Chaos am Flughafen Köln/BonnWoher die Probleme im Luftverkehr kommen
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Köln/Bonn – Schlangen vor dem Check-In, Flieger, die ohne Koffer abheben, Schlangen vor den Sicherheitskontrollen. Es läuft überhaupt nicht rund beim Luftverkehr. So vielfältig wie die Probleme sind auch die Ursachen.
Mit welchen Problemen kämpfen die Flughäfen aktuell?
Am Airport Köln-Bonn kümmert sich der Flughafen um das Be- und Entladen der Flugzeuge mit seinem Bodenverkehrsdienst. Probleme habe es hier zuletzt nicht gegeben, so der Airport. 100 zusätzliche Kräfte seien eingestellt worden. Weitere 100 seien bereits angeworben. Ein Teil davon warte aber noch auf den Abschluss der notwendigen Sicherheitsüberprüfung. Der Flughafen prüft nach eigenen Angaben die Einstellung ausländischer Hilfskräfte. Auch die Wisag, das zweite Unternehmen am Flughafen Köln/Bonn im Bereich Bodenverkehrsdienste, teilte mit, es sei organisatorisch und personell gut aufgestellt.
Für die Sicherheitskontrollen ist die Bundespolizei verantwortlich, die einen Dienstleister beauftragt hat. Der hat laut der Gewerkschaft Verdi rund 120 Mitarbeitende zu wenig.
„Wartezeiten können an technischen Problemen, Flugplanveränderungen, personellen Ausfällen und vielen anderen Faktoren liegen“, teilt das Sicherheitsunternehmen Securitas auf Anfrage mit. Aktuell komme erschwerend hinzu, dass die derzeitigen Passagierzahlen die Jahresbedarfsprognose überschritten und die Krankheitsquoten, vor allem bedingt durch Corona und Überlastung, deutlich erhöht seien. Das betreffe alle Unternehmen.
Securitas und die Bundespolizei weisen auch darauf hin, dass die Fluggäste viel früher als die empfohlenen zweieinhalb Stunden vor Abflug am Airport sind. Das Eintreffen der Passagiere sei nicht mehr prognostizierbar. Das schafft neue Probleme und Unruhe. Dann stehen möglicherweise Passagiere vorne am Check-In sowie an der Bordkarten- und Sicherheitskontrolle, obwohl sie eigentlich noch viel Zeit haben. Für hinter ihnen Wartende mit weniger Puffer kann es dagegen dann eng werden.
War das Chaos wirklich vorhersehbar?
Verdi-Sekretär Özay Tarim weist darauf hin, dass Securitas bei einer Personalstärke von 570 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund 100 zu wenig habe. Auf einen Personalmangel hätten Verdi und der Betriebsrat wiederholt hingewiesen. Dieser Zeitung liegt ein Schriftstück vor, das der damalige Betriebsratsvorsitzende von Securitas kurz vor Weihnachten geschrieben hat. Darin mahnt er einen Personalaufbau an. Geschehe das nicht, so würden die Warteschlangen vor der Sicherheitskontrolle am Flughafen Köln/Bonn von einem Terminal zum anderen stehen. So kam es zu den Sommerferien dann auch. Die Warteschlangen waren oftmals mehrere hundert Meter lang.
Nicht nur der ehemalige Securitas-Betriebsrat hat die Warteschlangen wegen steigender Passagierzahlen vorhergesehen. Mit mehr Fluggästen haben auch Reisebüros, Flughäfen und Airlines gerechnet. Ende Januar erwartete Eurowings-Chef Jens Bischof ein „gutes Reisejahr“. Er berichtete von tausenden Neubuchungen, die einliefen. Auch laut der damaligen Einschätzung des Analysehauses TDA hatten die Buchungen seit Ende 2020 Fahrt aufgenommen. Auf hohe Buchungszahlen hatten sich zu dem Zeitpunkt auch die Billigflieger Ryanair und Easyjet nach eigenen Angaben vorbereitet.
Warum gibt es nicht mehr Personal?
Securitas rekrutiere aktuell aktiv Mitarbeiter und bilde laufend qualifiziertes Personal aus, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. „Wir starten unsere Ausbildungslehrgänge in kurzen zeitlichen Abständen und haben somit ständig mehrere Lehrgänge laufen. Dementsprechend stoßen auch jetzt im Abstand von wenigen Wochen immer neue Mitarbeiter zu uns“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Ausbildung dauere vom Erstgespräch bis zum ersten Einsatz in der Kontrollstelle etwa fünf Monate. Gewerkschafter Tarim kritisiert, dass Securitas vor allem Teilzeitkräfte einstellen wolle. Die sollen etwa 100 bis 120 Stunden pro Monat arbeiten, würden dann aber kurzfristig eingesetzt. Einen weiteren Job könnten sie so nicht annehmen. Und wer mit dem Auto eine längere Strecke zum Dienstantritt um 3 Uhr anreisen müsse, den locke auch ein Stundenlohn von etwas über 19 Euro sowie Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit nicht.
Tarim sieht ein grundsätzliches Problem: Das Sicherheitsunternehmen am Flughafen Köln/Bonn sowie auch die Unternehmen an anderen Airports würden nach der Zahl der kontrollierten Passagiere bezahlt. Werde die Aufgabe mit weniger Personal bewältigt, profitierten die Unternehmen. Das ginge aber massiv zu Lasten der Beschäftigten, die die Missstände ausbaden müssten und mit ihrer Gesundheit dafür bezahlten. Schon über 140 Mitarbeitende am Köln Bonner Airport hätten bereits Überlastungsanzeigen geschrieben.
