Bis zum Jahr 2026 sollen auch die Gerichte in Oberberg nahezu ohne Papier auskommen. Die Digitalisierung ist bereits weit fortgeschritten.
Justiz in OberbergAuch die Briefpost auf Papier soll bald verschwinden
Für rund 9000 Dokumente allein im letzten Quartal des vergangenen Jahres hat das Amtsgericht in Waldbröl kein Blatt Papier verbraucht, keinen Tropfen Tinte benötigt und auch keine Briefmarke auf ein Kuvert geklebt: Diese Vorgänge sind auf elektronischem Weg be- und verarbeitet worden. „Und die Zahl solcher Vorgänge steigt rasant“, sagt Gerichtsdirektor Andreas Dubberke. Seit dem 12. Oktober 2020 steuert das Gericht ins Digitale: Damals ist die elektronische Akte eingeführt worden, seither werden Zivilverfahren papierlos bestritten.
Bis 2026 soll auch in Oberberg die Justiz nahezu papierlos arbeiten
Bis 2026 sollen alle 226 Gerichte und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen nahezu völlig digital arbeiten. „Das schaffen wir“, ist Dubberke optimistisch. Als erstes der drei Amtsgerichte in Oberberg hat Ende 2018 das in Wipperfürth mit dieser Umrüstung begonnen.
Zwar ist Andreas Dubberke, Gerichtsdirektor in Waldbröl seit April 2022 und zuvor IT-Dezernent am Bonner Landgericht, mit dieser Entwicklung zufrieden. „Doch da geht noch mehr“, betont der 46-Jährige und denkt an alle Menschen, die in Kontakt mit der Justiz und anderen Behörden treten wollen: Auch die müssen nämlich längst keine Briefe mehr schreiben, E-Mails allerdings sind aufgrund ihrer rechtlichen Unsicherheit für solchen Schriftverkehr nicht zugelassen.
Alles zum Thema Amts- und Landgericht Bonn
- Landgericht Ehepaar soll Nachbarin in Siegburg überfallen haben
- Landgericht Bonn Cum-Ex-Kronzeuge sitzt nun selbst auf der Anklagebank
- Prozess Sprachzertifikate für Ausländer gefälscht – Bande aus Hennef vor Gericht
- Prozess in Bonn Sprachzertifikate für Ausländer gefälscht – Bande vor Gericht
- „Jetzt bringe ich Dich um“ Busfahrer schildert im Gerichtssaal brutale Attacke in Troisdorf
- Plädoyer Waldbröler soll wegen Missbrauchs seiner Töchter mehr als neun Jahre in Haft
- Schmerzensgeld Frauen scheitern mit Impfklagen gegen Biontech
Im vergangenen Oktober ist der Service „Mein Justizpostfach“ freigeschaltet worden
Am 13. Oktober vergangenen Jahres aber hat das Bundesjustizministerium den kostenlosen Service „Mein Justizpostfach“ freigeschaltet: Dieser erlaubt seither den sicheren und rechtlich wirksamen Austausch mit Behörden wie eben einem Amtsgericht. „Leider wird dieser Dienst bisher sehr wenig genutzt“, bedauert Dubberke. Wer das „Justizpostfach“ nutzen möchte, muss ein Konto einrichten. Dafür wiederum wird eine Persönliche Identifikationsnummer („Pin“) benötigt: Die erhält jede Bürgerin und jeder Bürger, wenn ein neuer, onlinefähiger Personalausweis mit Chip ausgestellt wird.
„Diesen Umschlag legen leider die meisten beiseite und vergessen ihn dann“, schildert Dubberke und gesteht: „Das war bei mir genauso.“ Mit der Pin vor Augen aber sei das Einrichten in wenigen Minuten erledigt und der Weg in die digitale Kommunikation frei: Über das neue Postfach können nicht nur Klagen bei Gericht eingereicht werden, sondern auch Dokumente, etwa Mietverträge und Bußgeldbescheide, an Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte geschickt werden, Steuerberaterinnen und Steuerberatern sowie Notarinnen und Notaren können damit ebenso Schriftstücke zugestellt werden.
