Köln/Essen – Seit drei Wochen sind die Unikliniken in Nordrhein-Westfahlen in einem Ausnahmezustand mit Ankündigung. Bereits Anfang des Jahres hatten Verdi NRW und Uniklinik-Fachkräfte mit einem 100-Tage-Ultimatum gefordert, einen Tarifvertrag mit konkreten Abhilfen bei der täglich empfundenen Überlastung zu verhandeln. Nachdem es wegen Unstimmigkeiten über Zuständigkeiten lange kein offizielles Gesprächsangebot der Arbeitgeberseite gegeben hatte, sind die Klinik-Kräfte Anfang Mai in den Streik eingetreten. An den meisten Standorten ist er aktuell bis zum 2. Juni verlängert worden.
Massive Streik-Folgen auch in Köln
Die Kliniken in NRW beklagen „dramatische“ Auswirkungen des Streiks. Die Uniklinik Köln hat ihr OP-Programm bereits um mehr als zwei Drittel reduziert, wie ein Sprecher sagte. „Von den 43 OP-Sälen sind nur zwölf bis 14 offen“, ergänzte Verdi-Sprecherin Maja Wieland gegenüber der Rundschau.
Das Uniklinikum Essen berichtet, dass derzeit rund 500 Betten gesperrt seien. Zwei Drittel der Operationssäle stünden still, und in wenigen Tagen dürfte die Marke von 1000 abgesagten oder verschobenen Eingriffen überschritten werden. Der wirtschaftliche Schaden liege bei über zehn Millionen Euro.
An der Uniklinik Düsseldorf sind nur 14 von 28 OP-Sälen in Betrieb. Sieben Stationen sind geschlossen, die Zentrale Notaufnahme ist von der Notfallversorgung abgemeldet. (EB)
Dass den Beschäftigten das alles andere als Freude bereitet, machen die Pflegekräfte bei den zahlreichen Streik-Verstanstaltungen im Land unmissverständlich deutlich. Die Essener Intensivpflegerin Rita Gottschling spricht sogar von „reiner Notwehr“. Sie wirft den Arbeitgebern vor, Verhandlungen zu lange hinausgezögert zu haben. 16 Tage nach Streikbeginn habe es ein erstes Treffen gegeben. „Ohne Streik nimmt man uns nicht wahr. Wir müssen aber endlich gesehen werden. Wir können nicht mehr.“
Beispiele können die Beschäftigten einige nennen. Die 25-jährige Paula Adam berichtet, dass sie sich in der Nachtschicht um bis zu fünf Babys auf der Frühgeborenen-Station kümmere – schwer kranke Kinder, die einen künstlichen Darmausgang haben, in einem Inkubator versorgt werden müssen oder einen Drogenentzug durchmachen. Das seien viel zu viele. Nicht nur die Kinder bräuchten intensive Pflege, auch die Eltern benötigten Zuwendung und Beratung. Dass die Zeit fehle, wirke sich auf alle Beteiligten aus: „Ich streike für die Gesundheit meiner Kolleginnen und Kollegen und dafür, dass ich meinem pflegerischen Anspruch gerecht werden kann“, sagt Adam.
Es gibt konkrete Vorschläge der Belegschaft
Landesweit haben die Klinikkräfte in Teams ausgearbeitet, wie sich ihre Arbeit verbessern lässt. Feste Personalschlüssel für jeden Bereich haben sie ausdiskutiert. Nicht mehr als drei Frühchen je Fachkraft in der Nachtschicht, aber zwei Fachkräfte für einen erwachsenen schwer verletzte Patienten im „Schockraum“ sollten es sein.
Auch nicht-pflegerische Bereiche sind gemeint, wie Physiotherapeutin Carolin Paland unterstreicht: „Nicht nur die Pflege ist überlastet“, sagt die 26-Jährige und sieht sich als Fürsprecherin aller anderen Bereiche im hochkomplexen System Uniklinik. Patienten würden kränker, neue Aufgaben kämen hinzu, auch solche, die nicht zu ihrem Beruf gehörten, sagt die Physiotherapeutin. Zugleich fehle Zeit etwa für die Auszubildenden.
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Die Kliniken sahen sie sich lange nicht in der Position, überhaupt über die geforderten Entlastungen zu verhandeln. Nach Lesart der Landesregierung ist die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zuständig, mit der sich Verdi erst 2021 im Streit um höhere Löhne für alle Landesbeschäftigten vor allem an den Unikliniken gemessen hatte. Weil die TdL es ablehnte, über den Flächentarifvertrag hinaus Entlastungen für Unikliniken zu verhandeln, sollen diese das nun selbst tun und aus der TdL austreten. Mit einer Änderung des Hochschulgesetzes sollen sich der nächste Landtag beschäftigen. Die Landesregierung hofft, dass dies noch vor der Sommerpause gelingt. Parallel laufen die ersten Gespräche zwischen den Klinikvorständen und Verdi.
Ein „Tarifvertrag Entlastung“ ist bundesweit noch immer eine Besonderheit. 2021 wurde er etwa an der Berliner Charité und für Häuser des kommunalen Berliner Klinikträger Vivantes geschlossen. Auch dort stand die Frage im Raum, ob die Uniklinik und Vivantes überhaupt tariffähig sind – anders als in NRW setzte man sich dort unter politischem Druck mitten im Wahlkampf trotzdem zusammen.