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Zum CSD in KölnDie USA – ein Land der begrenzten Möglichkeiten

Lesezeit 4 Minuten
Cheryl  Dowtin mit deutschen und amerikanischen Aktivistinnen.

Cheryl Dowtin (mit Dackel) mit deutschen und amerikanischen Aktivistinnen sowie Ralf Radke vom Freundeskreis Indianapolis (2.v.l.) und Homaira Mansury von der VHS Köln.

Unter dem Motto „Für Menschenrechte. Viele. Gemeinsam. Stark!“ demonstrieren beim Kölner CSD Tausende Menschen. Ihre Kritik richtet sich ausdrücklich auch auf die Situation in den USA.

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. So nennen einige die Vereinigten Staaten. Doch wenn man in die queere Community hineinhört, wird klar: Für Menschen, die zur Gruppe LGBTIQ+ gehören, wird es in den USA zunehmend unangenehm. Erstmals ist in diesem Jahr eine Delegation aus der Kölner Partnerstadt Indianapolis beim CSD dabei.

„Amerika ist auf dem Weg, in Bezug auf LQBTIQ+-Rechte zu einem Dritte-Welt-Land zu werden. Auch People of Colour werden zunehmend unterdrückt“, warnt Cheryl Dowtin. Die US-Amerikanerin lebt und arbeitet seit 1998 in Deutschland. Beim Verein ColognePride, der auch den Christopher-Street-Day (CSD) veranstaltet, ist sie im Vorstand des Vereins und leitet einen Arbeitskreis, der sich mit der Situation in den USA befasst.

Dass sich die politischen Forderungen beim Kölner CSD gegen Unterdrückung und Verfolgung in Osteuropäischen Ländern oder anderswo auf der Welt richten, ist bekannt. Doch in diesem Jahr richten sich die Appelle auch explizit an die Adresse der USA. „Vor allem die Rechte von Trans-Menschen werden dort in einigen Bundesstaaten stark beschnitten“, sagt Dowtin. Medizinische und psychosoziale Unterstützung sei dort eingestellt worden. Gelder wurden ersatzlos gestrichen.

„Drag Queens und Drag Kings leiden zunehmend unter Repressalien. Der offene Hass hat zugenommen“, berichtet Dowtin. Dass sie in Schulen oder Kindergärten lesen dürften, werde vielerorts verboten. Auch sich öffentlich zu zeigen, werde untersagt. Das Argument: Kinder und Jugendliche würden so in ihrer sexuellen Entwicklung negativ beeinflusst. Homophobie gipfle immer wieder in brutalen Überfällen.

Die US-Amerikanerin Cheryl Dowtin lebt seit 1998 in Deutschland.

„Die amerikanischen Waffengesetze machen das Leben für LQBTIQ-Menschen besonders gefährlich“, sagt Dowtin. Vorfälle wie der Anschlag auf eine Drag Show in Orlando (Florida) mit fünf Toten seien nur die Spitze des Eisbergs. „Aus Bibliotheken werden Bücher über Homosexualität entfernt. Auch Buchverbrennungen gab es“, berichtet die Aktivistin. Dabei sind nicht nur Bücher über Schwule, Lesben oder Trans-Menschen betroffen. „Auch Harry Potter darf es in einigen öffentlichen Bibliotheken nicht mehr geben, weil dort Magie thematisiert wird.“

In einigen republikanisch regierten Bundesstaaten sei es für die LQBTIQ+-Community besonders schwierig geworden. „Florida und Texas sind am schlimmsten“, sagt Dowtin. Sie kritisiert erneut, dass der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder im Mai den ultrakonservativen Gouverneur Floridas, Ron De Santis, traf. „Ich habe Angst, dass die amerikanischen Entwicklungen auf Deutschland übergreifen“, erklärt sie. Im vergangenen Jahr gab es eine tödliche Attacke auf den 25-jährigen Transmann Malte beim CSD in Münster. Malte hatte sich schützend vor Menschen gestellt, die der Täter aggressiv beschimpfte.

Die Teilnehmenden einer fünfköpfigen Delegation aus der Kölner „SisterCity“ Indianapolis (Indiana), die zum CSD nach Köln gekommen ist, bestätigen die Sorgen, die sich Dowtin über die Situation in den USA macht. „Queere Rechte sind ganz stark unter Druck. Menschenrechte werden verletzt. Wir müssen kämpfen“, sagt die amerikanische Aktivistin Dana Black. Und das obwohl sie in Indiana in einem Staat lebt, der traditionell demokratisch regiert wird und recht offen ist. Die USA spalteten sich seit der Trump-Zeit immer mehr, erklärt Dowtin. Dennoch betont sie: „Ich bin stolz, Amerikanerin zu sein. Aber Deutschland ist weiter.“

Dass man sich hierzulande auf dem Erreichten nicht ausruhen kann, betonte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Beim Empfang zum CSD-Wochenende im Rathaus am Freitagnachmittag warnte sie vor Rückschritten. „Am vergangenen Wochenende wurde mitten in Köln eine Regenbogenflagge verbrannt", erinnerte Reker, „Auch bei uns im Land bleibt noch viel zu tun."


Das Projekt KO:IN

Die VHS Köln betreibt seit Dezember 2022 mit KO:IN ein Projekt, das die Geschlechtergerechtigkeit in den Partnerstädten Köln und Indianapolis vorantreiben will. Das Leitbild: "Queere Rechte sind Menschenrechte".

Gefördert wird das Projekt, das bis September 2023 läuft, mit Mitteln des Auswärtigen Amts und des Deutschen Volkshochschul-Verbands International.

Partner des Projekts sind der Freundeskreis Indianapolis, der im Rahmen der Städtepartnerschaft entstanden ist und das queere Kölner Jugendzentrum anyway.

Im Juni nahm eine Kölner Delegation am IndianapolisPride in den USA teil. Homaira Mansury von der Volkshochschule Köln begleitet KO:IN und war in den USA dabei. „In den USA geschehen gerade krasse Verletztung der Menschenrechte", sagt sie.