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Desaströse BilanzVerwaltungsreform von Kölns OB Henriette Reker wird zum Millionengrab

Lesezeit 5 Minuten
Die KFZ-Zulassung ist Sinnbild für die Verwaltungsreform: Sie öffnet samstags nicht mehr, angeblich mangels Bedarfs.

Die KFZ-Zulassung ist Sinnbild für die Verwaltungsreform: Sie öffnet samstags nicht mehr, angeblich mangels Bedarfs.

Im März 2017 startete die Verwaltungsreform, im März 2022 wurde der Prozess für abgeschlossen erklärt. Nun liegt der Rundschau ein interner Bericht vor, der tief blicken lässt.

Es sollte ein Projekt für die Geschichtsbücher werden. Die Verwaltungsreform. In ihrem Wahlkampf zur Kommunalwahl 2015 kündigte Henriette Reker an, sie werde im Falle ihrer Wahl die Verwaltung schlanker, effektiver und attraktiver machen: „Die Kölnerinnen und Kölner sollen wieder stolz sein können auf ihre Stadtverwaltung“, war das ausgerufene Ziel. Und tatsächlich setzte die OB nach ihrer Wahl den Prozess in Gang. Im März 2017 startete die Verwaltungsreform, im März 2022 wurde der Prozess für abgeschlossen erklärt. Nun hat das Rechnungsprüfungsamt einen nicht-öffentlichen Prüfbericht zur Verwaltungsreform geschrieben, der der Rundschau vorliegt. Und in der Tat: Es ist ein Projekt für die Geschichtsbücher. Allerdings als Beispiel dafür, wie Reformprozesse ins Leere laufen können.

Einsparungen als Ziel

Es war vielleicht nicht das plakativste Ziel von Rekers Verwaltungsreform, aber dennoch nicht gering in der Bedeutung: „Die Verwaltungsreform sollte unter anderem Einsparungen in Höhe von 35 Millionen Euro bewirken“, ist in dem Prüfbericht des Rechnungsprüfungsamtes zu lesen.   Die Einsparsumme wurde auch sogleich im Haushaltsplan 2016/2017 veranschlagt. „Vor diesem Hintergrund wird hinterfragt, wie hoch die tatsächlichen Einsparungen sind, die durch die Verwaltungsreform erzielt wurden“, erklären die Rechnungsprüfer ihre Zielsetzung.

Hohe Hürden für die Prüfer

Kling nach einer leichten Fingerübung für einen Buchhalter. Doch der Job sollte zum Hürdenlauf bei Gegenwind werden. Die erste Hürde: Die Prüfer fanden kaum Informationen über Sach- und Personalleistungen zur Verwaltungsreform in der digitalen Datenverarbeitung der Stadt. Nun gut, selbst ist der Mann: Die Prüfer unternahmen Befragungen „sämtlicher Dienststellen“. Jedoch: „Hierbei ist als Besonderheit festzuhalten, dass die Prüfung durch Intervention der geprüften Verwaltungseinheit für mehrere Wochen verzögert wurde, indem die Empfehlung an alle Dienststellen ausgesprochen wurde, den Fragebogen erst nach Klärung zwischen der geprüften Verwaltungseinheit und dem Rechnungsprüfungsamt auszufüllen“, berichten die Prüfer. Will sagen, die betroffenen Dezernate wehrten sich gegen die Befragung.

Nicht nur das, den Prüfern wurde zu Anfang auch der Zugriff auf „Rohdaten“ verweigert. Mit Hinweis auf den Datenschutz. Aber: „Auf Basis der rechtlichen Grundlagen und der Rechnungsprüfungsordnung der Stadt Köln hat das Rechnungsprüfungsamt sein Recht, personenbezogene Daten zu sehen, zu prüfen und zu verarbeiten, letztlich eingeräumt bekommen.“ Hürde genommen.

Vor dem Sparen kam das Investieren

Die Suche nach den Einsparungen konnte also beginnen. Dabei fanden die Prüfer erst einmal Kosten – und das nicht zu knapp. Bevor der Reformprozess überhaupt auf die Schiene gesetzt wurde, „beauftragte die Kölner Verwaltung eine externe Beratungsfirma mit einer Auftragshöhe von 68 596 Euro“, ist in dem Bericht zu lesen. Und das ist erst der Anfang. Schließlich stimmte der Stadtrat einem weiteren Beratungsauftrag in Höhe von 5 Millionen Euro und einer Laufzeit von fünf Jahren zu. Mit Unterstützung der Beraterfirma erarbeitete die Verwaltung ein Konzept. In diesem Konzept gab es eine Empfehlung: Eine mit „signifikanten Projektmitteln ausgestattete externe Beratung“ könne für eine wirksame Unterstützung des Projektes bei Dezernaten und Ämtern sorgen. Die Beurteilung dieses Vorgangs durch die Prüfer entbehrt nicht eines feinsinnigen Humors: „Hier bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass eine externe Beratungsfirma eine Empfehlung für die Einbindung einer externen Beratung ausgesprochen hat.“

Und selbst als das Projekt offiziell als beendet galt, brauchte es noch Hilfe von außen. Um den Reformprozess über die Projektphase hinaus zu verstetigen, sollte ein Innovationsbüro ins Leben gerufen werden. „Die Verwaltung sah für den Aufbau des Innovationsbüros eine erneute externe Beratung mit einem Budget von 1,2 Millionen Euro netto für zwei Jahre als erforderlich an“, berichten die Prüfer. Warum wurde dafür nicht das Know-how genutzt, dass sich Verwaltungsmitarbeiter in dem fünfjährigen Prozess erworben hatten? Für die Prüfer ist das „nicht erklärlich“.

Unter dem Strich ein dickes Minus

Schon anhand dieser Ausgaben lässt sich erahnen, dass das Einsparziel wohl verfehlt werden musste. Dennoch, im Haushaltsplan 2016/2017 wurden die anvisierten 35 Millionen Euro an Einsparungen bereits berücksichtigt. Ein „Glücksgriff“. Denn nur dank dieser Einsparung konnte ein Haushaltssicherungskonzept verhindert werden, das eingeführt werden muss, wenn eine Stadt absehbar keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen kann. Und nur dank dieses „eingesparten“ Geldes genehmigte die Bezirksregierung auch den Haushalt.

Doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Durch ihre Befragungen konnten die Prüfer lediglich eine Einsparung von 2,7 Millionen Euro durch Auswirkungen der Verwaltungsreform ausmachen. Und die sind verschwindend gering, werden die Ausgaben für die Verwaltungsreform dagegengehalten: 38.084.951 Euro. Handelt es sich wenigstens um sinnvolle Investitionen? „Hierbei ist anzumerken, dass viele Projekte auch ohne Verwaltungsreform durchgeführt worden wären, aber hier sinnvollerweise eine Fokussierung durch die Reform genutzt wurde“, sagen die Prüfer.

Arbeitet die Verwaltung besser?

Geld ist nicht alles. Ziel der Reform sollte ja vor allem eine effektivere Verwaltung sein. Doch ob dieses Ziel erreicht wurde, darüber gehen die Meinungen weit auseinander: Bei einem von der Verwaltung selbst erstellten Evaluationsbericht wurde demnach eine Erfolgsquote von „zweidrittel Effektstärke in den Ämtern“ erreicht. „Nach einer nicht gewichteten Auswertung der Rohdaten haben allerdings nur rund ein Drittel der Befragten spürbare Veränderungen in ihrem Arbeitsalltag bejaht“, berichten die Prüfer. Zur Erinnerung: Rohdaten sind die Daten, auf die den Prüfern anfänglich der Zugriff verweigert wurde.