Kirche in KölnDer aufgeschobene Abschied für Angehörige in der Corona-Zeit
- Schwere Zeiten für Trauernde: In Köln konnten bisher nur Angehörige ersten Grades mit ans Grab.
- Zwar sollen bald mehr Menschen am „letzten Gang“ teilnehmen. Doch zur Normalität ist es noch weit.
- Über ihre Erfahrungen mit Trauernden hat Ingo Schmitz mit Seelsorgern gesprochen.
Köln – Sie kann auffangen, wenn der Boden unter den Füßen wegbricht: eine Halt versprechende Hand. Ein guter Seelsorger weiß sie zu reichen, wenn sie ergriffen werden will. Normalerweise. Aber es ist nichts mehr normal. Auch die Seelsorge nicht. Berührungen, so wichtig, um Nähe herzustellen, Wärme zu geben, sind verboten in der Corona-Krise. „Und was einfach unglaublich weh tut, das sind die Auflagen, die nun in Sterbefällen beachtet werden müssen“, sagt Superintendentin Andrea Vogel, die im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region für die Seelsorge zuständig ist. Seelsorger müssen nun oft neue Wege finden, um ihrem „Kerngeschäft“ weiter nachgehen zu können. Einer dieser Wege soll sein, dass die evangelische Kirche anbietet, Trauerfeiern nachzuholen, sobald die Auflagen gelockert werden.
Nur eine kurze Zeit am Grab
Wie facettenreich das Kontaktverbot für die Seelsorge sein kann, dafür kann Pfarrerin Vogel ein Beispiel geben. „Wir betreuen auch Gehörlose“, berichtet sie. „Da bleibt gerade bei Älteren oft nur noch der Kontakt über Fax oder SMS.“ Und selbst, wenn moderne Kommunikationsformen keine Hürde darstellen, dem Blick in die Augen über eine Chat-Kamera fehle doch irgendwie die Wärme. So schmerzhaft das für die Betroffenen sicherlich ist, um wie vieles schmerzhafter ist es wohl, wenn man sich nicht mehr richtig verabschieden kann von einem nahe stehenden Menschen. „Es tut den Angehörigen sehr weh, entweder gar nicht mehr zu einem Sterbenden gehen zu dürfen, oder ihm in Schutzkleidung mit Gesichtsmaske entgegen zu treten“, weiß Vogel aus der Praxis zu berichten. Und viele Familienmitglieder sind auch noch von der Beerdigung ausgeschlossen. „In Köln konnten bisher nur Angehörige ersten Grades mit ans Grab. Anfangs war sogar nur eine kurze Zeit am Grab gestattet.“ Zwar will die Stadt nun zulassen, dass wieder mehr Menschen am „letzten Gang“ teilnehmen können. Aber von Normalität kann noch lange keine Rede sein.
Beerdigung wird so lange wie möglich aufgeschoben
Nicht wenige Trauernde versuchten deshalb, die Beerdigung so lange wie möglich aufzuschieben. „Doch irgendwann wird das schwierig mit der Trauer“, sagt die erfahrene Seelsorgerin. Die durchlaufe mehrere Phasen. „Die längste Verschiebung, die ich vor der Corona-Krise erlebt habe, lag bei fünf Wochen. Was das mit den Menschen macht, wenn Beerdigungen für sechs Wochen oder gar zwei Monate aufgeschoben werden, dass wissen wir noch gar nicht. Damit haben wir keine Erfahrung“, sagt Vogel. „Bisher konnte jeder seine Trauer leben und gestaltet, wie es für ihn richtig schien.“
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Das kann die Kirche zurzeit nicht mehr bieten. Zurzeit. Aber irgendwann einmal werden auch die Auflagen in Sterbefällen wieder gelockert werden müssen. „In der katholischen Tradition gibt es unter anderem das Sechswochenamt. Bei uns wird der Toten allgemein am Ewigkeitssonntag gedacht“, sagt die evangelische Geistliche. Eine Trauerfeier im Kreise der Familie und Freunde kann das wohl nur rudimentär ersetzen.
Feiern sollen nachgeholt werden
„Wir müssen neue Wege suchen, darüber nachdenken, was noch machbar ist.“ Und eine Idee gibt es da auch schon. Trauerfeiern sollen nachgeholt werden können. Auch wenn die Beerdigung im kleineren Kreis Wochen oder gar Monate zurückliegt, sollen Angehörige und Freunde die Chance haben, zusammen Abschied zu nehmen. Doch besteht nicht die Gefahr, dass dann ein regelrechter Trauerstau entsteht? Aufgeschobene Beerdigungen, nachgeholte Trauerfeiern. „Kann passieren“, sagt Vogel. Aber wenn sie in der Corona-Krise eins gelernt habe, dann sei es, Probleme anzugehen, wenn sie anstehen.