Ein Jahr nach Ausbruch des Krieges zeigte Köln seine Solidarität mit der Ukraine. Bei der Kundgebung am Dom sprach auch OB Henriette Reker, zuvor hatte es ein Konzert auf dem Heumarkt gegeben.
Demonstration in KölnWüst: "Wir stehen an eurer Seite"
Um 19 Uhr ertönen Sirenen am Dom. Es ist ein Geräusch, an das sich die Menschen in der Ukraine, in Städten wie Charkiw oder Dnipro längst gewöhnt haben, das für sie nach einem Jahr Krieg zu traurigem Alltag geworden ist. Am Dom hören tausende Demonstranten die Sirenen, sie tragen blau-gelbe Fahnen, auf manchen steht „Stoppt den Krieg“ oder „Waffen für die Ukraine.“ Julia Chenusha von der Hilfsorganisation Blau-Gelbes Kreuz sagt: „In der Ukraine wird unsere Freiheit verteidigt.“
„Wir alle erinnern uns, wo wir waren und was wir gefühlt haben, als wir die Nachricht vom Beginn des russischen Angriffs bekommen haben“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Aus Trauer, Verzweiflung und Entsetzen sei Entschlossenheit geworden. Die Bilder der Massaker von Butscha und Irpin würden als „Symbole des russischen Zivilisationsbruchs“ im kollektiven Gedächtnis Europas bleiben. Den Ukrainern in Köln sagte sie erneut Unterstützung zu. „Solange ein gerechter Frieden nicht möglich ist, können sich die Menschen, die aus der Ukraine zu uns geflüchtet sind, weiterhin auf unsere Unterstützung verlassen.“ Es vergehe kein Tag ohne Hilfstransport von Köln in die Kriegsgebiete. „Die Kölner stehen unverbrüchlich an der Seite der Ukrainer.“ Lauter Applaus auf dem Roncalliplatz.
Organisiert wurde die Veranstaltung auf dem Roncalliplatz vom Blau-Gelben Kreuz. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) lobte die Initiative: „Es gibt viele die helfen, aber keiner so viel wie das Blau-Gelbe Kreuz.“ Putins Krieg habe unvorstellbares Leid über Europa gebracht, sagte der Regierungschef. Die Täter müssten eines Tages dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wüst betonte: „Die Ukrainer haben viel verloren, aber nicht ihren Mut, ihren Zusammenhalt.“ Auch der Westen habe sich nicht teilen lassen, die Menschen in Deutschland stünden zusammen. Die stellvertretende Ministerpräsidentin NRW, Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, sagte: „Unsere Herzen sind schwer, aber sie sind stärker geworden.“ Mit der viel zitierten Zeitenwende sei das Bewusstsein gewachsen für Freiheit und Demokratie, den Schutz dieser Werte. Immer wieder brandete lauter Jubel auf.
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Bereits am Nachmittag hatten Kölnerinnen und Kölner auf dem Heumarkt ihre Soldarität gezeigt. Für die Forderung des Friedenskonzerts brauchte es nicht viele Worte. „Peace please“ – Frieden, bitte – stand auf dem blauen Banner auf der Bühne. Verein sammelte bereits 100 000 Euro Wie weit dieser Wunsch aktuell noch von der Realität entfernt ist, erfuhren viele der Konzert-Teilnehmer aus erster Hand. Die ukrainische Sängerin Mariana Sadovska hat zu vielen Landsleuten Kontakt, auch zu vielen ihrer Künstler-Kollegen: „Heute gab es wieder einen Angriff auf uns“, las sie aus einer Nachricht eines befreundeten Künstlers aus Charkiw vor. „Wir konnten den Sturm unterbrechen, doch unsere Nachtsichtgeräte und Drohnen haben wir verloren. Wir sind wie blind.“ 100 000 Euro hat der Verein Kunst hilft geben von Dirk Kästel seit dem vergangenen Jahr bereits für die Ukraine gesammelt.
Mit dem Benefiz-Friedenskonzert auf dem Heumarkt sollte erneut eine möglichst große finanzielle Hilfe zusammenkommen. Die Bethe-Stiftung verdoppelt die Spenden, die am Freitag zusammenkommen. „Ich bin sehr dankbar, dass wir zusammen Widerstand leisten und uns nicht von einem Aggressor erpressen lassen“, sagt Sadovska. „Ich bin stolz, dass ich in Köln lebe, wo so viele Menschen helfen.“ Bands wie die Bläck Fööss, Paveier, Björn Heuser und viele weitere Künstler hatten zuvor bekundet, auf ihre Gage zu verzichten, um so ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine zu setzen. Die Lucky Kids von Chorleiter Michael Kokott sangen den Udo-Lindenberg-Titel „Wir ziehen in den Frieden“: „Komm lass uns jetzt die Friedensflaggen hissen, wir werden den Kriegen nicht länger tatenlos zuschauen“, heißt es darin. Auch kritische Stimmen erklangen auf der Bühne.
„Die Unterbringungssituation für Flüchtlinge ist dramatisch“, sagt der Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, Claus-Ulrich Prölß. Innenministerin Nancy Faeser lasse die Kommunen alleine und sei nicht in der Lage, Rahmenbedingungen für bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, in dem Schutzsuchende unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Auch Reker hatte in dieser Woche eine stärkere Unterstützung angemahnt. „Trotz des herausragenden zivilgesellschaftlichen Engagements in Köln brauchen wir mehr Unterstützung, um die Menschen, die aus der Ukraine zu uns flüchten, weiterhin aufnehmen, und denen, die bei uns bleiben möchten, eine langfristige Heimat bieten zu können“, sagte die OB.
Kritik an Wagenknecht und Schwarzer
Deutliche Worte richtete Reker indirekt an die Linken-Politikern Sarah Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer, die in Berlin zu einer Demonstration aufgerufen haben. „Wer Manifeste und offene Briefe schreibt und Waffenlieferungen für die Ukraine als Verlängerung des Krieges abqualifiziert, dem sagen wir: Die westlichen Waffen versetzen die Ukraine erst in die Lage sich zu verteidigen.“ Auch in Köln findet an diesem Samstag um 17 Uhr auf dem Roncalliplatz eine Protestaktion statt, bei der sich die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, für den Stopp von Waffenlieferungen aussprechen wird.