Stadtführerin Stephanie Jost im Moment ohne EinkommenDie Leere vor dem Dom
- Normalerweise lockt der Kölner Dom zu jeder Zeit im Jahr Touristen aus der ganzen Welt an.
- Doch durch die Corona-Krise ist das momentan anders.
- Dies bekommt auch die Stadtführerin Stephanie Jost deutlich zu spüren.
Köln – Stephanie Jost steht vorm Dom, in der Hand eine Darstellung vom Bau der Türme aus dem Jahr 1520. Sie sind halbfertig, ein Kran ist zu sehen. „Das blieb dann so bis 1842“, sagt die Stadtführerin. Mehr als 300 Jahre Stillstand. Stephanie Jost (49) ist ganz in ihrem Element, erzählt im Vorbeigehen noch eine Anekdote über den Petrusbrunnen, bei dem seinerzeit die Wasserversorgung fehlte. Aber es ist diesmal ein Vortrag nur fürs Foto. Ohne die vielen Besucher, denen sie sonst die Stadt erklärt. Domplatte und Roncalliplatz sind leer, Touristen kommen schon seit Wochen nicht mehr in die Stadt.
Stephanie Jost ist eine von vielen Solo-Selbstständigen, die von der Corona-Krise hart getroffen werden. Sie arbeitet für verschiedene Anbieter, unter anderem für Köln Tourismus oder einen Veranstalter von Kreuzfahrten. Ein Einkommen hat sie im Moment nicht. Dabei wäre das Geschäft rund um Ostern eigentlich gerade wieder angelaufen. Die schwachen Wintermonate mit einer geringen Nachfrage waren überstanden, ihre Auftragsliste für April war schon im Februar gut gefüllt: Stephanie Jost war für etwa 30 Stadtführungen gebucht „und da wäre noch etwas dazu gekommen“, sagt sie. Vielleicht hätte sie mehr als 4000 Euro verdient – Geld, das sie dringend braucht, auch um ein kleines finanzielles Polster für den nächsten Winter zu schaffen. „Die Rücklagen sind aufgebraucht“, sagt sie.
Stadtführer erzählen Geschichten in 15 Sprachen
Stephanie Jost ist nicht alleine mit ihren Sorgen. Köln Tourismus arbeitet zum Beispiel mit mehr als 60 Stadtführern zusammen. „Sie alle besitzen eine zertifizierte Ausbildung, bedienen unterschiedliche Themenschwerpunkte und erzählen in insgesamt 15 Sprachen“, teilt Köln Tourismus mit. Stephanie Jost spricht deutsch, englisch und spanisch. Eine ihrer Lieblingstouren ist die klassische Köln-Tour. „Wenn man den Dombau erwähnt, wirft man nicht einfach mit Zahlen um sich, sondern versucht, eine Geschichte zu erzählen“, sagt die Stadtführerin. Der Dom habe viele Handwerker und ihre Familien angezogen, die über Generationen Arbeit gefunden haben.
Stornierungen bis September
Die Touren rund um den Dom und die Altstadt seien die beliebtesten, bestätigt Köln Tourismus. Zum Vergleich: Im April 2019 wurden alleine bei Köln Tourismus 550 Stadtführungen mit 15.700 Teilnehmern zu kölschen Themen gebucht. Im April 2020 gab es bislang gar keine.
Stephanie Jost hat schon Stornierungen ihrer Kunden bis September vorliegen. Sie befürchtet, dass sich die ganze Saison erledigt hat. Seit einigen Jahren bestreitet sie ihren Lebensunterhalt aus ihrem Job als Stadtführerin. Geboren ist sie in Trier, hat in Köln studiert, an der Uni, in der Medienbranche und einer Berufsschule gearbeitet. Jetzt hat sie die Soforthilfe des Bundes für Solo-Selbstständige beantragt, aber da gibt es noch Unklarheiten. Zunächst hieß es, dass das Geld auch für den Lebensunterhalt verwendet werden kann. Mittlerweile ist die Verwendung für die Betriebskosten vorgeschrieben (siehe Interview). Was soll das bei Stephanie Jost sein? Sie hat keinen Laden, keine Maschinen, sondern nur ihre Mappe mit Material für die Stadtführungen. Aber sie hat Ausgaben für die Miete, die Krankenkasse, Lebensmittel.
„Et hätt noch immer jot jejange“
Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln sieht Probleme bei der Unterstützung von Solo-Selbstständigen. Die Verwirrung müsse beendet werden. „Bei Solo-Selbstständigen sollten Soforthilfen auch für den Lebensunterhalt verwendet werden dürfen“, fordert IHK-Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt. Für einen Taxiunternehmer sei der größte Ausgabenposten der eigene Lebensunterhalt. Das gilt wohl ebenso für die Stadtführer.
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Bei ihren Touren erzählt Stephanie Jost Geschichten über den Friedhof Melaten, besondere Kriminalfälle oder Sagen und Legenden. Auch das Kölsche Grundgesetz ist dabei. Es könnte in diesen Zeiten helfen. Unter Paragraf 3 heißt es: „Et hätt noch immer jot jejange.“