Was Yilmaz Dziewior, Chef des Museum Ludwig, Gästen zeigt, was er zur Armut rund um den Kölner Hauptbahnhof sagt und von wo er am liebsten auf die Stadt schaut
„Über Köln reden“Yilmaz Dziewior im Köln-Gespräch - „Freue mich jedes Mal, wenn ich nach Köln zurückkomme“
Wie läuft's gerade für Köln? Was funktioniert, wo geht gerade mal wieder etwas schief? Darüber sprechen wir in unserer Serie „Über Köln reden“ mit prominenten Menschen und werfen einen ganz persönlichen Blick auf die Stadt. Mit Yilmaz Dziewior, dem Direktor des Museum Ludwig, sprach Jens Meifert.
Sie haben sich den Paolozzibrunnen als Lieblingsort ausgesucht. Weil Sie ihn von Ihrem Büro aus sehen können?
Das ist tatsächlich schön, aber das war nicht der Grund. Der Brunnen ist eine Skulptur und nimmt als Grundformen Maschinenteile und Architekturfragmente auf, auch die Dächer des Museum Ludwig sind zu erkennen. Aber er ist auch ein begehbares Objekt. Es sind immer Kinder und Familien da. Es ist ein toller öffentlicher Ort, und man muss gar nicht sagen, dass das Kunst ist.
Ist das für Sie am angenehmsten, wenn die Kunst aus sich selbst spricht?
Ich weiß nicht, ob es die angenehmste Form der Kunstvermittlung ist, aber wir versuchen schon, niederschwellige Angebote zu geben. Der Brunnen vermittelt sich von selbst (Im Lauf des Gesprächs kommt eine Kindergartengruppe herbei/Anm. d. Red.). Paolozzi war übrigens ein Pop-Art-Künstler, ein Schotte, der auch zwei Jahre an den Werkschulen unterrichtet hat. Das wissen die wenigsten, es gibt also eine enge Verbindung von dem Werk und dem Künstler zur Stadt.
Man schaut von hier auf Ihr Museum, aber wir sind auch mitten in der Altstadt. Ale reden über das feierwütige Köln, gerade jetzt zur Europameisterschaft. Ist es Ihnen auch zu viel?
Ich bin zwiegespalten. Einerseits ist es schön, dass Menschen auch aus dem Umland so gerne zu uns kommen. Andererseits ist es eine große Aufgabe, immer wieder dafür zu sorgen, dass ein wertschätzender Umgang mit öffentlichem Raum stattfindet. Dass nicht überall der Müll liegen bleibt. Ich denke aber, dass die Stadt es ganz gut macht und auch dazugelernt hat. Natürlich schaut die Presse immer eher auf die Negativbeispiele, wenn die Dinge mal aus dem Ruder laufen.
Trinken Sie gerne ein Kölsch in der Altstadt?
Ja, gerne. Auch bei uns im Ludwig im Museum Ludwig schmeckt das Kölsch gut, und mit auswärtigen Gästen gehe ich gerne ins „Maibeck“, das aber eher mittags und ins „Piazza“ am Wallrafplatz. Aber wenn es besonders tradtionell kölsch sein soll, gehen wir, gehen wir unseren Gästen auch ins Brauhaus „Früh“ oder in die „XII Aposteln“ am Heumarkt.
Kölsch und Kultur, das funktioniert also gut?
Auf jeden Fall. Gerade für Besucher. Ich habe gerade Roni Horn in Kopenhagen getroffen, dessen Werk wir zurzeit ausstellen, und er schwärmte vom Hering im „Maibeck“. Die Nähe zum Rhein macht natürlich auch Qualität aus. Früher bin ich immer mit dem Fahrrad am Fluss entlang zur Arbeit gefahren.
Heute nicht mehr?
Früher habe ich im Süden gewohnt, heute in Müngersdorf. Nun fahre ich durch den Stadtwald ins Zentrum.
Bei Wind und Wetter?
Bei Wind und Wetter! Ich habe eine Regenhose und auch Gamaschen, weil es wirklich unangenehm ist, wenn die Füße nasse werden. Ich hasse nasse Füße.
Fahren Sie elektrisch?
Ich habe ein E-Bike, aber ich schalte die Unterstützung nur ein, wenn ich müde bin am späteren Abend. Dann muss es manchmal sein, zumal es Richtung Westen ganz leicht bergauf geht (lacht). Ansonsten nutze ich das Rad als Sportgerät zum Workout.
Sie sind oft in Berlin oder anderen Metropolen unterwegs. Was glauben Sie, wie schaut man von außen auf Köln?
