Köln – Die kölschen Lieder dieser Session teilen ihr Schicksal mit Prinz, Bauer und Jungfrau. Sie existieren, aber es gibt kaum Gelegenheiten ihnen zu begegnen. Karnevalssitzungen fallen aus, Kneipen sind geschlossen, die Orte des gemeinsamen Singens sind verwaist. Orte, an denen sich normalerweise entscheidet, ob ein Lied das Zeug zum Sessionshit hat und auch Jahre später noch gespielt wird. Gemeinsam mit Reinhard Kröhnert, Musikexperte bei WDR 4, haben wir uns die Neuerscheinungen angehört:
Internetrecherche statt Kneipenbesuch
Wer wissen will, welche Lieder im Karneval angesagt sind, muss sich an den Karnevalstagen eigentlich nur ein paar Stunden in eine Kneipe stellen und ordentlich beschallen lassen. Diese Möglichkeit entfällt nun wegen der Corona-Pandemie. Wer kölsche Musik hören möchte, muss bewusst auf die Suche gehen.
„Das ist die besondere Hürde in diesem Jahr. Eigenrecherche ist angesagt. Das wird aber vor allem flächendeckend und generationsübergreifend nicht funktionieren“, befürchtet Reinhard Kröhnert. Normalerweise erscheinen zum Sessionsstart im November mehr als 300 neue Lieder. Dieses Mal waren es spürbar weniger.
Corona dominiert auch die Musik
In diesen Tagen wäre es sicherlich unsensibel, ein Lied „Superjeilezick“ zu nennen, ohnehin haben die meisten Musiker auf die Veröffentlichung temporeicher Gute-Laune-Nummern verzichtet. „Corona bestimmt Anmutung, Rhythmus und Arrangements vieler Stücke“, stellt Kröhnert fest. Kasalla sieht die Welt „Midden em Sturm“, die Paveier singen „Ejal wat noch passeet“, Miljö schwelgt in „Zigg zoröck“ in schönen Erinnerungen.
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„So jung“ komme man nicht mehr zusammen, stellen die Höhner treffend fest, das Lied durften sie auch schon öffentlichkeitswirksam bei der TV-Silvesterfeier am Brandenburger Tor aufführen. „Eine gelungene Mischung aus coronabedingter Bedachtsamkeit und Karneval“, stellt Reinhard Kröhnert fest. Bei manchen Liedern seien die Texte nach Corona sicherlich „obsolet“, vermutet der Musikexperte. Bei den Höhnern sei dies nicht der Fall.
Brings brilliert mit einer Ballade
„Mer singe Alaaf – villeich e betzje stiller“, also nur ein wenig leiser. Mit ihrer einfachen Idee haben die Musiker von Brings musikalisch den Nerv der Zeit getroffen. Wieder mal überzeugen die Rocker mit einer Ballade. „Ich prophezeie mal, dass sich dieses Lied auch über die Krise hinaus halten wird. Textlich einfach und doch genial“, meint Kröhnert. Wenn es einen Hit zu dieser gibt, dann ist es wohl diese Nummer.
Die Band Eldorado legt gekonnt nach
Mit „Thekenmädchen“, zugegebenermaßen einer Covernummer, hatte die noch recht junge Band Eldorado voriges Jahr Erfolg. Nun präsentieren sie mit „Domstadtkind“ eine Hommage an Köln. „Jedes neue Lied mit dieser Thematik muss eine besonders hohe Hürde nehmen, aber hier ist es gelungen“, urteilt Reinhard Kröhnert. Er sieht die Band „auf einem guten Weg“. Ein Lied zum Mitsingen.
Die „Zwei Hillije“ schreiben das lustigste Lied
Sprachlicher Witz – das ist die Welt der „Zwei Hillije“, hinter denen sich Wolfgang und Bernd Löhr verbergen. Mit ihrem „Stehtisch-Fetisch“ hatten sie das schon vor einigen Jahren bewiesen, nun haben sie die lustige Nummer „Weil mir Kölsche su jän singe“ getextet. „Warum Bläck Fööss? Mir han doch Schoh. Warum Eilemann? Mir han doch Zigg“, heißt es. So deklinieren sie diverse kölsche Bands zu eingängigen Sirtakiklängen durch. Wer das Internet nach kölscher Musik durchforstet, sollte sich dieses Vergnügen gönnen.
Cat Ballou überzeugt mit Musik und Video
Wenn schon die Auftrittsmöglichkeiten gering sind, sollte auf jeden Fall die Präsenz im Internet stimmen. Die Musiker von Cat Ballou erinnern in ihrem Video zu „Du bes nit allein“ an Wirte, Bühnenarbeiter und andere von der Pandemie stark betroffene Berufsgruppen. Das Lied bezeichnet Kröhnert als „solide Nummer“. Das Stück ist nun mit neuem Video zum Mottolied der Spendenaktion im Kölner Karneval geworden.
Bläck Fööss gelingt schönes Jubiläumslied
Kaum eine Band hat wohl so unter der Pandemie gelitten wie die Bläck Fööss, deren Jubiläumskonzerte zum 50-jährigen Bestehen nicht zustande gekommen sind. Dafür hat die Gruppe ihr musikalisches Repertoire in der Nummer „50 Johr“ zusammengefasst. „Musikalisch ist das sehr einfallsreich. Ein imposantes Ausrufezeichen“, sagt Reinhard Kröhnert. Die Fööss und andere Bands sind derzeit nur in Autokinos zu sehen.