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Corona-Krise in KölnKarneval auf der Kippe – was Christoph Kuckelkorn dazu sagt

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Altpapier oder Stimmungsstoff? Die Karnevalisten müssen plötzlich für ihren Spaß streiten.

Köln – Für seine Moderations-Premiere zum Sessionsbeginn auf dem Heumarkt hatte sich Guido Cantz einen besonderen Gag überlegt. Er sei 5G, hatter er grinsend gewitzelt: geschminkt, gefärbt, geimpft, gut gelaunt und glücklich.

Bald kann er ganz im Ernst erzählen, geimpft und genesen zu sein, denn wenige Tage nach dem Sessionsauftakt vermeldete sein Corona-Test ein positives Ergebnis. Ob er sich wirklich am Elften im Elften angesteckt hat, wird wohl nie geklärt werden können. Doch der Verdacht reicht.

Kräftezehrender Kampf um Karneval

Während der Präsident des Robert-Koch-Instituts von Großveranstaltungen abrät und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst das Kölner Kontrollgebahren an der Zülpicher Straße geißelt, sitzt Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn sehr ernsthaft in seinem Büro. Ungetrübte Freude versprüht er nicht, was vielleicht auch daran liegt, dass er in seinem Bestattungsinstitut von Särgen und vielen Kreuzen umgeben ist. „Dass wir jetzt für den Karneval als solches kämpfen müssen, ist kräftezehrend und teilweise jenseits der Belastungsgrenze“, stellt er im Gespräch mit der Rundschau fest.

Während in der Politik der Begriff der Kontaktbeschränkungen wieder salonfähig geworden ist, läuft in der Stadt die Vorbereitung des Sitzungskarnevals mit rund 500 Veranstaltungen. Den Auftakt macht die Proklamation des Dreigestirns mit mehr als 1300 Gästen im voll besetzten Festsaal des Gürzenich am 7. Januar.

„Angespannten und betrübliche Situation“

Ist das realistisch? Und vor allem: Wie groß ist inmitten der vierten Infektionswelle, die mit ungeahnter Wucht durchs Land schwappt, die Lust auf trockenen Wein und trockene Witze in den Sälen? Kuckelkorn spricht von einer „angespannten und betrüblichen Situation“. Aber er sagt auch: „2G plus ist eine Basis, mit der wir arbeiten können. Was will man noch mehr machen?“

Ans Aufgeben denken die Verantwortlichen nicht, denn es geht für viele Vereine längst nicht mehr um einen generösen Verzicht auf ein bisschen Spaß, sondern ums finanzielle Überleben. Die meisten Korps, aber auch die kleinen Vereine planen ihre Sitzungen streng nach Vorgabe der Corona-Schutzverordnung. Denn nur ein offizielles Verbot des Sitzungskarnevals würde sie vor Regressforderungen diverser Dienstleister schützen, die ihre Rechnungen bereits geschrieben haben.

Organisierter Karneval bleibt bitterer Ernst

Christoph Kuckelkorn versprüht so viel Zuversicht wie möglich. „Wir stehen an einer ähnlichen Stelle wie vor einem Jahr, haben aber mehr Optimismus. Es müsste jetzt mehr möglich sein“, hofft er. Wichtig seien jetzt „nachvollziehbare und logische Vorgaben“ - die Entscheidung für 2G plus hält er für eine solche. Er kann sich sogar Teststationen vor Sitzungssälen vorstellen. Dabei sollte wohl niemand vergessen, dass der organisierte Karneval bitterer Ernst ist. Denn rund um dieses Brauchtumsfest werden Jahr für Jahr rund 600 Millionen Euro bewegt, wie die Kölner Fachhochschule und die Boston Consulting Group errechnet haben.

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Das Ziel, dem das Festkomitee derzeit große Aufmerksamkeit widmet, heißt „Normalität“. Doch schon vor einem Jahr war gemutmaßt worden, die nun bevorstehende Karnevalszeit werde nicht viel mehr als eine „Übergangssession“ werden. Anschließend folgt das große Karnevalsjubiläum, weil 2023 neben dem Festkomitee auch die Roten Funken, die Große von 1823 und die Tanzgruppe Hellige Knäächte un Mägde 200 Jahre alt werden. „Die Jubiläumssession könnte die erste wieder halbwegs normale werden. Corona wird uns aber noch lange, wenn nicht sogar immer begleiten“, wagt der Festkomitee-Präsident einen Blick in die nahe Zukunft.

Die neue Normalität

Was die Feiernden am 11. November in Köln erlebt haben, zeichnet sich als die neue Normalität ab. Die strengen Zutrittskontrollen, die abgezäunte Altstadt und der Verkauf von Eintrittskarten, die für festgelegte Eingänge gelten, sind als gelungenes Experiment zu den Akten gelegt worden. Kuckelkorn spricht von einem „Modell für die Zukunft“.

Das Kölner Dreigestirn erholt sich derweil noch vom Hier und Jetzt. Am heutigen Montag will sich Prinz Sven Oleff erstmals zu seiner Coronainfektion äußern, die ihm am Tag vor Sessionsbeginn attestiert wurde und insbesondere emotional schwer getroffen hat. „Zwei Jahre lang war dieser Elfte im Elften das, was dem Dreigestirn Kraft gegeben hat. Es sollte der Beginn einer normalen Session sein. Und dann findet dieser Tag ohne das Dreigestirn statt. Eine Katastrophe“, sagt Kuckelkorn mitfühlend.

Wie weit die Normalität plötzlich wieder entfernt scheint, zeigt sich just am Ort der größten Karnevalssitzung. Vor der Lanxess-Arena wird ab dem heutigen Montag ein Impfzentrum hochgezogen. In wenigen Wochen soll in der Halle die Lachende Arena gefeiert werden – mit insgesamt rund 100 000 Besuchern. Allesamt geimpft, genesen und getestet. „Die Kölner, die feiern wollen, die bereiten sich durch Impfungen vor“, meint Kuckelkorn. Ziel sei es, „die Menschen in sicheren Räumen zusammenzuführen“.