Nach dem Aus für die Historische Mitte am Dom suchen Stadt und Kirche nach alternativen Lösungen.
Nach Aus der Historischen Mitte in Köln„Können nicht noch zehn Jahre warten“
Am Tag, nachdem die Bombe geplatzt ist, herrscht in der Kölner Politik eine gewisse Erleichterung. Das Aus für die Historische Mitte am Dom – es sorgt nicht gerade für große Trauer im Rathaus. Eher für eine nüchterne Klarheit, über die mancher eher froh zu sein scheint. Die Entscheidung der Kirche, das Mega-Projekt angesichts der schwierigen Haushaltslage zu stoppen, sei nachvollziehbar, ist häufig zu hören.
Wie berichtet, hat die Hohe Domkirche am Mittwoch erklärt, dass sie das Projekt am Roncalliplatz wegen der gestiegenen Kosten nicht weiter verfolgt. Stadt und Kirche hatten die Historische Mitte seit 2018 gemeinsam geplant. Sie sollte aus einem Neubau für das Kölnische Stadtmuseum (KSM) und einem Bürogebäude für die Kirche, das Römisch-Germanische Museum (RGM) und das KSM bestehen. Dafür sollten das Kurienhaus der Kirche und das Verwaltungsgebäude des RGM abgerissen werden. Zuletzt waren die Kosten von 183 auf 207 Millionen Euro gestiegen. Nach dem vereinbarten Schlüssel – 80 Prozent Stadt, 20 Prozent Kirche – hätte der Anteil der Kirche 41,4 Millionen Euro betragen. Zu viel für das Domkapitel, das nun die Reißleine zog.
Damit ist der in einem Wettbewerb gekürte Entwurf von Volker Staab Architekten für die beiden Neubauten tot. Nun geht es um die Frage, ob und wie sich eine abgespeckte Version der Pläne realisieren lässt. Wird die Kirche ihr marodes Kurienhaus nun in Eigenregie kernsanieren? Oder es abreißen und in ähnlicher Kubatur neu bauen? Und wohin soll das Stadtmuseum ziehen, das 2021 das Zeughaus verlassen musste (siehe Infotext) und in der Mitte eine neue Heimat finden sollte? Fragen über Fragen. Stadt und Kirche wollen nun über mögliche Lösungen beraten.
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„Wir haben keinen Plan B in der Schublade“, bekennt Dombaumeister Peter Füssenich. Man habe mit der Stadt lange daran gearbeitet, für diesen besonderen Ort am Dom ein gemeinsames Nutzungskonzept für Kirche, Stadtmuseum und RGM zu entwickeln. Die Mitte sei dafür eine ideale Lösung gewesen, aber leider zu teuer. „Das Ideal haben wir nicht geschafft“, so Füssenich. „Jetzt geht es darum, wie wir die Idee der Zusammenarbeit der drei Institutionen an dieser exponierten Stelle trotzdem verwirklichen können.“
OB Reker betont: Die Stadt werde sparen müssen
Auf dem Areal am Dom zu bauen, sei „sehr kompliziert und sehr teuer“. Zu klären sei nun auch, inwieweit man die vorhandenen Baustrukturen nutzen könne. Die Kirche sei bereit, die gemeinsame Projektgesellschaft mit der Stadt, die GbR Historische Mitte, fortzuführen, um an Lösungen zu arbeiten. Die müssten allerdings zeitnah kommen, betont der Dombaumeister. „Wir können nicht noch mal zehn Jahre warten.“
Die Idee der Mitte war 2014 erstmals vom damaligen Oberbürgermeister Jürgen Roters ventiliert worden. Die Kirche hat seitdem nicht mehr in das Kurienhaus investiert, weil man ja von einem Abriss ausging. Dort sind derzeit unter anderem die Dombauverwaltung, das Dombauarchiv und das Offizialat untergebracht. Sie könnten nicht mehr lange in dem Altbau bleiben, so Füssenich. Denkbar sei ein Umzug in ein Interim, bis am Dom eine neue Lösung da ist – ob in Form eines sanierten Kurienhauses oder eines Neubaus an gleicher Stelle. Für Füssenich ist klar, dass Dombauverwaltung und Dombauarchiv auch künftig in unmittelbarer Nähe des Doms angesiedelt sein müssen. Bei den Verwaltungsräumen des RGM und des KSM könne es dagegen auch andere ortsnahe Möglichkeiten geben.
Das bietet Perspektiven für günstigere Varianten. Beim bisherigen Konzept hätte eine Fernwärmeleitung der Rheinenergie mit Millionenaufwand versetzt werden müssen. Doch ein Verzicht auf Büros mit Domblick löst nicht das Problem, wo das Stadtmuseum auf Dauer hin soll. Kehrt es ins Zeughaus zurück, das erst kernsaniert werden muss? Findet es ein anderes Domizil?
Fakt ist: Das größte Neubauprojekt der Stadt ist vorerst gescheitert. Die Historische Mitte wurde gerne als Dreh- und Angelpunkt der im Stadtraum erlebbaren Geschichte dargestellt. Das Stadtmuseum im Zentrum sollte unter anderem die Römische Hafenstraße aufnehmen und den Beginn der Via Culturalis markieren, gewissermaßen das rote Band der Stadtgeschichte, vom Dom bis zur Kirche St. Maria im Kapitol. Dieser Traum ist geplatzt. Baudezernent Markus Greitemann sagt: „Das Projekt ist nun erstmal auf Null gesetzt.“ Heißt: Alle Ideen, und von denen wird es viele geben in den nächsten Tagen, werden geprüft. Denkbar wäre etwa ein Neubau des Kurienhauses mit einer in Teilen öffentlichen Nutzung im Erdgeschoss oder in den ersten beiden Etagen – als Schaufenster der Stadtgeschichte. Möglicherweise ein transparenter Neubau? Ein Leuchtturm als Startpunkt der Via Culturalis?
Vor allzu kühnen Träumen hat die Oberbürgermeisterin indirekt gewarnt. Beim Neujahrsempfang der Grünen sagte Henriette Reker: „Wir werden sparen müssen, und wir werden Prioritäten setzen. Das wird weh tun.“ Aber Investitionen seien dennoch notwendig, auch in der Krise, die anhalten werde. Niklas Kienitz (CDU) betont: „Für uns ist jetzt wichtig, dass wir noch in diesem Jahr eine gute Entscheidung für die Zukunft dieses überaus bedeutenden Areals treffen. Schließlich ist es einer der herausragendsten Plätze unserer Stadt.“ Christiane Martin (Grüne) sagt: „Ein so gewaltiges Projekt ist gerade in den heutigen Zeiten nicht umsetzbar.“ Alle Beteiligten müssten nun „gemeinsam erarbeiten, wie das für Köln so bedeutende Domumfeld in Zukunft gestaltet werden kann“.
Christian Joisten (SPD) erwartet von der Verwaltung, dass sie „die nun entstehenden Fragen vollumfänglich klärt, damit darauf aufbauend neue Perspektiven für das Herz unserer Stadt rund um den Dom entwickelt werden können“. Für das Stadtmuseum dürfe jetzt „keine erneute Hängepartie entstehen“, meint Lorenz Deutsch (FDP). Er betont: „Die Rückkehr in den angestammten Ort nach angemessener Sanierung sollte der Rat so schnell wie möglich beschließen: Zeughaus jetzt!“ Auch Konrad Adenauer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins, sagt: „Keinesfalls darf die Zukunft des Zeughauses jetzt über Jahre hinweg eine ungelöste Frage bleiben.“