Fragen und AntwortenWas man zum Debakel um die Kölner Bühnen wissen muss
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Köln – Im Laufe des Dienstags meldet sich der Steuerzahler-Bund, es geht wohl um zu viel Geld bei der Bühnen-Sanierung, als dass der Verein schweigen könnte. Rik Steinheuer, Chef des NRW-Ablegers, sagt: „Die ganze Angelegenheit ist ein Skandal erster Güte. (...) Es ist eine Zumutung für die Kölner Steuerzahler, dass ihr sauer verdientes Geld in miserable Planung, falsch verlegte Kabel und teure Interimsstätten angelegt wird.“ Erst Anfang 2024 sollen die vier Häuser am Offenbachplatz fertig sein, die Rundschau beantwortet die Fragen.
Was sind die neuen Zahlen und Termine?
Die Sanierung soll nun zwischen 617,6 und 643,9 Millionen Euro kosten, zu Beginn waren es 253 Millionen Euro – bevor der Bau im Chaos versank, die Stadt die Sanierung 2015 mehr oder weniger stoppte, neu organisierte und Sanierungschef Bernd Streitberger holte. Oper, Schauspiel, Kleines Haus und Kinderoper sollen zwischen Januar und März 2024 beendet sein, elfeinhalb Jahre nach Baustart. Die Finanzierung ist Stand jetzt günstiger geworden und liegt bei 260 statt 287 Millionen Euro, das Interim in Depot und Staatenhaus kostet 113,5 Millionen Euro.
Weil es länger als gedacht gedauert hat, die Haustechnik fast komplett neu zu planen und Firmen zu finden, die die Pläne umsetzen. Bei der Haustechnik handelt es sich um Elektrotechnik, Lüftung, Feuerlöschanlagen, Kälte und Wärmeversorgung. Dem früheren Planer Deerns hatte die Stadt 2015 gekündigt.
Und dieses Mal läuft alles besser?
Ja, sagt Streitberger. Zwischenzeitlich konnte man ja bezweifeln, dass die moderne Technik in die denkmalgeschützte Oper und Schauspiel passt. Streitberger sagt zur Arbeit des Deerns-Nachfolgers Innius: „Wir haben eine exzellente Planung, kann ich heute sagen. Und wir haben eine Planung in der Tiefe und Breite, wie sie dieses Haus noch nie gesehen hat.“ Allerdings dauern die Nacharbeiten an den Haustechnik-Plänen bis Mitte 2021 an. Weichen die Bühnen den Grundsatz auf, erst zu planen und dann zu bauen? Nein, sagt Streitberger, es werde entsprechend getaktet. Auf die Frage, ob die Pläne umsetzbar seien sagt er: „Ich kann das nicht garantieren, aber wir sind in der Planung viel weiter, haben viel mehr Erkenntnisse und haben die Firmen unter Vertrag.“
Sind diese Summen noch gerechtfertigt?
Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagt dazu: „Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass solche Summen immer wieder die Frage aufwerfen, die sich viele schon seit einiger Zeit stellen: Brauchen wir überhaupt eine solche Oper, ein solches Schauspielhaus? Kommen wir nicht mit dem Interim zurecht? Das ist doch nur für eine kleine Elite. Ich sage Ihnen voller Überzeugung: Köln braucht Oper und Schauspiel.“ Und weiter: „Und wenn die Bühnen auch nicht glänzen werden wie die Elbphilharmonie, sie werden strahlen.“
Was passiert jetzt auf der Baustelle?
Nach Jahren der Neuplanung soll es ab März/April losgehen und Mitte des Jahres der Baustellenbetrieb voll laufen.
Wann sollen die Bühnen denn eröffnen?
Das ist weiter offen, aber Reker gab die Vorbereitungszeit bis zu einer möglichen Eröffnung mit sechs Monaten an, damit wäre die Spielzeit 2024/2025 ab September möglich. Sie sagt: „Das heißt nicht, das nach einem halben Jahr alles läuft.“ Reker betont, die Stadt stehe nicht unter Zeitdruck – doch der Puffer zwischen Bauende und möglicher Eröffnung liegt aktuell bei nur sechs bis acht Monaten, nicht viel bei einem solchen Projekt.
