Interview

Annette Imhoff
„Die Hohe Straße ist schon an vielen Stellen vergammelt“

Lesezeit 6 Minuten
Die Stele an der Friedrich-Schmidt-Straße erinnert an die Entführung von Hanns Martin Schleyer im Jahr 1977.

Die Stele an der Friedrich-Schmidt-Straße erinnert an die Entführung von Hanns Martin Schleyer im Jahr 1977. Annette Imhoff erlebte den Deutschen Herbst als Schulmädchen.

Annette Imhoff spricht im Interview über Kölner Staus, warum sie zum Einkaufen lieber nach Düsseldorf fährt und wie oft sie am Schokobrunnen nascht.

Wie läuft's gerade für Köln? Was funktioniert, wo geht etwas schief? Darüber sprechen wir in unserer Serie „Über Köln reden“ mit prominenten Menschen und werfen einen ganz persönlichen Blick auf die Stadt. Mit Annette Imhoff, der Chefin des Schokoladenmuseums, sprach Jens Meifert.

Wir treffen uns an der Stele, die an die Entführung von Hanns Martin Schleyer und den Deutschen Herbst 1977 erinnert. Warum hier?

Der Ort hat ganz viel mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Schleyer wurde in der Vincent-Statz-Straße entführt, meine beste Schulfreundin wohnte nur wenige Meter entfernt. Und ich lebte auf der anderen Seite der Aachener Straße, also auch nicht weit weg. Ich bin 1969 geboren worden, die Entführung war das erste politische Ereignis, das ich erlebt habe, das war ganz nah an mir dran. Wir haben die ganze Nacht die Hubschrauber kreisen hören.

Ihr Vater, Hans Imhoff, war ein bekannter Unternehmer und damit auch ein potenzielles Entführungsopfer. War ihm das klar?

Mein Vater hatte große Angst um sich und um seine Familie, also auch um mich und meine Geschwister. Ich habe das immer als starke persönliche Einschränkung erlebt. Es war eine besondere Zeit. Es gab auch die Entführungen von Richard Oetker (Unternehmer/Anm. d.Red.) und der Kinder von Dieter Kronzucker (TV-Journalist/Anm d. Red). Ich durfte nicht mit dem Fahrrad alleine zu Schule fahren, das fand ich natürlich doof. Meine Mutter hat immer versucht, diese Angst nicht an uns herankommen zu lassen. Ich glaube, das war genau richtig. Man will doch nicht, dass die Kinder sich fürchten.

Sie wohnen heute in Müngersdorf. Der Kölner Westen ist noch immer Ihr Lebensmittelpunkt. Sie wollten nie weg?

Ich könnte mir auch vorstellen, woanders zu leben. Ich war als Kind im Internat, habe in der Schweiz gelebt. Ich finde Beziehungen grundsätzlich wichtiger als Orte. Die gibt es vor allem hier, wo ich lebe, warum sollte ich also etwas ändern?

Wie fahren Sie zum Schokoladenmuseum?

Meistens mit dem Auto.

Wann schimpfen Sie das erste Mal über den Kölner Verkehr?

Wenn ich länger als 40 Minuten brauche (lacht), was regelmäßig passiert. Ich fände eine neue U-Bahn auf der Ost-West-Achse vernünftig. Ich bin keine Expertin, aber ich glaube, es ist eine Riesenchance, weil wir die Plätze in der Innenstadt neu gestalten könnten. Was könnten wir aus dem Neumarkt machen! Ich glaube, die Stadt sollte das Trauma des Archiv-Einsturzes überwinden.

Ärgert es Sie, dass die Entscheidung nicht längst gefallen ist?

Ich denke, dass ein ehrenamtlicher Stadtrat gar nicht in der Lage ist, eine Entscheidung von dieser Tragweite zu treffen. Wer soll denn bitte all diese Unterlagen in seiner Freizeit lesen? Wir sind größer als das Saarland, haben aber keine Minister oder eine Ministerpräsidentin oder einen Landtag. Wir bräuchten dringend eine Reform der Kommunalverfassung. Nicht falsch verstehen: Ich habe großen Respekt vor Kölner Politikern, die die Arbeit machen. Aber die Strukturen sind falsch. Da müssen wir ran.

Worüber haben Sie sich zuletzt geärgert?

