AboAbonnieren

„Ranzenpirat“ trotzt CoronaStudie sieht Bedarf an Büros trotz Pandemie

Lesezeit 4 Minuten

Symbolbild

Köln – Oliver Steinki (37) steht an diesem Donnerstagnachmittag im Bürohaus „The Ship“, er hat dort an der Ecke von Ehrenfeld und Bickendorf mit dem Rucksackhersteller „Fond of“ viele Millionen Euro in das neue Gebäude investiert – aber das war vor Corona, vor dem Arbeiten von zu Hause, vor den Lockdowns, vor all der Unsicherheit.

Nun steht Steinki in dem Haus und wird auf das nächste Bürohaus angesprochen, das er gegenüber bauen will und in das auch andere Firmen einziehen. „Vorum“ soll ab 2024 insgesamt 800 Menschen Platz bieten. Aber lohnt sich das noch? Braucht es so viele Büroarbeitsplätze? Steinki sagt: „Natürlich wird einem immer erst mal mulmig, und es ist risikobehaftet, wenn man eine Immobilie baut. Aber ich glaube fest daran, dass Innovationen nur im persönlichen Austausch stattfinden. Ich glaube nicht daran, dass man hundert Prozent im Homeoffice arbeiten wird, und ich glaube auch nicht, dass man von 9 bis 17 Uhr im Büro sitzen muss.“

Neben Steinki präsentiert Manfred Janssen, Chef der städtischen Wirtschaftsförderung, eine Studie, die das untermauern soll. Sie geht von bis zu 25 000 neuen Beschäftigten bis 2030 aus, von immer mehr Bürobedarf – trotz Corona. Die Stadt Köln umgibt sich gerne mit dem hippen Rucksackhersteller, in den Räumen steht eine Tischtennisplatte, alles ist offen gestaltet – an eine städtische Amtsstube mit Aktenordnern, die von A nach B geschafft werden müssen, erinnert nichts.

Behörde ermittelt

Die Ermittlungen des Bundeskartellamtes gegen den Rucksackhersteller „Fond of“ laufen noch. Das teilte ein Sprecher der Rundschau am Donnerstag mit. Wann das Verfahren abgeschlossen wird, steht noch nicht fest.

Die Behörde ermittelt gegen das Unternehmen, weil es in den Anfangsjahren illegale Preisabsprachen mit Händlern getroffen haben soll. „Fond of“ bedeutet so viel wie „in etwas vernarrt sein“. In dem Fall sollen die Kunden im Idealfall in die Rucksäcke der Firma vernarrt sein. (mhe)

Erst 2010 hatte Steinki mit zwei Partnern „Fond of“ gegründet, das „Manager Magazin“ hat das Trio mal „Ranzenpiraten“ getauft, ihre Schulranzen sind ergonomisch entworfen, sollen Kinder entlasten. Und die Idee zieht, im Geschäftsjahr 2018/2019 beispielsweise hat das Unternehmen laut Geschäftsbericht einen Umsatz von 76,82 Millionen Euro gemacht – es hat aber auch Ärger mit dem Kartellamt (siehe Info-Text).

Vor Janssen war auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) schon hier, als 2018 der Grundstein für das Schiff („The Ship)“ gelegt wurde, seine Form soll an ein Segelschiff erinnern. Laut eigener Aussage soll es eines der modernsten Bürohäuser Deutschlands sein, seit vorigem Jahr arbeitet „Fond of“ in dem Gebäude. Im „Vorum“ gegenüber sollen dann 99 Prozent der Aerosole, die Viren beinhalten, aus der Luft gefiltert werden. Corona lässt grüßen.

Das Signal bei der Präsentation: Die Wirtschaft braucht Flächen – und genau dort beginnt das Problem. Köln hat jetzt schon sehr wenige leerstehende Büros, im Wohnungsmarkt ist ebenfalls Druck, zudem mahnen die Grünen im Stadtrat zum Flächensparen, die Stadt wächst auch noch – es ist alles kompliziert. Schon 2019 ging die Stadt davon aus, dass Köln eine Fläche so groß wie 2170 Fußballfelder fehlt, um das Wachstum bis 2040 aufzufangen.

Da wirkte Corona und das Arbeiten von zu Hause zwar wie ein Bremsklotz für Neubau-Projektentwickler, aber zumindest auch wie eine Chance, ein wenig Druck aus dem sehr engen Markt zu nehmen. Doch so einfach ist es nicht, wie Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum, am Donnerstag der Rundschau sagte: „In welche Richtung sich der Büromarkt entwickelt, ist ein Stück weit auch wie in eine Glaskugel schauen. Aber die Skepsis des Vorjahres, dass es wegen der Corona-Pandemie 30 Prozent weniger Büroflächen braucht, habe ich nie geteilt.“

Vornholz begründet das unter anderem damit, dass die meisten Menschen am liebsten Dienstag bis Donnerstag im Büro sind, es also trotz Homeoffice genügend Kapazitäten braucht. „In einer Stadt wie Köln wird die Nachfrage vermutlich stabil bleiben, aber sie wird sich anders gestalten, die Büros müssen corona- und virengerecht gebaut sein.“