Was ist mit den Interimsspielstätten?
Ende 2022 laufen die Verträge aus, laut Reker ist eine Verlängerung möglich. Eine Interimsspielzeit kostet rund zehn Millionen Euro.
Was sagen die Kölner Ratspolitiker?
Die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Mia Helmis, sagt: „Die Sanierung ist und bleibt ein Fass ohne Boden.“ Kölns FDP-Chef Lorenz Deutsch sagt: „Das Projekt muss zuverlässig in die Fertigstellung geführt werden.“
Muss der Rat das Budget für die Sanierung erhöhen?
Ja. Bislang hat der Stadtrat 554,1 Millionen Euro freigegeben, doch die Summe reicht bald nicht mehr. Im Laufe des Jahres soll der Rat erneut abstimmen.
Bleibt Streitberger bis zum Ende der Sanierung?
Vermutlich, obwohl er 71 Jahre alt ist und somit im Rentenalter. „Im Augenblick gibt es kein Anzeichen dafür, dass ich das nicht zu Ende mache.“ Er wolle es aber ein Stück weit offen lassen.
Intendantensuche in Köln
„Hier ist eine schnelle Neubesetzung erforderlich“, sagte Henriette Reker mit Blick auf die Oper Köln. Während die F.A.Z. am Vortag noch fragte: „Warum soll Birgit Meyer gehen müssen?“, hat sich Kölns Oberbürgermeisterin bekanntlich für „frischen Wind“ am Musiktheater entschieden. Der darf nicht erst zur erhofften Eröffnung der sanierten Häuser zur Saison 2024/25 wehen, denn Meyers Vertrag endet im Sommer 2022.
2 Spielzeiten mindestens muss der oder die Nachfolgerin im Staatenhaus absolvieren und gleichzeitig den Start am Offenbachplatz planen. Die von Kölns OB geleitete Findungskommission sollte somit rasch und mit glücklichem Händchen arbeiten. Genug Sachverstand dürfte versammelt sein: Pamela Rosenberg war zuletzt Intendantin der Berliner Philharmoniker, während Peter Theiler an der Dresdner Semperoper und Viktor Schoner an der Stuttgarter Staatsoper renommierte Häuser führen.
Weitere Mitglieder des von der Personalberatungsfirma „ifp“ flankierten Gremiums sind Stefan Englert, der als Geschäftsführender Direktor des Gürzenich-Orchesters die Interessen von Generalmusikdirektor François-Xavier Roth vertritt, sowie Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach. Sie lobt die Einrichtung der Findungskommission als „eine sehr gute Idee“ und sieht die Sanierung letztlich auf Kurs: „Wir machen weitere wichtige Schritte auf dem harten Weg zur Wiedereröffnung.“
Letztere wird Schauspielchef Stefan Bachmann nicht als Intendant erleben, denn seine Amtszeit endet mit der Saison 2022/23 . „Ich würde das Interim gern rund machen“, hatte er einmal erklärt, wollte sich aber jetzt nicht zur möglichen Vertragsverlängerung um ein Jahr äußern. Den längeren Verbleib im Carlswerk sieht er nicht als Problem: „Wir haben uns hier so gut eingeschwungen, dass uns diese zusätzliche Zeit sicher nicht schadet.“
Es gebe viele Mitarbeiter, „die nur das Depot kennen und wohl mit Wehmut ausziehen“. Im Gegensatz zur seit letztem Freitag arbeitenden Opern-Findungskommission gibt es laut Reker beim bereits vor zwei Jahren annoncierten Pendant fürs Sprechtheater „keinen neuen Stand“. Laut Presseamt wird die Besetzung der Runde „zu gegebener Zeit bekanntgegeben“. (Wi.)