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Serie

„Über Köln reden“
Guido Cantz im Köln-Gespräch - „Habe den Eindruck, dass oft über Köln gelächelt wird“

Lesezeit 6 Minuten
Volltanken bitte: Guido Cantz bat zum Interview-Termin zu seiner Lieblingszapfsäule. Spontan kam die Freundeschar dazu.

Volltanken bitte: Guido Cantz bat zum Interview-Termin zu seiner Lieblingszapfsäule. Spontan kam die Freundeschar dazu.

In Porz-Lind wohnt Guido Cantz seit über fünf Jahzehnten – zum Start unserer Serie spricht er aber auch über dreckige Ecken in Köln, Probleme in Porzer Schulen und das „Jeföhl“ am Stadtrand

Wie läuft's gerade für Köln? Was funktioniert, wo geht gerade mal wieder etwas schief? Darüber sprechen wir in unserer Serie „Über Köln reden“ mit prominenten Menschen und werfen einen ganz persönlichen Blick auf die Stadt. Den Auftakt macht Guido Cantz, der Simon Westphal zur Tankstelle seines Vertrauens einlud.

Sie haben sich die Tankstelle von Karl Schenkelberg in Porz-Lind als Treffpunkt ausgesucht. Warum?

Weil die Tankstelle beim Karl ein absoluter Treffpunkt ist. Hier gibt viel Verzäll, und es wird natürlich immer über Fußball gesprochen. Der Karl ist glühender FC-Anhänger. Und ich bin Mitglied beim VfB Stuttgart. Wenn die beiden gegeneinander spielen, da wird dann auch schon mal um 'nen Zehner gewettet.

Eine Tankstelle für die Seele also.

Ja, das passt gut. Hier kann mal über alles quatschen oder in Nostalgie schwelgen. Wenn ich meiner Frau sage: „Ich geh' mal eben tanken.“ Dann weiß sie schon: Das dauert länger.

Gibt es weitere Lieblingsorte hier in Lind?

Ich bin hier groß geworden, aber so spannend ist Lind jetzt nicht. Wir haben einen Friseur, sogar einen Hundefriseur, die Tankstelle, eine Bäckerei – viel mehr gibt' hier nicht.

War früher mehr los?

Früher war mehr Veedel. Es gab Bauernhöfe mit Eier-Automat, eine Metzgerei, einen Tante-Emma-Laden und eine Kneipe, wo sich die Leute getroffen haben. Als ich noch sehr, sehr klein war, hatten wir hier sogar mal einen eigenen Karnevalszug.

Sie wohnen hier nun über fünf Jahrzehnte. Gab es nie den Wunsch wegzuziehen?

Die Lage ist top hier, wir haben eine eigene Autobahn-Auffahrt und der Flughafen ist um die Ecke. Und es ist hier nichts Besonderes für die Leute, wenn ich hier rumrenne. Da ich beruflich sowieso viel rumkomme, bin ich froh, hier immer noch in meinem Nest zu sein.

Vor allem im Medien-TV-Kosmos kommen Sie viel rum. Wie nehmen die Leute von außerhalb dort Köln wahr?

Im Endeffekt wohne ich in einer Stadt, wo medientechnisch sehr viel passiert. Und so wird Köln auch wahrgenommen. Aber ich habe den Eindruck, dass Köln noch eher als Feierhochburg wahrgenommen wird. Und, dass oftmals über Köln gelächelt wird. „Karneval und CSD, das kriegen die hin, aber sonst kriegen die nicht viel auf die Kette“, sagen die Leute. Das ärgert mich. Unrecht haben sie natürlich nicht.

Sind Sie stolz, Kölner zu sein?

Stolz kann man natürlich sein. Aber es gibt diese Berufskölner, die sagen: „In Kölle ist alles super.“ Das halte ich für einen totalen Schwachsinn. Man sollte seine Heimatstadt schon ein bisschen kritisch beäugen.

Was sehen Sie da, wenn Sie das tun?

Selbst um den Kölner Dom, das Aushängeschild der Stadt, finde ich es sehr dreckig und unaufgeräumt. Das ist in anderen Städten besser. Das sollte Köln in den Griff kriegen.

In Köln sind die Grenzen zwischen Selbstverliebtheit und Selbstkritik fließend. Auf welcher Seite sind Sie häufiger unterwegs?

Da sehe ich mich eher auf der Selbstkritik-Seite. Dieses Selbstverliebte bringt einen ja nicht weiter.