Wenn neue Kollegen oder Kolleginnen aus Berlin kommen, sind die immer ganz erstaunt, wie nett die Leute hier sind. Dass sie nicht vom Busfahrer angeschnauzt werden, dass man in der Regel freundlich angesprochen wird. Dass hier einfach offene Menschen leben. Das ist zwar ein Klischee, aber es kommt nicht von ungefähr. Ich denke, das wird sehr wohl wahrgenommen. In Berlin zerfasert zudem vieles. In Köln ist man mit einer Tour durch die Galerien auch mehrere Tage beschäftigt, aber die Kulturstadt wirkt zusammenhängender.
Ihr Lieblingskulturort? Museum Ludwig gilt nicht.
Zusätzlich zu den städtischen Museen Kölns mag ich das Museum Kolumba sehr. Die Architektur von Peter Zumthor ist überragend, und sie machen ein tolles Ausstellungsprogramm. Aber ich gehe auch gerne in den Kölnischen Kunstverein, in die Akademie der Künste der Welt zwei ganz wichtige Institutionen in der Stadt. Oder in die Kunsthochschule für Medien, die gerade am Heumarkt neue Räume bezogen hat.
Sie arbeiten hier an der Schnittstelle zwischen Kulturszene und inzwischen sehr sichtbarer Armut rund um den Hauptbahnhof. Wie erleben Sie das?
Das betrifft nicht nur Köln, in Berlin oder Frankfurt sieht es nicht anders aus, teilweise schlimmer. Wir sind einfach eine Großstadt, wenn man das nicht will, muss man aufs Land ziehen. Aber das Problem muss man natürlich an den Ursachen bekämpfen, es bringt nichts, die armen Menschen von A nach B zu verfrachten. Man muss auch Geld investieren: mehr Streetworker, mehr Anlaufstellen für Obdachlose. Denn ich denke, die meisten Betroffenen sind doch unfreiwillig obdachlos. Mehr Sicherheitsleute lösen das nicht auf.
Sie kommen aus Bonn. Gibt es etwas, das Sie an Köln nervt?
Ich würde mich am ehesten als Rheinländer bezeichnen. Und ich habe einen türkischen Vornamen, einen polnischen Nachnamen.
Jetzt nicht ausweichen, bitte.
Ja, gut. Was nervt? Das hat so was Reißerisches. Ich kann sagen, was ich verbessern würde, und das ist eine größere Wertschätzung für Kultur und ein anderes Bewusstsein. Wenn ich immer höre, dass Kultur Verluste macht, dann denke ich, da hat jemand was nicht verstanden. Denn Kultur ist kein Profitgeschäft, sondern mit dem Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben etwas, wofür wir Steuern zahlen. Kultur hat einen großen Wert und zwar nicht nur ökonomisch betrachtet. Das ist heute nicht immer leicht zu vermitteln, wir wissen alle, wie es um den städtischen Haushalt auch in Köln steht. Aber es würden sich hier viel weniger große Unternehmen ansiedeln, wenn Köln ein kulturelles Brachland wäre.
Wenn Sie ein PR-Berater wären, was würden Sie der Stadt empfehlen?
Die Stadt Köln ist schon ganz gut im Vermarkten mit der Selbstdefinition als bunte und weltoffene Stadt, das funktioniert. Auch ich würde auch die Vielfalt und Offenheit von Köln betonen.
Wenn Sie Besucher empfangen, was zeigen Sie Ihnen als erstes? Museum Ludwig gilt schon wieder nicht.
Ich würde an den Rhein gehen. Auf die Frage nach einem Atelierbesuch wurde ich in Hamburg vom Künstler Andreas Slominski zu einem Spaziergang rund um die Binnenalster eingeladen worden. Das hat mir gut gefallen. Und genauso mache ich es heute in Köln. Ich finde den Rheinboulevard sehr gelungen. Man schaut auf den Dom und den Fluss, alles hat plötzlich sehr viel Ruhe.
Was halten Sie von dem geplanten Anbau für die Hohenzollernbrücke für Radfahrer?
Ich hoffe, dass man eine Lösung findet, die mit dem Stadtbild harmoniert. Dass es aber einer Regelung bedarf ist klar, es ist sehr eng, das merke ich selbst, wenn ich mit dem Rad rüber zur Oper fahre. Aber man muss auch den Heinrich-Böll-Platz und die denkmalgeschützte Umgebung respektieren. Ich bin sehr gespannt, was man da für eine Lösung finden wird.
Mal angenommen, Sie dürften nicht mehr in Kölnleben: In welche Stadt würden Sie gerne umziehen?
Schwierige Frage (lacht). Ich reise wirklich gerne: Nach Venedig, nach Istanbul oder New York, aber ich freue mich jedes Mal, wenn ich wieder nach Köln zurückkomme und den Dom sehe. Das klingt jetzt fast ein bisschen zu kitschig, oder? Aber ich bin einfach gerne hier.