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Interview mit Dompropst Bachner„Der Dom ist kein Rummelplatz, er ist ein Gotteshaus“

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Mit dem 75. Geburtstag muss seine Zeit als Dompropst enden, so wollen es die Vorschriften des Domkapitels.

  1. Mit 75 Jahren endet die Gerd Bachners Zeit als Dompropst.
  2. Unter seiner Federführung hat das Domkapitel erstmals in der Geschichte des Doms Domschweizerinnen eingestellt.
  3. Über seine fünf Jahre als „Hausherr“ des Doms sprach mit ihm Ingo Schmitz.

Köln – Am kommenden Donnerstag wird Gerd Bachner 75 Jahre alt. Mit diesem Geburtstag muss seine Zeit als Dompropst enden, so wollen es die Vorschriften des Domkapitels. Über seine fünf Jahre als „Hausherr“ des Doms sprach mit ihm Ingo Schmitz.

Normalerweise wimmelt es im Dom von Menschen: viele Touristen, viele Gläubige, viele Stimmen und Sprachen. Nun ist alles anders. Gottesdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit und strenge Eingangskontrollen. Wie erleben Sie den Dom zurzeit?

Wenn man den Dom liebt, kann man ihn durch die nun herrschende Leere noch viel inniger erfahren. Und so kann man diese ungewöhnliche Situation im Dom ertragen, sie sogar als positiv empfinden. Der Dom hat eine mystische Dimension, und die scheint jetzt durch, die kann man jetzt noch besser spüren.

Dabei könnte gerade Ihnen die Leere ein wenig schwer fallen, haben Sie doch die fünf Jahre, in denen Sie Dompropst waren, intensiv dafür genutzt, den Dom der Welt zugewandter zu machen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die Laser-Musik-Installation „Silent mod“ im Dom zur Gamescom 2016, das Lichtprojekt Dona Nobis Pacem auf der Südfassade, mehrsprachige Durchsagen, die zum Gottesdienst einladen. Und nicht zuletzt: Unter ihrer Federführung hat das Domkapitel erstmals in der Geschichte des Doms Domschweizerinnen eingestellt. Was davon war Ihr Lieblingsprojekt?

Jedes dieser Projekte hatte seinen Charme. Ich hätte nie gedacht, was in fünf Jahren alles möglich ist. Man kann einen Dom auch einfach verwalten. Doch das war nie - bei keiner meiner Aufgaben - mein Ansatz. Die Kirche lebt von Petrus und von Paulus. Der eine will zurück zu den Wurzeln, zu dem, was uns trägt. Der andere geht mit seiner Heidenmission neue Wege. Mir war immer wichtig, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Auch als Dompropst. Die, die in Treue die Kirche tragen, sind ganz wichtig.

Mit diesen Gläubigen will ich – quasi als Multiplikatoren – Menschen erreichen, die, aus welchen Gründen auch immer, in die Emigration gegangen sind. Für sie den Dom zu öffnen, Angebote zu finden, das war mein Ansporn. Wir müssen uns mit der Welt auseinandersetzen in der Kraft und mit der Perspektive des Glaubens. Die Überschrift bei all den genannten Projekten war: Die Menschen mit Gott in Berührung zu bringen.

Das darf aber sicherlich nicht als Freibrief für jede Art von Veranstaltung im und am Dom verstanden werden?

Die Domportale stehen für alle offen, die den Dom und die Glaubensbotschaft ernst nehmen. Der Dom ist kein Rummelplatz. Er ist Weltkulturerbe, vor allem aber ein Gotteshaus.

Und er ist mit seiner Anziehungskraft wie kaum eine zweite Kirche dazu geeignet, den Kontakt zu den Menschen herzustellen. Das hat es Ihnen einfach gemacht.

Ich hatte es eigentlich ganz leicht. Nicht nur die Kölner, sondern auch die Menschen aus der Region, aus Deutschland und aller Herren Länder, schätzen den Dom. Als Dompropst muss man schon ganz viel verkehrt machen, um diesen Sympathievorschuss zu verspielen.

Das Domkapitel hat 2015 beschlossen, für den Dompropst eine Altersgrenze von 75 Jahren einzuführen. Finden Sie es jetzt schade, dass es diesen Beschluss gibt?

Natürlich finde ich das schade, dass ich nun die Altersgrenze erreiche. Da mache ich keinen Hehl draus. Ich bin Dompropst mit Leib und Seele und mit Herz. Da wird mir künftig etwas fehlen. Aber die Altersgrenze ist richtig. Man kriegt es ja oft selbst nicht richtig mit, wann der beste Punkt erreicht ist, um aufzuhören.

Ja, ich bin traurig loslassen zu müssen, denn ich habe noch viele Ideen. Aber ich bin auch dankbar dafür, was ich in den vergangenen Jahren umsetzen durfte – mit dem Domkapitel, den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Domes und den Menschen in dieser Stadt.