Über wen oder was können Sie sich in Köln noch so richtig aufregen?

Das Schulthema ist überall in Köln ein Problem, aber speziell in Poll. Mir hat eine Frau geschrieben, dass die Kinder in der Grundschule in Urbach seit vier Jahren wegen eines Schimmelbefalls nicht mehr in die Turnhalle können. Jetzt müssen sie mit Bussen zum Teil nach Porz in die Soccerhalle gefahren werden, und dass die Kinder einfach viel zu wenig Sportunterricht machen. Ganz grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass sich Köln relativ wenig für Porz interessiert.

Inspiriert Sie das Versagen als Künstler?

Natürlich. Es ist ja mein Job, den Finger in die Wunde zu legen. Nicht immer zur Freude von Stadt-Persönlichkeiten. Aber manche Sachen funktionieren eben nur mit Öffentlichkeit.

Im Karneval kommt es vor, dass Frau Reker mal im Publikum sitzt. Dann sprechen Sie sie auch mal direkt an. Auf was für einer Ebene spricht man, wenn man sie danach im Foyer trifft?

Das ist eine sehr freundschaftliche und wertschätzende Weise, wie man miteinander umgeht. Das eine hat auch nichts mit dem anderen zu tun. Als Steuerzahler und Bürger muss man ja mal fragen können: Warum funktioniert hier wieder mal etwas nicht?

Gerade im Karneval überwiegt die Selbstverliebtheit. Können Sie sich da auch reinfühlen?

Mitfeiern mache ich total gerne, klar. Aber auch im Karneval muss man so ein paar Probleme ansprechen, wie das Thema rund um den Elften Elften. Da sehe ich mich auch in der Verantwortung, etwas zur Verbesserung beizutragen.

Haben Sie denn Ideen, wie man den jungen Menschen rund um die Zülpicher Straße das Brauchtum näherbringen kann?

Die jungen Leute feiern so, wie sie feiern wollen. Ich habe auch als 16-Jähriger auf der Straße gefeiert. Wir haben mit einem Kassettenrekorder Bläck-Fööss-Lieder gehört und ein paar Dosen Bier dabeigehabt. Aber wir haben uns ja nicht vom Planeten geschossen. Das liegt natürlich an den Familien, an der Erziehung und auch an den Schulen. Man muss den Jugendlichen eine Alternative bieten. Die Idee mit der Bühne auf den Ringen fand ich gut. Auch Angebote für 13-, 14-Jährige müsste es mehr geben. Da gibt es fast gar nichts.

Ist das berühmte Kölner „Jeföhl“ in Porz-Lind eigentlich noch mal ein anderes als in der Innenstadt oder den linksrheinischen Veedeln?

Ja. Die Leute sagen hier immer noch: „Ich fahre nach Köln“ oder „Ich fahre in die City“. Nächstes Jahr jährt sich die Eingemeindung von Porz zum 50. Mal. Es ist immer noch anders. Wir haben zum Beispiel immer noch eine eigene Vorwahl.

Ein anderes Thema: die Kirche. Sie sind ein gläubiger Mensch, waren früher Messdiener. Wie nehmen Sie die Entwicklung im Kölner Erzbistum wahr?

Ich hoffe, dass wir irgendwann mal ohne einen Woelki-Wagen im Rosenmontagszug auskommen. Aber die Aufarbeitung der Missstände wird noch sehr lange dauern. Ich persönlich gehe aber immer noch gerne in die Kirche. Das ist ein schöner Ort, um zur Ruhe zu kommen und bei sich zu sein.

Sie haben in einem Interview mal gesagt, Sie würden mit dem Kardinal gerne mal einen Kaffee trinken. Was würden Sie ihm sagen?

Ich weiß gar nicht, ob ich da aktuell Lust zu hätte. Ich empfinde es so, dass der einfach sein Ding macht, überhaupt nicht zuhört und sich hinter irgendetwas versteckt. Ich halte ihn für absolut nicht mehr glaubwürdig und würde mich freuen, wenn jemand anderes kommen würden.

So ganz allgemein: Was würden Sie Köln empfehlen?

Bei einer Firma würde ich sagen: einen Unternehmensberater. Also irgendjemand, der mal von außen draufschaut und versucht, an ein paar Stellschrauben zu drehen. Vielleicht gibt's das schon, aber ich kann das noch nicht so ganz erkennen.