Wie kann kurzfristig Abhilfe geschaffen werden?
Die Flughafengesellschaft Köln/Bonn hat bereits Personal abgestellt, um Passagiere auf die Sicherheitskontrollen vorzubereiten. Sie weisen etwa darauf hin, welche Mengen an Flüssigkeiten mit an Bord genommen werden dürfen und wie diese verpackt sein müssen. Messer sind nicht erlaubt, ein Feuerzeug darf dagegen im Handgepäck mitgenommen werden. Werden die Regeln eingehalten, erleichtert und beschleunigt das die Kontrollen ebenso wie vorher bereitgelegte Laptops oder Handys. Auch die Bundespolizei unterstützt zeitweise ihren Auftragnehmer. Mitte Mai, Anfang Juli und auch am Freitag stellte die Bundespolizei zeitweise den Einweiser in die Kontrollstrecke oder sorgte für den Rücktransport der Wannen am Ende der Kontrollstrecke.
Was muss langfristig geschehen?
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ruft nach ausländischen Kräften. „Wir brauchen in Deutschland ein Einwanderungserleichterungsgesetz“, sagte BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow. Eine auf drei Monate befristete Möglichkeit, Personal aus Drittstaaten zu rekrutieren, helfe vielen Unternehmen nur bedingt weiter. Deshalb hätten die Bodendienstleiter den Bedarf von den ursprünglich geplanten 2000 Aushilfen reduziert. Angeblich wollen die Unternehmen 1000 zusätzliche Kräfte einstellen – vornehmlich aus der Türkei.
Von Randow forderte zudem eine schnellere Bearbeitung bei der sogenannten behördlichen Zuverlässigkeitsprüfung, der sich alle neuen Beschäftigten unterziehen müssen. Derzeit dauert die acht bis zehn Wochen. Arbeitskräfte, die in der Zwischenzeit einen anderen attraktiven Job finden, springen da auch schon mal ab. Außerdem soll die Digitalisierung bei den Kontrollen helfen.
Verdi-Sekretär Özay Tarim verlangt dagegen, dass die Sicherheitskontrollen wieder staatliche Aufgabe wird. „Luftsicherheit darf nicht gewinnorientiert sein“, so der Gewerkschafter.
Gibt es Alternativen für die Großflughäfen der Region?
Der niederrheinische Flughafen Weeze scheint einer der Profiteure der teils chaotischen Zustände an den Großflughäfen zu sein. Der Sprecher des Kleinflughafens an der deutsch-niederländischen Grenze, Holger Terhorst, bestätigt, dass kurz vor Ferienbeginn erkennbar war, dass verstärkt an den regionalen Flughäfen wie Weeze gebucht wurde. „Wir rechnen auch damit, dass dies längerfristige Effekte haben wird und unter anderem Weeze davon profitieren wird“, so Terhorst und fügt hinzu, dass es bisher am Airport Weeze bei der Abfertigung der Fluggäste keine größeren Probleme gegeben habe.
Der Bettenwechsel in Urlaubsländern führte am Wochenende erneut zu chaotischen Verhältnissen am Kölner Flughafen. Mehrere Stunden mussten Reisende besonders am Freitag in einer sehr langen Warteschlangen vor den Sicherheitskontrollen stehen. Doch damit nicht genug. Ein Flieger nach Fuerteventura blieb rund vier Stunden auf dem Rollfeld stehen, berichtete ein Augenzeuge der Rundschau. Als die Maschine schließlich in der Luft war, habe eine Frau über dem spanischen Luftraum auf der Toilette geraucht. Im Flieger sei Feueralarm ausgelöst worden; zu einer Zwischenlandung kam es nicht.
Am Montag ging es dann vergleichsweise ruhig am Airport zu und die Reisenden blieben gelassen. Felix (23) aus Düsseldorf (Foto) war fünf Stunden vor dem Abflug am Airport. Der 23-Jährige ist beruflich viel im Flieger unterwegs. „Die Gegebenheiten der vergangenen Tage sind auch für mich neu“, sagte der Fluggast. Eine Situation, wie sie in den vergangenen Tagen vorherrschte, haben auch Laura, 29, und Robin, 32, noch nicht erlebt. Das Paar aus Düsseldorf ist mit vier Stunden Zeitpuffer angereist – der Flieger in Richtung Palermo wurde erreicht.
Positiv überrascht über die entspannte Lage am Montag war auch die Kölnerin Kathleen (43). Sie plante, 2,5 Stunden als Wartezeit ein und schaffte es auch auf den Flieger.
Verdi-Sekretär Tarim berichtete, dass am Montagnachmittag dann doch wieder sehr voll am Flughafen wurde und es wieder sehr lange Warteschlangen gegeben hat. Tarim glaubt, dass es in den kommenden Wochen keine durchgreifende Entspannung am Flughafen geben werde. „In der Nachsaison ab Mitte August werden auch wieder viele Menschen in den Urlaub fliegen“, sagt Tarim. Die Nachsaison gehe bis Ende September und sollte es nicht wieder Corona-Einschränkungen geben, werde es massive Probleme bis in den späten Herbst geben und vielleicht auch noch länger. Tarim selbst fliege in Kürze auch in Urlaub: „Ich mache einen Bogen um Düsseldorf und Köln und versuche es von Frankfurt aus, in die Türkei zu fliegen. Dort haben die Schulferien noch nicht begonnen.“ (lil/ta)