Köln – Vor etwas mehr als einem Monat erklärte Niklas Kienitz, CDU-Fraktionsgeschäftsführer, seinen Verzicht auf das Amt des Dezernenten für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales. Der 45-Jährige begründete dies mit „massiven persönlichen Anfeindungen“ im privaten Umfeld. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) erklärte damals, sie bedauere den freiwilligen Rückzug und sei überrascht.
Aber wie überraschend kam die Nachricht? Die Bezirksregierung erklärt nun – anders als noch Ende Juli – es habe einen SMS-Austausch zwischen der Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) und Reker am Mittwoch, 21. Juli, gegeben. Das war drei Tage vor Kienitz’ Rückzug. Die Oberbürgermeisterin sagte vor zwei Wochen im Rundschau-Interview, sie sei nicht vorab informiert gewesen.
Warum wurde Kienitz nicht Dezernent?
Niklas Kienitz ist am 24. Juni auf Vorschlag der CDU vom Rat der Stadt zum Beigeordneten gewählt worden. Seine Wahl war umstritten, weil er in der Stadtwerke-Affäre 2018 ein Geheimpapier zwischen CDU, SPD und Grünen unterzeichnet hatte. Mit der Verabredung sollte unter anderem dem damaligen SPD-Fraktionschef Martin Börschel zu einem Geschäftsführerposten bei den Stadtwerken verholfen werden.
Neues Verfahren
Der Stadtrat wird voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung am 16. September ein neues Verfahren zur Suche eines Dezernenten für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales beschließen.
3 Monate dürfte die Suche nach einer Kandidatin oder einem Kandidaten in Anspruch nehmen. Im Verfahren wird sich einiges ändern: Nach Rundschau-Informationen soll ein anderes Personalberatungsunternehmen zum Zuge kommen als die Bonner Agentur zfm, die neben dem Kienitz-Verfahren auch die Personalsuche für das Verkehrs- und das Klimadezernat durchgeführt hat. In den Auswahlgesprächen soll neben der CDU, die das Vorschlagsrecht hat, nicht nur erneut Volt als Gast vertreten sein – diesmal erwägen offenbar auch die Grünen, einen Vertreter zu entsenden. (EB)
In einem obligatorischen Verfahren hat die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde einen Monat Zeit, um die Eignung des Bewerbers zu prüfen. Niklas Kienitz erklärte am Samstag, 24. Juli, seinen Verzicht, er begründete dies mit „Anfeindungen bis hin zu Bedrohungen“. Einen Beleg dafür brachte er nicht vor, bei der Polizei ging keine Anzeige ein.
Auch deshalb wurde schnell spekuliert, der Fraktionsgeschäftsführer sei einer negativen Bewertung der Aufsicht zuvor gekommen. Tatsächlich wurde in der Folgewoche ein Schreiben der Bezirksregierung bekannt, in dem Kienitz die geforderte Qualifikation abgesprochen wird. Die formale Bewertung, die der Rundschau vorliegt, wurde nie abgeschickt. Kienitz hatte ja den Rückzug angetreten. Weil er vorab informiert war?
Wann gab es einen Kontakt zur OB?
Die Regierungspräsidentin wollte sich gestern nicht persönlich zu der Frage äußern, ob und wann sie die Stadt informiert habe. Über eine Sprecherin ließ sie mitteilen, dass sie am 21. Juli eine SMS-Kurznachricht an OB Henriette Reker geschickt habe. Dies überrascht, weil die Rundschau schon am 26. Juli eine mögliche Vorinformation abgefragt hatte. Damals hatte die Bezirksregierung mitgeteilt, es habe keinen Austausch zwischen der Regierungspräsidentin und der OB gegeben.
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Nun also doch? Walsken habe in der SMS ein „mögliches“ Ergebnis der Bewertung genannt, teilte die Bezirksregierung mit. Aber eben nicht das offizielle Ergebnis, auch wenn Walsken die Expertise des Fachdezernats bereits kannte. Auf Nachfrage erklärte die Sprecherin, es habe sich um einen informellen Kontakt gehandelt, kein formales Schreiben.
Was wusste Henriette Reker?
Für sie sei das Verfahren mit dem Rückzug von Niklas Kienitz beendet gewesen, hat die OB mehrfach erklären lassen. Im Rundschau-Interview sagte sie vor zwei Wochen: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt eine Bewertung von Regierungspräsidentin Gisela Walsken mitgeteilt bekommen. Weder schriftlich noch telefonisch. Und auch von niemand anderem.“
Stadtsprecher Alexander Vogel bestätigte den Austausch per SMS, erklärte aber ebenfalls, es habe sich um „einen nicht unüblichen Austausch zwischen der Bezirksregierung und der Stadt im laufenden Prüfverfahren“ gehandelt. In dem direkten Kontakt zwischen der Regierungspräsidentin und der OB am 21. Juli „wurde ausdrücklich kein finales Ergebnis mitgeteilt“. Dies zeige der Umstand, dass die Stadt noch am Freitag, 23. Juli, weitere Stellungnahmen an die Bezirksregierung versandt habe.
Niklas Kienitz sagte auf die Frage, ob er vor dem 24. Juli über die mögliche Entscheidung der Bezirksregierung informiert worden ist: „Mir liegt bis zum heutigen Tag kein Schreiben der Bezirksregierung vor, aus dem eine finale Einschätzung zu meiner Wahl hervorgeht.“ Er habe weder von der Aufsichtsbehörde noch von der Oberbürgermeisterin Informationen über eine mögliche Bewertung erhalten. „Die Gründe für meine Entscheidung habe ich in meiner persönlichen Erklärung vom 24. Juli dargelegt. Für mich waren die persönlichen Anfeindungen und Drohungen ausschlaggebend.“