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Haussegen hängt schiefDomschweizerinnen ohne Vorwarnung vor die Tür gesetzt

Lesezeit 6 Minuten

Gründe, warum der Vertrag nicht verlängert wurde, wurden nicht genannt.

  1. Der Haussegen im Kölner Dom hängt schief: Zwei Domschweizerinnen wurden ohne Vorwarnung vor die Tür gesetzt
  2. Gründe, warum die Verträge nicht verlängern wurden, wurden keine genannt.
  3. Wir haben mit Andrea Petzenhauser über ihre enttäuschenden Erfahrungen gesprochen.

Köln – Es war einfach perfekt. Die Maisonne fiel durch die Domfenster. Der Medienandrang war groß. Und den vier Frauen in ihren roten Talaren stand der Stolz ins Gesicht geschrieben. Dompropst Gerd Bachner konnte zufriedener nicht sein, als er vor rund einem Jahr die ersten Domschweizerinnen in der Geschichte des Doms der Öffentlichkeit vorstellte. „Ich habe lange darauf hingearbeitet. Manchmal muss man reden, reden, reden“, sagte er damals zur Rundschau.

Von der Vorzeige-Domschweizerin aufs Abstellgleis

Und Andrea Petzenhauser wünschte sich, er würde heute auch noch reden, reden, reden. Sie war eine der Domschweizerinnen, die im Mai 2019 im Rampenlicht standen. Eine Vorzeige-Domschweizerin. 35 Jahre jung, seit Kindesbeinen „in den Dom verliebt“, und ihr stramm geflochtener blonder Zopf ließ Assoziationen zum „Bärbelchen“ aufkommen. Doch heute, nach einem Jahr, hat ihre Liebe zum Dom Risse bekommen. Zwar ist ihr nicht gekündigt worden. Ihr Zeitvertrag wurde nicht verlängert. Aber es fühlt sich genauso an, als sei sie eiskalt vor die Tür gesetzt worden. Denn keiner, auch Bachner nicht, will ihr sagen, warum der Vertrag nicht verlängert wurde. Nicht einmal ein Signal gab es im Vorfeld.

„Am Karsamstag bekam ich einen Brief. Ich solle mich mit meinem Schichtführer in Verbindung setzen und unter seiner Aufsicht meinen Spind ausräumen“, sagt Andrea Petzenhauser. Das Unverständnis hält bis heute an. „Ich kann es mir einfach nicht erklären.“

Keine Antwort bei Fragen nach Verlängerung

Zwei Monate vor Ablauf des Zeitvertrags bekam sie ein Standardschreiben. Ihr Vertrag laufe aus, und dieser Brief sei unabhängig vom weiteren Verlauf zugesandt worden. Gerichtet sind solche Schreiben an Vollzeitangestellte. Sie müssen sich dann arbeitssuchend melden. Petzenhauser betraf das nicht. Sie arbeitete nur 24 Stunden im Monat als Domschweizerin, neben ihrem Vollzeitjob. Trotzdem wollte die junge Frau, die in Bayern geboren wurde, sich mit 15 Jahren bei einem Besuch in den Dom verguckte und 2018 nach Köln zog, wissen, wie es mit ihr weitergeht. „Ende Februar habe ich das erste Mal nachgefragt, ob ich mit einer Vertragsverlängerung rechnen kann.“ Keine Antwort. Am 20. März fragt sie laut eigener Aussage wieder nach. Wieder Schweigen. Am Karsamstag dann kam der Brief, der Gewissheit verschaffte.

Gutes Verhältnis zu den Kollegen

Die bohrenden Fragen schmerzen. Ob sie denn des öfteren unpünktlich war oder unentschuldigt gefehlt habe? „Einmal bin ich zu spät zum Dienst gekommen. Die Bahn hatte Verspätung.“ Und das Verhältnis zu den Kollegen? „Ich wurde gleich herzlich aufgenommen. Die waren alle supernett.

„Sie bereichern das Team sehr“

Glücklichere Tage: Bachner und Domschweizerinnen.

Perfekt eingefügt ins Team hätten sich die Domschweizerinnen, sagte ein Sprecher der Dompropstei im Februar. „Sie bereichern das Team sehr“, versicherte er für eine Rundschau-Reportage über eine der Domschweizerinnen. Die wurde von der Dompropstei vermittelt .

