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Verhandlungen um StellenabbauJetzt drohen unbefristete Streiks bei Ford in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Elektroautos vom Typ Explorer und Capri stehen auf dem Werksgelände der Ford-Werke in Köln-Niehl. Die Autos verkaufen sich schlechter als erhofft.

Ford-Elektroautos der Modelle Explorer und Capri stehen auf dem Werksgelände bereit für Auslieferung. 

Arbeitnehmervertreter und Management haben in Verhandlungsrunden zum geplanten massiven Stellenabbau keinen Durchbruch erzielt. Nach Warnstreiks will die IG Metall jetzt auch den Weg freimachen für längere Arbeitsniederlegungen.  

Die Auseinandersetzungen rund um den von Ford in Köln geplanten Abbau von 2900 Stellen verschärfen sich. Die Kommission, die einen Sozialtarifvertrag mit dem Management verhandelt, beantragt beim IG Metall-Vorstand eine Urabstimmung über befristete und unbefristete Streiks bei dem Autobauer.

Seit Ende März laufen die Gespräche. „Wir konnten in 10 Verhandlungsterminen zwar einen groben Rahmen für die Restrukturierung abstecken, aber in den wichtigsten Eckpunkten, zu einem tragfähigen Zukunftskonzept, möglichen Betriebsübergängen, Insolvenzschutz und Abfindungskonditionen liegen wir für eine Gesamtlösung noch viel zu weit auseinander“, sagte Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates. Hinzu komme, dass der Arbeitgeber vom Betriebsrat eine Aufgabe des betriebsbedingten Kündigungsschutzes bis 2032, fordert.

Entwicklungszentrum wird ausgedünnt

Dazu sei der Betriebsrat ohne weiteres nicht bereit, so Gruschka: „Im Rahmen der Ford Future-Abbauprogramme hat die Belegschaft dafür einen hohen Preis bezahlt.“ Der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen war im Februar 2023 zusammen mit einem Arbeitsplatzabbau vereinbart worden. 3800 Stellen will Ford in Europa bis Ende dieses Jahres streichen, darunter 2300 in Köln. Der Löwenanteil entfällt mit 1700 Stellen auf das Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich.

Abgeschlossen ist dieser Abbau noch nicht, da hat Ford schon das nächste Sparprogramm aufgelegt.  „Wir werden nun die Geschwindigkeit aus den Verhandlungen herausnehmen und den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen müssen“, sagt Kerstin Klein, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen, die die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag auf Arbeitnehmerseite führt.

Wir vertrauen darauf, dass die Belegschaft bereit ist zu kämpfen. 
IG Metall-Vertrauenskörperleiter David Lüdtke

„In der morgigen Vorstandssitzung der IG Metall wird die Entscheidung darüber fallen, ob wir zu diesem Zwecke die Kölner Ford Belegschaft zu einer Urabstimmung über befristete und unbefristete Streiks, aufrufen dürfen“, so Klein. An diesem Punkt der Auseinandersetzung werde es ohne dieses Druckmittel kein gutes Ergebnis geben, so Klein weiter.

Bislang hat es an sechs Tagen Warnstreiks für jeweils etwa zwei Stunden gegeben. Gebe der IG Metall-Vorstand die Zustimmung, soll die Urabstimmung kurzfristig erfolgen. „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet und vertrauen darauf, dass die Belegschaft bereit ist zu kämpfen“, so IG Metall-Vertrauenskörperleiter David Lüdtke.

IG Metall verlangt hohe Abfindungen

Die IG Metall verlangt etwa für Abfindungen für das Ausscheiden aus dem Unternehmen einen Sockel von 200.000 Euro. Weitere Komponenten können die Summe vervielfachen. Für jedes Beschäftigungsjahr soll Ford etwa ein Drittel des Bruttojahresentgelts zahlen, 10.000 Euro für jedes Kind oder Zahlungen entsprechend dem Grad für Behinderungen. Abfindungen soll es auch für die geben, die wechseln, weil ihre Tätigkeit aus den Ford-Werken ausgelagert wird. Und die, die bleiben, sollen einen Anspruch auf das Gesamtpaket bekommen – und zwar bis 2033.

Angesichts der Kündigung der Patronatserklärung durch die Ford Motor Company im März – eine Bürgschaft, die die deutsche Tochtergesellschaft vor einer Insolvenz schützt - fordern der Betriebsrat und die IG Metall eine Zukunftsstrategie sowie ein insolvenzgeschütztes Sicherheitsnetz für alle 11.500 Beschäftigten. Die Ford-Mitarbeitenden seien tief verunsichert, sagte Kerstin Klein.

Ford will 2900 Stellen kappen

Von den 2900 Mitarbeitenden, die die Stelle nach den Ford-Plänen bis Ende 2027 verlieren sollen, arbeiten 600 im Entwicklungszentrum, 1000 Stellen sollen in der Verwaltung wegfallen in Bereichen wie Marketing, Einkauf, Finanzen, IT oder Personal. Ebenfalls 1000 Mitarbeiten sind in produktionsnahen Dienstleistungen betroffen, die auch ausgelagert werden könnten. Sie erledigen Arbeiten von der Elektrizitätsversorgung bis zur Abwasserentsorgung, darunter Reparatur und Wartung der Fertigungsanlagen, die ausgelagert werden könnten.

Ford leidet unter der Flaute der E-Mobilität und eigenen Fehlern. Der Autobauer will die Marke höher positionieren und setzt auf größere und teurere Autos, die auch noch amerikanischer in der Anmutung daherkommen sollen. Die Kölner E-Autos Explorer und Capri auf Basis einer VW-Plattform verkaufen sich aber nicht so wie erhofft.

Ford verkauft deutlich weniger E-Autos als geplant

Bis Ende Dezember wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt 2426 Explorer in Deutschland neu zugelassen. Und vom Capri kamen 440 Wagen als Eigenzulassungen auf die Straßen. Seit dem Capri-Verkaufsstart im Januar wurden bis Ende März weitere 436 Autos des Modells in Deutschland zugelassen. Außerdem kamen 1574 Explorer neu auf die Straßen. Zahlen für Europa nennt Ford nicht. Die dürften ungefähr fünfmal so hoch sein, da eine Exportquote um die 80 Prozent für die Ford-Werke üblich ist. Gefertigt könnten aber weit mehr Autos - auch noch nachdem die Tagesbaurate im laufenden Jahr von 630 auf 480 Autos gesenkt wurde.

Schon im abgelaufenen Jahr hatte Ford Kurzarbeit eingeführt und bis zu den Weihnachtsferien nur jede zweite Woche gearbeitet. Im laufenden Jahr ruht bis Ende April an insgesamt 40 Tagen die Arbeit. Dabei gab es auch kollektiven Urlaub rund um Ostern. Bei Ford in Köln arbeiten derzeit noch rund 11.500 Mitarbeitende.