Eine Welt für sichDas Aquarium des Kölner Zoos wurde heute vor 50 Jahren eröffnet
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Köln – Ins Bullauge klettern, die Nasenspitze an die Scheibe drücken, alles um sich herum vergessen. Und mittendrin sein in der Unterwasserwelt. So wie Aquariumschef Thomas Ziegler als siebenjähriger Steppke haben das wohl jede Menge Kinder seit Eröffnung des Aquariums vor genau 50 Jahren gemacht.
„Das war eine komplett andere Welt, die mich gepackt hat“, erinnert sich Tierarzt und Zoo-Aufsichtsratschef Ralf Unna an seinen ersten Besuch in dem mit Bullaugen-Fenstern, Panoramabecken und einer Freiflughalle für Schmetterlinge wegweisenden Gebäude. Konzipiert von Architekt Kurt Meywald wurde es Vorbild für zahlreiche nachfolgende Aquariumsbauten. 1975 erhielt es den Kölner Architekturpreis.
Zu verdanken haben die Kölner ihr Aquarium einer echt kölschen Lösung. „So legal wie clever“ habe der damalige Oberbürgermeister Theo Burauen die Finanzierung gesichert, schildert Unna schmunzelnd. Denn Burauen hatte die Bundesgartenschau einfach auf das linksrheinische Riehl erweitert. Und für die Gartenschau gab’s die begehrten Bundesfördermittel.
Heute kümmert sich ein Team von elf Tierpflegern und -pflegerinnen um Kurator Thomas Ziegler um den Tierbestand des Hauses. Und leistet dabei wegweisende Arbeit, auch hinter den Kulissen. So wie Marion Pfeiffer. Die 37-Jährige ist unter anderem für den Seegras-Feilenfisch zuständig. Und gerade sehr zufrieden, denn sie hat es geschafft, 80 Jungfische nachzuziehen. Klingt einfach, ist es aber nicht. „Meerwasserfische brauchen Futter in exakt der richtigen Größe, sonst fressen sie es nicht“, sagt Pfeiffer. Akribisch hat sie das Futter ihren wachsenden Schützlingen angepasst.
500 Arten gibt es im Haus, 100 sind als bedroht oder gefährdet gelistet. „Dazu kommen viele, die noch keinen Schutzstatus haben, auch wenn ihr Lebensraum rasant schwindet“, so Ziegler. Mit ihm freut sich Zoochef Theo Pagel über die „weltweiten Schlagzeilen, die der Einsatz unseres Teams für das Philippinenkrokodil gemacht hat“. Um eine Nachzucht der extrem bedrohten Art zu ermöglichen, bekamen die Tiere mehr Platz. Ihr Verhalten wurde beobachtet und Stress vermieden.
Wussten Sie, ...
... dass schon 1880 im damaligen Affenhaus Krokodile gezeigt wurden? Später kamen Fische und Amphibien dazu, die im heutigen Südamerikahaus in 32 Aquarien und Terrarien zu sehen waren. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. ... dass 63 Firmen am Bau beteiligt waren, der knapp 6,7 Millionen Mark gekostet hat. ... dass die Aquariumshalle ohne Beleuchtung konzipiert wurde? Sie wird nur durch das Reflexionslicht der Schaubecken erhellt. ... dass 45 000 Liter Wasser in das Panorama-Aquarium der Piranhas passen? .... dass Lianen-Wände die Halle des Terrariums unterteilen? Sie ist als tropischer Regenwald konzipiert, mit überwucherten Buchten, auf deren Felsen sich Krokodile, Schildkröten und Echsen sonnen. Bromelien und Orchideen verstärken den Urwald-Charakter. 4/5 der Halle ist mit Glasdächern überdacht. ... dass 10 000 Tiere, die 500 Arten angehören, (Ameisen nicht mitgezählt), heute im Aquarium leben? (bos)
Denn früher trieb man die Krokodile auch schon mal mit Besen weg, wenn das Becken gesäubert werden musste. „Heute gehen sie auf das Kommando ’Box’ in die Transportkiste, da gibt’s dann eine Belohnung“, schildert Tierpflegerin Anna Rauhaus. In Sachen Krokodile war das Aquarium schon 1971 Vorreiter. Hier entschied man, nur eine Krokodilart in einem Gehege zu zeigen. Üblich war damals noch, viele Arten gemeinsam zu halten.
Auch bei der weltweiten Vernetzung der Aquarien, Terrarien und Insektarien tut sich viel. „Der Zoo in Bristol hat angefragt, ob wir uns an der Erhaltungszucht für die Deserta Tarantel, der am stärksten bedrohten Spinnenart der Welt, beteiligen wollten. Klar wollten wir!“, sagt Ziegler. Jetzt wuseln 100 winzige Spinnchen in Glasröhrchen. „Die Berliner Wilhelma hat schon Interesse angemeldet“, freut er sich.
Denn das ist der Schwerpunkt seiner Arbeit, und zugleich seine Leidenschaft: Bedrohte Tierarten in Zoos nachzüchten, bevor sie im Freiland aussterben. Und sie in Zusammenarbeit mit Naturschutzinitiativen in den Herkunftsländern auszuwildern, sobald es geht.
„Das ist moderne Zooarbeit, und dabei nehmen wir unsere Besucher mit“, erklärt Ziegler. „Denn viele Tiere sind nicht wegen ihre auffälligen Zeichnung, sondern wegen ihrer Rettungsgeschichte interessant, die wir auf Schautafeln erläutern. Wir sind auf dem besten Weg, ein Artenschutzzentrum zu werden.“ Und das gehe auch in einem 50 Jahre alten Haus. „Mit den vielen Räumen hinter den Kulissen und den vielen Haltungsmöglichkeiten wäre ein solches Haus heute wohl nicht mehr zu bezahlen.“