Der Nebenkläger konnte sich nicht mehr an judenfeindliche Äußerungen nach dem Angriff auf ihn in Köln erinnern - Verfahren eingestellt.
Amtsgericht in KölnProzess nach Angriff auf Kippa-Träger - Antisemitischer Hintergrund „nicht feststellbar“
Entrüstung und Anteilnahme waren überwältigend: Nachdem ein damals 18 Jahre alter Mann in der Kölner Innenstadt aus eine zirka zehnköpfigen Gruppe heraus mutmaßlich antisemitisch beleidigt und schließlich verprügelt worden war, hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit „Entsetzen und Bedauern“ reagiert. „In unserer Stadt muss jeder und jede angstfrei leben können, egal welcher Religion man angehört, welche Weltanschauung man hat und wie man lebt und liebt“, hatte das Stadtoberhaupt im August 2021 gesagt.
Am Dienstag fand nun vor dem Amtsgericht die juristische Aufarbeitung des Falls statt. Angeklagt waren vier Männer, von denen aber nur drei zum Prozess erschienen. Der vierte Angeschuldigte, so hieß es, sei mittlerweile in die Türkei verzogen; das Verfahren gegen den Mann wurde abgetrennt.
Kippa-Träger zog sich Nasenbein- und Jochbeinbruch zu
Den drei verbliebenen Männern im Alter zwischen 19 und 20 Jahren legte die Anklage zur Last, am 20. August 2021 zunächst den Kippaträger, der mit einem Freund in einem Park am Kaiser-Wilhelm-Ring Bier trank, mit „Scheiß Jude“ angepöbelt zu haben. Anschließend habe der 18-Jährige die Angeklagten zur Rede gestellt, woraufhin er verprügelt worden sei.
Dabei zog sich das Opfer einen Nasenbein- und einen Jochbeinbruch, der in einem Krankenhaus operiert werden musste, zu. Ein Angeklagter schwieg zu den Vorwürfen, die beiden anderen bestritten, den Nebenkläger antisemitisch beleidigt zu haben. Der Nebenkläger habe keine Kippa getragen, sie hätten somit gar nicht wissen können, dass der damals 18-Jährige jüdischen Glaubens ist.
Verteidiger stellt Glaubwürdigkeit des Nebenklägers in Frage
Der Nebenkläger versicherte hingegen bei seiner Zeugenaussage, dass er eine Kippa getragen habe. Allerdings konnte er sich nicht an die in der Anklage aufgeführte antisemitische Beleidigung erinnern. Auch mit seiner damaligen Aussage bei der Polizei konfrontiert, bei der er die Beleidigung zu Protokoll gegeben hatte, konnte er sich nicht erinnern.
Überhaupt stellte der Verteidiger die Glaubwürdigkeit des Nebenklägers in Frage. Der habe an Halloween 2021 einen gegen ihn gerichteten antisemitischen Vorfall erfunden. Nachdem er betrunken mit zwei Bekannten körperlich aneinandergeraten war, hatte er die Polizei gerufen und behauptet, erneut antisemitisch angegriffen worden zu sein. Zudem hatte er an jenem Abend Polizeibeamte unter anderem als „Nazis“ beschimpft, woraufhin er in Gewahrsam kam. Für den Vorfall war er laut eigenen Angaben zu 30 Stunden sozialer Arbeit verurteilt worden.
Für den Richter stand schließlich fest: „Dass es die körperliche Auseinandersetzung gab, ist unstrittig.“ Der antisemitische Hintergrund könne hingegen nicht festgestellt werden. Das Verfahren wurde unter Auflagen eingestellt. Die beiden 20 Jahre alten Angeklagten müssen jeweils 500 Euro Schmerzensgeld zahlen, der zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alte und somit jugendliche Angeklagte kam mit 400 Euro davon.