Das Gericht in Waldbröl möchte künftig nicht nur Portokosten sparen
Auf Seiten des Rechtswesens ist das Postfach derweil adressiert an Profi-Nutzer, etwa an Sachverständige sowie Beschäftigte in der Berufsbetreuung und Nachlasspflege. Anders als Anwälte, waren die bisher nicht zur digitalen Kommunikation aufgerufen oder gar verpflichtet. „Dieses System reduziert nicht nur den Arbeitsaufwand auf allen Seiten immens“, betont Dubberke. „Es senkt zudem den Papierverbrauch und spart Kosten – nicht nur für Briefmarken.“
Denn noch immer muss jedes Stück Papier, das in den Amtsgerichten ankommt, von Mitarbeitenden der Wachtmeistereien erfasst und gescannt werden. In einer elektronischen Akte getroffene Entscheidungen oder erstellte Dokumente hingegen müssen häufig ausgedruckt werden, um sie zu versenden. Dubberke erklärt, warum in der Justiz die gewöhnliche E-Mail dagegen tabu ist: „Bei Gericht müssen wir zwingend wissen, mit wem wir es zu tun haben, es gibt keine Anonymität.“ Das sei bei einer Mail aber der Fall, da der Absender oft nicht eindeutig zu bestimmen sei. „Das Justizpostfach dagegen verlangt Eindeutigkeit“, führt der Jurist aus. Als IT-Dezernent hat Andreas Dubberke übrigens von Bonn aus die Einführung der E-Akte für den gesamten Gerichtsbezirk betreut.
Grundbuch-Angelegenheiten bleiben auch für die Gerichte in Oberberg eine besondere Herausforderung
Die Zahl der Sendungen, die über dieses neue Postfach zurzeit in Gummersbach eingingen, beziffert Dubberkes Amtskollegin Claudia Krieger auf deutlich weniger als zehn im Monat. „Aber auch wir würden uns freuen, wenn mehr Menschen es nutzten, weil es für alle Beteiligten große Erleichterungen bedeutet.“ Krieger sieht das Gummersbacher Gericht im Digitalen gut aufgestellt: „Es fehlen noch die Bereiche der Zwangsvollstreckungen und der Versteigerungen sowie die Verwaltung an sich, diese Abteilungen folgen aber im Frühjahr.“ Ähnlich sieht es in der Marktstadt aus, dort möchte Direktor Andreas Dubberke im März mit allem fertig sein.
Zunächst vom Digitalen nicht erfasst werden an allen drei Amtsgerichten im Kreisgebiet indes Strafverfahren, da die Polizei und die Staatsanwaltschaften vorerst weiterhin mit Papier arbeiten. „Da werden heute noch immer sehr viele Akten hin- und hergeschoben“, berichtet Direktorin Krieger. Grundbuch-Angelegenheiten stelle derweil eine besondere Herausforderung dar. „Da gibt es zahlreiche Dokumente, die teils hunderte von Jahren alt sein können“, erklärt Andreas Dubberke.
Stationen der Digitalisierung am „Pilotgericht“ in Wipperfürth
Begonnen hat die Digitalisierung des oberbergischen Gerichtswesens im Dezember 2018 als Pilotprojekt am Amtsgericht in Wipperfürth. „Seit Dezember werden nun auch Zwangsversteigerungen meist komplett mit E-Akten geführt“, berichtet Richter Stephan Krieger. Auch in der Hansestadt hat das Digitale seinen Anfang im Bereich der Zivilsachen. Auch dort wird der elektronische Schriftwechsel über den Service „Mein Justizpostfach“ bisher selten genutzt. Krieger „Zahlen dazu haben wir noch keine.“
Stationen der Digitalisierung am Wipperfürther Amtsgericht waren nach dem Zivilen Familienverfahren (Oktober 2022) sowie im vergangenen Jahr dann Betreuungsverfahren und Zwangsvollstreckungsangelegenheiten (Februar), Bußgeldverfahren (April), Nachlassangelegenheiten (Mai) und zuletzt die Zwangsverwaltung (Dezember).