„Nicht zu rechtfertigen“Kölner Pfarrer Herzberg kritisiert Auflagen für Trauernde
- Pfarrer Markus Herzbergs Großvater starb in der Corona-Krise.
- Über seine persönlichen Erfahrungen mit dem Tod in Zeiten der Corona-Pandemie sprach Ingo Schmitz mit Pfarrer Markus Herzberg.
Köln – Neben ihren beruflichen Erfahrungen mit Trauer in der Corona-Krise haben sie auch ganz persönliche machen müssen.
Ja, mein Großvater war mit seinen 91 Jahren noch recht rüstig. Er lebte in einer Senioreneinrichtung bei Duisburg. Doch mit Beginn der Kontaktsperren verschlechterte sich sein Zustand zunehmend. Er fragte immer: Wieso kommt ihr mich denn nicht mehr besuchen.
Die Lage spitzte sich dramatisch zu.
Wir baten seinen Hausarzt, nach ihm zu sehen. Es wurde Krebs im Endstadium diagnostiziert. Nur 24 Stunden später, lag er im Sterben. Die Heimleitung informierte meine Mutter darüber und genehmigte ihr einen einstündigen Besuch, um sich zu verabschieden.
Aber Sie und Ihre Tante durften nicht zu ihrem sterbenden Großvater?
Ich musste mir den Gesetzestext der Landesregierung besorgen und der Heimleitung verdeutlichen, dass sich bei Sterbenden die Kontaktauflagen lockern. Aber auch das führte nicht zum Erfolg.
Sie legten schließlich das Gewicht ihres Pfarramtes in die Waagschale, um zu ihrem sterbenden Großvater vorzudringen?
Ich habe bei meiner Ordination vor dem Altar kniend versprochen, niemanden im Tod alleinzulassen – und dieses Versprechen wollte ich schon gar nicht im Falle meines Großvaters brechen. Mit Handschuhen, Schutzmaske, OP-Kitteln und Schuhüberziehern durften meine Mutter und ich schließlich zu ihm. Wissen sie, wie schrecklich sich das anfühlt, einen geliebten Menschen, der stirbt, mit Gummihandschuhen zu streicheln. Ich muss nochmals betonen, mein Großvater starb an Krebs. Er war nachweislich nicht am Coronavirus erkrankt.
Doch selbst als ihr Großvater gestorben war, galten noch strengste Auflagen.
Meine Tante mütterlicherseits durfte trotz allen Bittens nicht zu ihm. Darum wollten wir ihn im offenen Sarg aufbahren, um auch ihr die Möglichkeit des persönlichen Abschieds zu geben. Das war nicht erlaubt.
Und die Beerdigung?
Sie fand nur im kleinen Kreis statt. Wissen sie, wie das Familien unter Druck setzt, wenn entschieden werden muss, wer an der Beisetzung teilnehmen darf und wer nicht?
Schrittweise werden die Auflagen nun gelockert. Jedoch nur bedingt in Trauerfällen. Sollten das nicht gerade auch in Sterbefällen und bei Trauerfeiern dringend in Betracht gezogen werden?
Um einen groben Rahmen für die Auflagen zu stecken, hat die Landesregierung immer betont, alles muss in Maßen stattfinden und zu rechtfertigen sein. Ich kann nicht sehen, wie zu rechtfertigen ist, dass sich Angehörige nicht von ihren Sterbenden gebührend verabschieden können. Was ist daran bitte problematisch, wenn sich ein Kreis von vielleicht zehn Personen auf einem Friedhof mit Abstand zueinander am Grab versammelt?