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Kredite belasten die StädteAltschuldenlösung für NRW verzögert sich

Lesezeit 4 Minuten
ILLUSTRATION - Euro-Münzen sind gestapelt.

NRW-Städte sind Entschuldung so nah wie nie, aber Berlin spielt (noch) nicht mit.

Während der Schuldenberg der NRW-Städte wächst, kommen Bund und Länder einer Altschuldenlösung nur stockend näher. Finanzminister Lindner wartet auf die CDU, die CDU wartet auf Lindner.

Der Schuldenberg der nordrhein-westfälischen Städte wächst und wächst. 63,4 Milliarden Euro haben sich laut dem Landesstatistikamt (IT.NRW) inzwischen angehäuft. Sorgen bereiten vor allem rund 21 Milliarden Euro Kassenkredite, die die Städte belasten. Dabei ist schon seit Jahren in NRW die Rede von einem Schuldenschnitt. Wann kommt sie endlich, die Altschuldenlösung?

Im Streit um eine Altschuldenlösung für die klammen NRW-Städte greifen die, die darüber entscheiden, gern auf Fußball-Vokabular zurück. „Der Ball liegt jetzt bei…“, heißt es oft. Im Moment liegt er in Berlin zwischen Bundesfinanzminister Christian Lindner und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die trauen sich aber nicht an das Spielgerät heran. Und so droht im Entschuldungsstreit etwas, was sich die Städte so gar nicht leisten können: die Verlängerung.

NRW sieht Bundesregierung am Ball

Vor einem Monat schien es so, als sei das Spiel fast gewonnen: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), seine Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne) und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) waren kurz vor dem Start des „NRW-Festes“ in der Bundeshauptstadt stolz auf einen von ihnen schon seit Langem erwarteten eigenen Vorstoß zur Entschuldung der Städte.

Die NRW-Pläne sehen vor, dass das Land den Städten ab dem Jahr 2025 jährlich 250 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Diese Hilfe soll 30 Jahre lang geleistet werden. Am Ende würde sich die Unterstützung auf 7,5 Milliarden Euro summieren. NRW sieht nun die Bundesregierung „am Ball“. „Sie muss den Weg freimachen für die zugesagte Bundesbeteiligung an einer Altschuldenlösung“, sagte Wüst im Juni.

Berlin solle sich demnach ebenfalls mit 250 Millionen Euro im Jahr beteiligen. Damit käme das Modell auf eine Größe von 15 Milliarden Euro in 30 Jahren. „Das wäre eine historische Entlastung für die Kommunen in NRW“, so Wüst.

Stimmen der Union im Bundestag für Gesetzesänderung nötig

Der Eintrag in die Geschichtsbücher lässt aber auf sich warten. Sechs Wochen später gilt in der Bundeshauptstadt beim Thema kommunale Schulden offenbar weiter die alte Regel „Wer sich zuerst bewegt, verliert“.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der schon im Frühling Eckpunkte für eine Entschuldung der Städte benannt hatte und im Grunde hinter den Altschulden-Plänen steht, sieht jetzt die Union im Bundestag in der Pflicht, bei der Befreiung der NRW-Kommunen von ihren milliardenschweren Verbindlichkeiten mitzuhelfen.

„Alles schaut nun auf die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Denn für die Beteiligung des Bundes an einer Altschuldenlösung ist eine Änderung des Grundgesetzes nötig“, sagte Lindner zuletzt der „Neuen Westfälischen“. Ohne Zwei-Drittel-Mehrheit, also ohne die Stimmen der Union im Bundestag, gehe dies nicht.

Lindner hat den „Ball“ also zur Unionsfraktion gepasst, und was macht die damit? Sie spielt ihn gleich wieder zum Bundesfinanzminister zurück. „Christian Lindner ist nach der Eckpunkteerklärung bisher mit keinem konkreten Vorschlag zu einer Altschuldenregelung für Nordrhein-Westfalen auf die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zugekommen, zu dem wir uns äußern könnten“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Christian Haase (CDU) dieser Redaktion.

Ein Entschuldungs-Vorschlag müsse zudem mit den Bundesländern abgestimmt werden, ergänzt Haase, wohl wissend, dass das nicht so einfach sein dürfte. Denn neben NRW haben praktisch nur Rheinland-Pfalz, das Saarland und Hessen Schwierigkeiten mit Städten, die zu viele Kassenkredite angehäuft haben.

„Reiche“ Länder wie Bayern kennen dieses Problem gar nicht und haben noch nie signalisiert, dass sie eine Entschuldung nordrhein-westfälischer Städte durch den Bund akzeptieren würden. Die Behauptung Lindners, nun seien CDU und CSU an der Reihe, sei daher „eher parteipolitisch motiviert“, behauptet der Bundestagsabgeordnete Haase aus Höxter-Lippe.

Die NRW-Städte befürchten jetzt, dass ihnen die Zeit davonrennt. „Wenn das Land sich finanziell beteiligt, muss für eine faire und nachhaltige Lösung auch der Bund seinen Teil leisten. Die Bereitschaft dazu hat das Finanzministerium in Berlin bereits signalisiert. Da brauchen wir jetzt klare Zusagen", fordern die der kommunalen Spitzenverbände in NRW.

Je länger sich die Akteure in Berlin und in Düsseldorf den Ball zuspielen, umso unwahrscheinlicher wird eine Altschuldenlösung noch vor der Bundestagswahl. Falls das Projekt Altschuldenlösung auf den letzten Metern scheitern sollte, müsste NRW am Ende wohl allein für weitgehend schuldenfreie Städte sorgen. Angesichts der Haushaltsnöte wäre das kaum vorstellbar.

SPD wirft Schwarz-Grün „kommunalfeindliche Politik“ vor

Für den erneuten Anstieg der kommunalen Schulden um 3,6 Prozent in einem Jahr in NRW, macht die SPD-Landtagsfraktion Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Kommunalministerin Ina Scharrenbach (beide CDU) verantwortlich. Die Landesregierung lasse die Städte bei jeder Gelegenheit „im Regen stehen“, schrieb Fraktionsvize Christian Dahm in einer Mitteilung.

„Die einzige Politik, die Wüst und Scharrenbach beherrschen, ist, nach Berlin zu rufen und die Kommunen zu ignorieren“, so Dahm. Im Ergebnis schöben die Städte nicht nur einen riesigen Schuldenberg vor sich her, sie könnten auch nicht in Schulen, Straßen, Kitas, Schwimmbäder und mehr investieren. Heute schon sei NRW „Hochsteuerland“ bei der Grund- und Gewerbesteuer. Die Verschuldung mache weitere Steuererhöhungen wahrscheinlich.