens zum Schicksal von Anne Frank, die im Dritten Reich ermordet wurde.
Einer der Höhepunkte in der Kunsthaus-Geschichte ist eine Teamarbeit: Die Installation „Büro für Augen, Nase, Zunge, Mund, Herz, Hand und Maske, die alles überdeckt“. Der Büro-Kosmos verwandelt amtliche Handlungen in ein surreales Abenteuer. Der Mund singt den Wetterbericht, das Auge stellt Ausweise aus, die Hand erweist sich als streichelnde, aber auch Angst einflößende „Mitarbeiterin“. „Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich an die eindrucksvolle Atmosphäre denke“, sagt Jutta Pöstges, künstlerische Leiterin und Initiatorin des Kunsthaus KAT18-Projekts der Gemeinnützigen Werkstätten Köln (s. Interview). Sie knüpfte auch den Kontakt zur renommierten Künstlerin Eva Kot'átková, die gerade den tschechischen Pavillon für die Biennale in Venedig 2024 konzipierte. Kot'átková entwickelte mit dem Kölner Team die Büro-Aktion. Die Installation wurde ebenfalls im Kolumba-Museum präsentiert und für die ständige Sammlung angekauft, ohne Unterschied zwischen Werken von Künstlern mit oder ohne Behinderung. Pöstges ist Inklusion, die gleichberechtigte Teilhabe, ein Herzensanliegen: „Wir fördern gute Kunst, die intensiv ist und berührt.“
„Ich wusste schon früh, dass ich gut malen kann und das voll drauf hab!“
Auch Filip-Mijo Livaja ist regelmäßig in Ausstellungen vertreten. „Ich mache hier seit zehn Jahren viele Sachen. Das ist meine Arbeit und mein gutes Recht!“ Er beschäftigt sich gerade mit Stoffobjekten und verwandelt uniforme Werkstattkittel mit genähten Jesusfiguren und Symbolen wie der kroatischen Flagge in Unikate. Der 28-Jährige war früher im Bereich der beruflichen Bildung in den GWK Sürth tätig, absolvierte seinen Hauptschulabschluss, suchte einen Job. Die Arbeit in der Werkstatt sagte ihm nicht zu. „Ich war gestresst, traurig, ich wollte nicht irgendwelche Mosaiken basteln und was mit alten Steckern machen“, sagt der gebürtige Kroate, der wegen seines frühkindlichen Autismus' früher kaum sprach.
„Das ist jetzt anders“, sagt Livaja lächelnd und erzählt mit Begeisterung: „Ich wusste schon früh, dass ich gut malen kann und das voll drauf hab! “, sagt er und zeigt Acrylbilder von Räumen mit Ein- und Ausblicken in kräftigen Farben. Der Künstler, der sich in der kroatisch-katholischen Mission engagiert, wählt öfter auch christliche Motive. Seit einigen Jahren besucht er das Aktzeichnen in der Orientierungsklasse der Kunstakademie Düsseldorf. „Das Kunsthaus ist ein toller Arbeitsort“, so Livaja. „Wir machen oft Projekte. Das ist cool.“ „Hier kann man sich fachlich austauschen. Und man hat gute Freunde“, bestätigt Maus. Kunst ist für alle Leidenschaft, „die Liebste“. „Kunst kann man nicht studieren“, meint er. „Entweder man hat es oder nicht.“