Und es gibt noch so vieles zu tun. Das Domumfeld ist trotz jahrelanger Diskussion immer noch nicht annähernd so gestaltet, wie sicherlich auch Sie sich das wünschen würden. Zwar haben Sie erst kürzlich zusammen mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker den Gründungsvertrag für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zum Bau des Kulturkomplexes „Historische Mitte“ unterzeichnet, dennoch könnte das Projekt schneller umgesetzt werden.

Für meinen Geschmack zieht sich dass alles zu lange hin. Ich finde es immer wichtig, den optimalen Zeitpunkt zu finden, an dem man sagt: Und jetzt ziehen wir es durch. Diesen Punkt nicht zu verpassen, das ist eine Gratwanderung.

Ist der bei dem Großprojekt „Historische Mitte“ vielleicht schon verpasst worden? Das Vorhaben steckt noch so tief in den Kinderschuhen, dass seine Realisierung durch die Auswirkungen der Corona-Krise in unerreichbare Ferne rücken könnte.

Keiner kann heute absehen, was das für Auswirkungen haben wird. Bei der Historischen Mitte habe ich nicht so große Angst, weil Frau Reker und ich noch den GbR-Vertrag unterschrieben haben. Aus heutiger Sich, war das auf Messers Schneide. Dadurch kann jetzt der Geschäftsführer der neuen Gesellschaft, Bernd Portz, die Arbeit aufnehmen und Mitarbeiter einstellen. Das war eine ganz entscheidende Weichenstellung.

Eine schon absehbare Auswirkung der Krise ist, die feierlichen Anlässe zu Ihrem Ausscheiden können alle nicht stattfinden.

Ganz ehrlich: Das tut mir sehr leid. Aber das Wichtigste ist jetzt, dass wir alles tun, damit möglichst wenige Menschen erkranken und sterben. Das ist wichtiger als mein Abschied. Dennoch stimmt es mich traurig, dass ich mich nicht persönlich bei all den Menschen bedanken kann, mit denen ich in den vergangenen Jahren so gut zusammengearbeitet habe. Die wären ja alle eingeladen worden zu meinem Abschied.

Nachfolge

Domdechant Robert Kleine wird übergangsweise übernehmen, wenn Gerd Bachners Amtszeit als Dompropst am kommenden Donnerstag mit seinem 75. Geburtstag endet. Bachner schaut dann auf eine lange Laufbahn in der katholischen Kirche mit vielen verantwortungsvollen Positionen zurück. 1972 wurde er im Dom zum Priester geweiht,war unter anderem Kaplan in Vingst und Jugendseelsorger im Dekanat Deutz, wurde Repetent am Theologenkonvikt Collegium Albertinum in Bonn und Regens am Priesterseminar in Bonn.

Am ersten Dienstag im Mai tagt das Domkapitel und wird entweder erst einmal den weiteren Fahrplan für die Wahl eines neuen Dompropstes beraten oder eventuell sogleich zur Wahl schreiten.

Prälat Hans-Josef Radermacher (65) gilt nach Rundschau-Informationen als aussichtsreicher Kandidat. Kardinal Woelki hat ihn bereits als Regens am Kölner Priesterseminar entpflichtet, offiziell, weil das Seminar wegen einer anstehenden Sanierung des Gebäudes umziehen muss. (ngo)

Und traurig bin ich auch darüber, dass ich nicht den Abschiedsgottesdienst im Dom halten kann. Vielleicht wird sich die Gelegenheit ergeben, dass mit der Einführung des neuen Dompropstes der emeritierte Propst verabschiedet werden kann. Dann feiern wir halt zwei Feste in einem zusammen.

Was Ihnen nichts und niemand nehmen kann, das sind die schönen Erinnerungen, die Sie mit dem Dom verbinden, zum Beispiel als Sie als passionierter Bergsteiger auf die Kreuzblume geklettert sind. Wie war das Gefühl da oben?

Das kann ich mit einem Wort beschreiben, das normalerweise nicht in meinem Sprachgebrauch ist, das mir aber dort oben ganz unweigerlich entfuhr: Wow!

Wie wird es für Sie weitergehen, wenn Sie nicht mehr Dompropst sind? Haben Sie schon Pläne?

Ich möchte hier in Köln bleiben. Der Dom ist mein Herz, und das wird er bleiben. Ohne übergriffig zu werden auf die, die nach mir kommen. Ich werde weiter Vorträge halten, die abendlichen Glaubenswege mit Gruppen im Dom gehen, Gottesdienste feiern. Ich werde weiter als Seelsorger wirken. Und ansonsten: Wissen Sie, im Urlaub schlendert man, rennt nicht mehr von einem Punkt zum anderen.

Man lässt die Menschen und das Leben auf sich zukommen, und entdeckt auf einmal etwas, das man so noch nicht gesehen hat. Diesen Weg will ich gehen. Das schließt ein fertiges Konzept aus. Als ich Dompropst wurde, hatte ich mir nur zwei Ziele gesetzt: Die Türen öffnen für Menschen, die verloren gegangen sind – und diese Zielgruppe direkt ansprechen. Aber 90 Prozent dessen, was in den vergangenen fünf Jahren alles möglich war, habe ich vorher nicht gewusst. Das habe ich erst durch das Leben mit den Menschen im Dom, im Gebet, in der Stadt erfahren.