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Interview mit Sanierungschef Streitberger„Risiken bei der Kölner Oper bleiben bis zum Schluss“

Lesezeit 6 Minuten
Bernd Streitberger, technischer Betriebsleiter der Bühnen.

„Risiken werden uns bis zum Schluss begleiten“: Bernd Streitberger sieht die Bühnen dennoch gut geschützt vor bösen Überraschungen.

In 408 Tagen sollen die Bühnen endlich fertig sein. Sanierungschef Bernd Streitberger sagt: „Wir müssen die Arbeiten nur noch abschließen.“ Klappt es dieses Mal?

Am 22. März kommenden Jahres sollen die Schlüssel für die Bühnen übergeben werden. Mit Sanierungschef Bernd Streitberger sprachen Moritz Rohlinger und Jens Meifert über Horrorszenarien und den Neustart am Offenbachplatz.

Der 22. März ist fest im Kalender eingetragen. Bereitet Ihnen das unruhige Nächte?

Ja, das ist schon so. Der Druck steigt, und das ist auch in Ordnung. Wir haben Ende des vergangenen Jahres nicht nur die Kosten nochmal in Gänze ermittelt, sondern auch alle Termine erneut überprüft. In der entscheidenden Sitzung – das war ein paar Tage vor Weihnachten – haben wir alle gemeinsam festgestellt, dass der Termin gehalten werden kann.

Wer sind „Alle“?

Die wichtigsten Beteiligten, also der Projektsteuerer und die drei wesentlichen Objektüberwachungen, also Bauleitungen. Ich habe in dem Gespräch reihum gefragt und alle haben den Termin bestätigt. Wir arbeiten sehr gut zusammen, das ist so etwas wie meine Versicherung.

Kann noch etwas schiefgehen?

Wir haben alles an Bord für die noch zu erledigenden Aufgaben: Wir haben die Pläne und die Firmen zur Umsetzung. Bislang haben auch die Materialbestellungen weitgehend pünktlich funktioniert. Wir müssen die Arbeiten nun nur noch abschließen, aber es bleibt bis zum Schluss wegen der vielen Abhängigkeiten der einzelnen Schritte untereinander anspruchsvoll und empfindlich.

Der „Worst Case“ wäre, wenn nun noch eine Firma im Prozess insolvent wird?

Ja, wenn eine unserer großen haustechnischen Firmen jetzt Insolvenz anmelden müsste, wäre das ein großes Risiko. Das muss man so sagen. Da haben wir als Auftraggeber allerdings keinen Einfluss drauf.

Haben Sie deswegen im vergangenen Jahr vielen Firmen nachträglich eine Preis-Indexierung angeboten?

Das haben wir proaktiv angeboten, um eine Sonderkündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu vermeiden. So eine Kündigung wäre für das Projekt im Ergebnis das gleiche wie die von Ihnen angesprochene Insolvenz und schrecklich für uns. Wir mussten also an dieser Stelle investieren, um Sicherheit zu gewinnen und Schäden für das Projekt abzuwenden. Das haben die Firmen gewürdigt.

Könnten irgendwo böse Überraschungen schlummern?

Hundertprozentig sicher ist man nie, gewisse Risiken werden uns bis zum Schluss begleiten. Aber wir haben vier Jahre Planung hinter uns, die haustechnischen Bereiche wurden umfassend durchleuchtet.

Finden Sie den Vergleich immer noch treffend, dass Sie die Technik einer S-Klasse in einen VW Käfer bauen?

Der Vergleich stammt von mir. Aber ich habe gesagt, dann braucht der Käfer einen Anhänger, und den haben wir ja auch gebaut: Das sind der Technikraum, der zwischen den Werkstatttürmen dazu gekommen ist und vor allem der große Raum, den wir unter den kleinen Offenbachplatz gebaut haben. Wir haben jetzt 66 000 Quadratmeter Bruttogrundfläche, davon sind 17 000 Quadratmeter neu.

Jetzt plant die Stadt ja auch bereits die Eröffnung. Gibt es Absprachen mit dem Betrieb?

In den ersten Jahren habe ich eine strikte Trennung zum Spielbetrieb aufgebaut. Das haben Frau Dr. Meyer und Herr Bachmann (Ex-Opern-Chefin und Schauspiel-Intendant/Anm. d. Red.) akzeptiert, da waren sie sehr fair. Diese Mauer schleifen wir. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die nicht nur den Umzug, sondern den Übergang plant. Mein Team und ich sind ausschließlich für die Infrastruktur zuständig. Wir bauen auch beispielsweise die Serverräume und Serverschränke. Die technischen Inhalte werden vom Bühnenbetrieb beschafft und eingebaut. Das wird wegen der Sensibilität vier Monate vor Übergabe erfolgen. Der Spielbetrieb wird also in dieser Phase hinzugezogen, wir stimmen alles ab. Das machen wir auch in den anderen Bereichen so.

