Wie umgehen mit Straßen- und Platznamen, mit denen Menschen geehrt werden, die sich aus heutiger Sicht schuldig gemacht haben? Ein in der Öffentlichkeit noch nicht bekannter Historiker-Beirat hat nun eine Liste mit Straßenbezeichnungen erarbeitet, bei denen sich was ändern soll.
Zu viel der EhreDiese Straßennamen sollen aus Köln verschwinden
Es sind Namen, die so alltäglich geworden sind, dass zumeist achtlos über sie hinweggegangen wird: Hermann-Löns-Straße, Robert-Koch-Straße oder auch Kardinal-Höffner-Platz. Selbst wenn bei dem ein oder anderen Namen noch etwas wage klingelt, wer weiß schon im Detail, welche „Lebensleistung“ sie aufs Schild gehoben hat?
Ein Experten-Beirat, zusammengerufen von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, schaut nun genauer hin. In ihm sitzen Historiker und Wissenschaftler, die gerade Kölns Straßennamen und Platzbenennungen unter die Lupe nehmen. Und es kann als sicher gelten: Bei mindestens elf Namen wird es nicht bleiben, wie es seit Jahrzehnten ist. Wenn sie nicht einer Umbenennung weichen, werden sie zumindest mit einem Hinweis versehen.
Zurück bis zu den Römern
Der Historiker-beirat für die Straßennamen ist nicht das erste Gremium, das sich mit dem historischen Erbe der Stadt befasst. Bereits im vergangenen Jahr fand sich auf Initiative der Verwaltung ein Kreis von Experten zusammen, der einen Maßnahmenkatalog zum Umgang mit Kölns „kolonialen Erbe“ erarbeiten soll. Dessen Mitglieder sind zu einem großen Teil aufgrund einer eigenen Migrationsgeschichte Berührungspunkte zu diesem Thema.
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Eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden hat das Gremium nicht. Offiziell äußern sich die Mitglieder nicht zum Diskussionsstand. Doch es dringt nach außen, dass es nicht weniger als ein Bildersturm werden könnte, was in dem Maßnahmenkatalog empfohlen wird.
Das Reiterdenkmal Wilhelm II. am Deutzer Rheinufer beispielsweise wackelt gewaltig. Ist darin der Grund zu finden, dass die Verwaltung zumindest bei den Straßennamen noch eine zweite Meinung einholen möchte? Denn ohne Öffentlichkeit herzustellen, hat Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker mehrere Historiker darum gebeten, ebenfalls in Form eines Beirates Gutachten zu besonders bedenklichen Straßen- und Platzbenennungen auszuarbeiten. Demnach gibt es nun eine Liste von Namen, bei denen wohl der Prozess einer Umbenennung oder einer erläuternden Ergänzung angestoßen werden soll.
Mit auf der Liste ist die Gravenreutherstraße in Ehrenfeld. Die Benennung geht zurück auf Karl Friedrich Freiherr von Gravenreuth. Er gilt als Kolonialpionier in Deutsch-Ostafrika. In seinem Lebenslauf ist eine Reihe von Schlachten aufgelistet, die er dort geschlagen hat. Unter anderem war er Kompanieführer in der Wissmanntruppe. Diese nach Hermann von Wissmann benannte Militäreinheit schlug Aufstände in Deutsch-Ostafrika nieder. Nach ihm ist die Wißmannstraße in Ehrenfeld benannt.
Weit mehr als diese beiden Namen dürfte den meisten Kölnern noch der Name Ferdinand Porsche ein Begriff sein. Nach ihm ist eine Straße in Porz benannt. Ferdinand Porsche stand dem Hitler-Regime nah. Er war Mitglied der NSDAP, wurde mehrfach ausgezeichnet und forderte aktiv Zwangsarbeiter für seine Werke ein. Auch die Hermann-Löns-Straße in Chorweiler ist aufgelistet. Löns wird eine „völkische Gesinnung“ zur Last gelegt. Alles Namen, bei denen es wahrscheinlich ist, dass bei ihnen für eine Umbenennung plädiert wird. So könnte anstatt von Ferdinand Porsche ein weit weniger belastetes Familienmitglied der Porsches aufs Schild gehoben werden.
Erinnerung an ein chinesisches Fort
Weitere Namen auf der Liste: Die Lerschstraße (Weiden); benannt wurde sie nach dem „Arbeiterdichter“ Heinrich Lersch, der nach der Machtergreifung Hitlers zu einer akademischen Stütze des Systems wurde. Die Robert-Koch-Straße (Lindentahl); Koch steht bei einigen Historikern aufgrund seiner Forschungen in Afrika zur Kolonialzeit in der Kritik. Er würde aber wohl ein Kandidat für eine erläuternde Ergänzung am Straßenschild sein. Die Takustraße (Neuehrenfeld); der Name geht auf Forts in China zurück, die unter anderem beim sogenannten Boxeraufstand geschleift wurden. Die Mohrenstraße: Laut des Historikerkreises bezieht sich dieser Name auf eine Tebäische Legion, in der Schwarze gekämpft haben. Die Pfitznerstraße in Lindenthal; benannt nach dem Komponisten, Dirigenten und Autor Hans Pfitzner, ein bekennender Antisemit.
Ein Kuriosum: Die Ostlandstraße (Weiden). Benannt wurde die Straße in den 1950er Jahren. Erlaubte sich damals ein „treuer Parteigänger“ einen üblen Scherz? Schlief die Verwaltung? Denn Ostland war der Name eines Reichskommissariats bei Riga. Und dann gibt es da noch den Kardinal-Höfner-Platz. Zu ihm wurden Stimmen laut, den Namen auf dem Schild wegen der Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche zu tilgen. Doch dem Vernehmen nach entzieht sich der Expertenkreis dieser Debatte, weil es sich dabei nicht um eine historische Frage handle. Der Kardinal-Höffner-Platz könnte deshalb in einem zusätzlichen Gutachten betrachtet werden.
Diese List dürfte Richtschnur für Umbenennungen und Ergänzungen werden – entschieden ist mit ihr aber noch nichts. Der Expertenbeirat wird sie mit samt der Gutachten demnächst der OB übergeben. Nach Prüfung durch die Verwaltung gingen die dann noch zur Debatte stehenden Namen in die jeweiligen Bezirksvertretungen. Das Verfahren sieht anschließend Bürgeranhörungen vor.