Dass der Großmarkt nun endgültig geschlossen werden soll, man aber den Händlern keine Perspektive aufgezeigt hat.

Ihr Schokoladenmuseum liegt direkt am Rhein. Die Besucher werden aus der Altstadt reingespült. Was wünschen Sie sich für die Umgebung?

Das, was sich alle wünschen: Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit. Ganz einfach. Das ist leider nicht immer gegeben. Ich will nicht alle Junggesellinnenabschiede verbieten, aber manchmal ist es schon etwas viel, und Köln hat zu wenig Grenzen gesetzt. Ich fürchte aber vor allem die zunehmende Drogenproblematik. Ich denke, das, was wir in den USA sehen, werden wir auch bei uns erleben. Da ist die Szene am Neumarkt eher ein Vorgeschmack, da kommen wir mit unseren Mitteln der Prävention an unsere Grenzen. Aber ich würde gerne auch über das reden, was gut läuft.

Bitte schön.

Das neue Kongresszentrum der Messe ist großartig. Und es war sehr mutig, sich in der Corona-Zeit dafür zu entscheiden. Das wird große und sehr positive Auswirkungen haben auf die Stadt. Außerdem haben wir die Fußball-EM toll organisiert, und im Schulbau kommen wir auch voran.

Was wünschen Sie sich von Köln?

Ich hätte mir gewünscht, dass die Oper ein Projekt wäre, auf das wir stolz sein können. Dass dort, bei dem Geld, das nun verbaut wird, etwas Leuchtendes, Großes entstehen würde. Es gibt ja auch fantastische Ideen für die Stadt, aber wer würde sich trauen , den Bahnhof auf die andere Rheinseite zu setzen? Ich glaube, Köln sollte vor allem lernen, Prioritäten zu setzen, was kann die Stadt schaffen und was nicht. Im Anschluss muss dies dann auch konsequent umgesetzt werden, da gilt es natürlich klug zu kommunizieren und Widerstände zu überwinden.

Wenn Sie Königin von Köln wären? Was würden Sie herbeizaubern?

Seit wann können Königinnen zaubern? Also gut: Eine sichere, saubere Stadt und die Fertigstellung aller Baustellen.

Der perfekte Ort in Köln?

Der Stadtwald. Wir stehen mittendrin. Für diese Vision verdient Konrad Adenauer noch immer Respekt, der Grüngürtel ist für Köln unbezahlbar. Ebenso wie die Messe übrigens, welche auch 1924 von Adenauer entschieden wurde.

Ist Köln eine Einkaufsstadt?

Oh je, das ist schwierig. Da fahre ich lieber nach Düsseldorf – darf ich das sagen? Die Hohe Straße ist mit den Leerständen und Pop-up-Stores schon an vielen Stellen vergammelt. In der Nähe vom Dom passiert viel, aber insgesamt ist das Niveau deutlich gesunken, die hohen Mieten sind oft nicht mehr gerechtfertigt. Da gefällt es mir in den Veedeln besser. Die Aachener Straße, die Dürener Straße oder die Goltsteinstraße, das sind sehr nette Straßen, in denen es auch ganz viele tolle Einzelhändler gibt. Oder die Wochenmärkte in Weiden oder hier auf der Kitschburger Straße, da kann man schön einkaufen.

Wie oft tunken Sie im Vorbeigehen eine Waffel mit Schokolade im Schoko-Brunnen bei Ihnen im Haus?

Nie! Ich nasche zwar gelegentlich unsere kleinen Täfelchen, aber die flüssige Schokolade mit den Waffeln ist gar nicht so meins. Fürs Foto mache ich das natürlich, und dann esse ich sie auch auf. Was ich gerne probiere, sind unsere Pralinen oder Produktentwicklungen. Da teste ich gerne mit.

Zünden Sie schon mal eine Kerze im Dom an?

Ja, das mache ich. Auch wenn ich Protestantin bin und nur bedingt gläubig. Ich finde es eine schöne Geste, an die zu denken, die Hilfe brauchen und Beistand. Und ich stehe auch gerne vor dem Dom und schaue hoch. Und dann denke ich: Wie klein sind wir Menschen doch. Und was haben wir entwickelt, als es noch kein Internet gab und keine Rechnerkapazitäten. Wie hat man damals diese Statik berechnet? Einfach großartig.

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