Die gläubige Katholikin beschrieb ein warmherziges Arbeitsklima. Nun ist sie eine der Frauen, die ohne Nennung von Gründen nicht bleiben darf. Damals umfasste das Team 30 Domschweizer. Aktuell sind es 29. (ngo)

Umgehend hatte ich eine Einladung zum Domschweizer-Stammtisch und zur WhatsApp-Gruppe.“ Gab es denn Unzufriedenheit mit ihrer Arbeit? „Als es kalt im Dom war, habe ich mal die Hände in die Tasche gesteckt. Nachdem mir gesagt wurde, das solle ich nicht tun, habe ich es gelassen.“ Mehr und mehr bekam sie vertrauensvolle Aufgabe zugewiesen. War ihr Auftreten vielleicht zu burschikos? „Es gab Dombesucher, die sind auf mich zugekommen und haben gesagt: Endlich mal eine, die nicht so ruppig ist.“

Gespräch mit Dompropst Bachner

Auf der Suche nach den Gründen wandte sie sich schließlich an Dompropst Gerd Bachner. „Ich habe ihm eine Mail geschrieben. Eigentlich, um mich einfach zu verabschieden und mich zu bedanken. Dann habe ich aber doch noch erwähnt, dass ich es schon schade finde, wie alles gekommen ist.“ Und tatsächlich, Andrea Petzenhauser bekam Antwort. Bachner lud sie zu einem persönlichen Gespräch ein. Doch es sollte anders verlaufen, als es sich die junge Frau gewünscht hatte. „An der Seite des Dompropstes saß der Dom-Syndicus“, der Anwalt der Dompropstei.

Sie dürfe sich auch einen Beistand zum Gespräch mitbringen, damit nicht eine Zwei-zu-Eins-Situation entstehe, wurde ihr angeboten. Doch Rechtsbeistände brauchte es gar nicht, denn Gründe bekam Andrea Petzenhauser immer noch nicht zu hören. „Mir wurde gesagt, es gebe diese Gründe, aber als Dompropst könne er mit mir darüber nicht sprechen.“

Auch die Kollegin wurde nicht verlängert

Also muss Andrea Petzenhauser weiter mutmaßen. „Vielleicht lag es daran, dass ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung gemacht habe, dass sich die Kirche mehr öffnen muss.“ Obwohl, Petzenhauser ist mit ihrem Schicksal nicht allein. Einer weiteren Kollegin, die mit ihr vor einem Jahr als Domschweizerin anfing, ist es so gegangen wie ihr. Auch ihr Vertrag wurde nicht verlängert.

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Ohne Vorwarnung, ohne Nennung von Gründen, mit bewachter Spindräumung. Mehr noch als Petzenhauser stand sie im Einklang mit der Linie des Kölner Erzbistums. Aber was heißt schon Linie. Bachner selbst wollte die Domschweizerinnen als ein Signal zur Öffnung der Kirche verstanden wissen. Eigentlich wollte sich die Kollegin Petzenhausers auch an die Öffentlichkeit wenden. Wurden doch auch diese beiden Domschweizerinnen immer wieder gerne von der Presseabteilung herangezogen, wenn Medien um Reportagen über die neuen Domschweizerinnen baten. Aber nachdem auch sie ein „persönliches“ Gespräch mit Bachner und dem Syndicus an seiner Seite hatte, zog sie sich doch lieber zurück.

Das sagt die Dompropstei

Die Rundschau fragt an: Was führte zu dem Umgang mit Andrea Petzenhauser und ihrer Kollegin? „Wie viele Menschen und Organisationen sind durch die Corona-Krise bei uns erhebliche Veränderungen in die Abläufe gekommen, die alle Mitarbeiter beeinträchtigt haben. Insofern ist es ausgesprochen unglücklich, gerade für eine kirchliche Organisation, in der Osterwoche unerfreuliche Botschaften zu überbringen. Das bedauert auch der Dompropst sehr – und hat dies den Betroffenen gegenüber persönlich mehrfach zum Ausdruck gebracht. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir ansonsten keine Auskünfte über individuelle Personalangelegenheiten geben. Domschweizerinnen werden aber auch künftig zum Bild des Kölner Doms gehören“, antwortet der Domsyndicus Carsten Laschet.

Corona? Abläufe? Sowohl Petzenhauser als auch ihre Kollegin hatten angeboten, bei Bedarf ihre Wochenstunden aufzustocken oder zu verringern. Außerdem war aus der Dompropstei bereits zu erfahren, dass wieder neue Domschweizerinnen und Domschweizer eingestellt wurden. Der Bestand bleibt unverändert.

Herbe Enttäuschung über Umgang mit Menschen

„Es ist für mich eine herbe Enttäuschung, dass die Kirche so mit Menschen umgeht“, sagt Andrea Petzenhauser. „Ich habe das als Schülerin an einer Klosterschule ganz anders erfahren. Dort wurden christliche Werte weitergegeben und gelebt.“ Doch die junge Frau lässt den Kopf nicht hängen: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, ich kann guten Gewissens in den Spiegel schauen.“ Ein komisches Gefühl sei es dennoch, wenn sie jetzt am Dom vorbeikomme. Das habe aber nichts mit dem Gewissen, sondern mit dem Herzen zu tun, sagt Petzenhauser, die sich mit 15 Jahren so schrecklich in das Kölner Wahrzeichen verliebte.