Und dann geht es gleich los?

Für die Bühnen wird das hier ein richtiger Neustart. Sie müssen bei der Bühnentechnik alles neu lernen, woran die Mannschaften jetzt schon arbeiten, weil die großen Bühnen ja schon zu mehr als 90 Prozent fertiggestellt sind. Die vier neuen Bühnen sind mit den alten nicht zu vergleichen, mit dem Interim schon gar nicht. Nur in den „Arbeitskreis actori“, in dem es um die Zeit nach der Schlüsselübergabe ab 2024/25 geht, gehe ich nicht. Ich gebe die fertigen Häuser ab und dann ist für mich Schluss, das habe ich von Anfang an so gesagt.

Bernd Streitberger, technischer Betriebsleiter der Bühnen.

Bernd Streitberger, technischer Betriebsleiter der Bühnen.

Was ist bis dahin wichtig?

Hier auf der Baustelle vor allen Dingen Koordination und Kommunikation zwischen den Gewerken, in diesen extrem arbeitsteiligen Bauabläufen mit ihren Abhängigkeiten untereinander. Und dass die rund 700 Beschäftigten der Bühnen mit ihrem dann neuen Arbeitsplatz vertraut gemacht werden.

Als Sie 2016 als Chefsanierer eingestiegen sind, haben Sie im Rundschau-Interview gesagt: „Wenn das Ding vor die Wand fährt, bin ich verantwortlich.“ Nehmen wir an, Sie werden 2024 fertig. Glauben Sie denn, dass jemand Ihnen das groß dankt?

Ich bin und bleibe verantwortlich. Und ich erwarte keinen besonderen Dank. Es ist keine besondere Leistung. Ich habe mit meinem Team hier aufgeräumt, und wir haben unseren Auftrag erfüllt. Selbstkritisch würde ich sagen: Das hat viel zu lange gedauert. Aber es gibt auch kein Lehrbuch für havarierte Baustellen, schon gar nicht für einen Kulturbau in dieser Dimension.

Es gab eine Kostenexplosion. Glauben Sie, dass die Kölner diese Bühnen lieben können?

Ich glaube, dass das keine reine Sanierungsfrage ist, sondern auch von den Inhalten abhängt, die nach der Wiedereröffnung auf den dann vier Bühnen präsentiert werden. Das Opernhaus ist ein sperriger Bau, aber ich habe, vielleicht gerade wegen der ganzen Wendungen, selbst angefangen, das Haus zu lieben. Man kann als Kommune nicht so hochrangige Denkmäler haben und sie einfach aufgeben. Das Bühnen-Ensemble ist etwas Besonderes und ein herausragendes Denkmal für den Wiederaufbau Kölns nach dem Zweiten Weltkrieg – ob man es nun ästhetisch gelungen findet oder nicht.

Stellen Sie sich vor, es ist der letzte Tag. Sie machen die Bürotür zu, gehen raus und jemand spricht sie an: ,675 Millionen Euro, mit den Finanzierungskosten fast eine Milliarde, war es das wert?‘ Was antworten Sie dem?

Das möge bitte jeder selbst für sich beurteilen. Ich möchte unsere Kostenentwicklung nicht beschönigen, aber tatsächlich liegen die Kosten anderorts für Kulturbauten dieser Größe auch in ähnlichen Regionen.


Zur Person

2016 wurde Bernd Streitberger Chefsanierer der Bühnen. Er sollte ein Verfahren retten, das er als Baudezernent selbst aufgesetzt hatte.

Der heute 73-Jährige stammt gebürtig aus Münster und hat in Dortmund Raumplanung studiert. Nach seiner Zeit als Baudezernent (2004 bis 2012) wechselte er zur „Modernen Stadt“, der Stadtentwicklungsgesellschaft von Stadt und Stadtwerke.


Die Baustelle

10 Jahre und mehr als sieben Monate dauert die Sanierung der Kölner Bühnen (Oper, Schauspiel, Kleines Haus und Kinderoper) nun bereits an. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte bei der Vorstellung des aktualisieren Kostenplans vor knapp drei Wochen: „Es ist und bleibt ein Desaster, was da geschehen ist. Es ist sehr teuer und es hat sehr lange gedauert.“

Die Kosten sind immer wieder sprunghaft gestiegen. 253 Millionen Euro lautete die ursprüngliche Kalkulation.

674 Millionen Euro sind es nun, die auf der Rechnung stehen. Dazu kommen die Finanzierungskosten von – Stand jetzt – 239 Millionen Euro sowie 130 Millionen Euro für die Interimsspielstätten.

2015 hatte die Stadt den Eröffnungstermin kurzfristig absagen müssen, die Sanierung wurde komplett neu aufgesetzt. Die Schlüsselübergabe ist nun für -den 22. März 2024 geplant, die Eröffnung im Herbst 2024. (mft)