Bonn – Die Frage ist umstritten, die Antwort wird schwerwiegende Folgen für alle Vereine haben – so oder so: Am Montag (27. April) wollen Geschäftsführung und Vereine der Basketball-Bundesliga (BBL) in einer Videokonferenz erneut beraten, ob die Anfang März wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Saison abgebrochen oder mit „Geisterspielen“ ohne Zuschauer fortgesetzt und (im Idealfall) auch beendet wird. Was spricht für eine Wiederaufnahme der Spiele, was für einen Abbruch? Eine Analyse.
Sportliche Aspekte
Für eine Austragung der fehlenden Partien (die Zahl schwankt je nach Club zwischen 11 und 13) spricht der Wunsch, die Spielzeit regulär abzuschließen, eine komplette Abschlusstabelle zu haben, dann (womöglich verkürzte) Play-offs zu spielen, einen Meister zu küren, eine sportliche Entscheidung über die Europapokal-Teilnehmer und den einen Absteiger zu finden.
Aber: Fast alle Vereine haben schon vor Wochen Verträge vor allem mit ihren ausländischen Spielern aufgelöst, manche Teams existieren praktisch nicht mehr. Es ist also teilweise völlig offen, in welcher Besetzung die Mannschaften antreten könnten, dem sportlichen Zufall wären Tür und Tor geöffnet. Selbst wenn es in den Auflösungsverträgen Rückholklauseln gibt, wird dies höchst problematisch: Basketballer, die etwa aus den USA wieder einreisen möchten, müssten in Deutschland zunächst zwei Wochen in Quarantäne, erst dann ist an Training zu denken. Die Spiele könnten also frühestens Mitte Juni starten.
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Da weiterhin die Gesundheit aller Bürger vorrangig ist, müssen die Spieler nachweislich frei von Infektionen sein. Denn ein Spielen mit Mundschutz oder gar ein Kontaktverbot im Kampf um den Ball – all dies ist völlig unrealistisch. Deshalb ist Voraussetzung, dass alle Beteiligten auf Corona getestet werden und dann (sollten die Tests negativ ausfallen) von Kontakten mit anderen Menschen für die Dauer der restlichen Saison abgeschirmt werden. Das müsste dann aber nicht nur für Spieler, Trainer, Betreuer, Physiotherapeuten, Teamärzte etc. gelten, sondern auch für Schiedsrichter, Zeitnehmer und alle anderen am Anschreibetisch.
Wirtschaftliche Aspekte
Eine solche „Kasernierung“ kostet eine Menge Geld. Martin Geissler, der Geschäftsführer des Mitteldeutschen BC, hat schon vorgerechnet, dass 80 000 Euro nötig wären, um eine komplette Mannschaft für einen Monat in einem Hotel abzuschotten. Wolfgang Wiedlich, der Präsident der Telekom Baskets, hat sich schon vor Wochen gegen Geisterspiele positioniert, weil im Basketball – ganz im Unterschied zum Bundesliga-Fußball – nur ein sehr geringer Teil des Etats durch Fernsehgelder gedeckt wird. Viel wichtiger seien die Einnahmen durch Sponsorenverträge und Ticketverkauf. Wiedlich: „Zuschauer-Einnahmen machen bei uns rund 25 Prozent des Budgets aus.“
Daraus folgt: Mit Geisterspielen entstehen neue Kosten, ohne dass dem neue Sponsoren- oder Zuschauer-Einnahmen gegenüberstehen. Deshalb stehen vor allem die wirtschaftlich schwächeren BBL-Clubs einer Fortsetzung der Saison sehr skeptisch gegenüber.
Offene Fragen
Skeptisch auch deshalb, weil es eine lange Reihe von kritischen Problemen gibt. Was ist, wenn sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ein Spieler, Trainer oder sonstiger Beteiligter infiziert? Müssen dann alle Mitspieler und Gegenspieler in Quarantäne? Was ist, wenn sich sogar mehrere Spieler infizieren? Müssen dann die weiteren Partien der Mannschaft erneut ausgesetzt werden? Was hat es für Folgen, wenn ein infizierter Spieler mit einem schweren, womöglich sogar lebensbedrohlichen Verlauf zu kämpfen hat?
Würden sich dann die BBL oder die Vereine sogar dem Vorwurf ausgesetzt sehen, mit der Neuansetzung der Spiele fahrlässige Körperverletzung begangen zu haben? Oder müssen alle Beteiligten unterschreiben, dass sie „auf eigene Gefahr“ an den Spielen teilnehmen? Wie würde es in der Öffentlichkeit aufgenommen, wenn medizinische (Labor)-Kapazitäten durch Profibasketball in Anspruch genommen würden, wenn diese gleichzeitig nicht ausreichen, um alle eigentlich notwendigen Tests in der „Normalbevölkerung“ durchzuführen?
Fazit
Zieht man einen Strich, spricht fast alles für einen Abbruch der Saison. Nur der bewahrt die Vereine vor neuen Kosten und gibt ihnen Planungssicherheit zumindest für die alte Saison. Die dann offenen sportlichen Fragen (Meisterschaft, Auf- und Abstieg, Europapokalplätze) sind erheblich einfacher zu lösen. Die Pro A, die Pro B und die regionalen Verbände haben es vorgemacht, wie man zu pragmatischen Lösungen kommt: im Zweifel auf Abstiege zu verzichten und mehr Mannschaften als geplant aufsteigen zu lassen – und das nach der nächsten Saison durch vermehrten Abstieg wieder auszugleichen.
Bislang wollten weder die Bundes- oder Landesregierung noch die BBL einen Abbruch der Saison verordnen. Das aber nicht, weil nicht ausreichend Gründe dafür sprächen, sondern weil keiner für die letzte Entscheidung in der Verantwortung stehen wollte – er liefe dann Gefahr zum Ziel von Regressansprüchen zu werden. Dieses Taktieren muss ein Ende haben: Gibt es ein klareres Szenario für „höhere Gewalt“ als eine erdball-umspannende Pandemie?
Kräfte bündeln
Es gilt, jetzt durch einen klaren Schnitt die Existenzbedrohung der Clubs nicht noch zu erhöhen. Die wird wegen der Unsicherheit über Dauer und Fortgang der Pandemie eh bleiben: Jetzt müssen alle Kräfte (wirtschaftliche und intellektuelle) darauf konzentriert werden, Konzepte für eine Überbrückung der Zeit bis zum Start der neuen Saison zu entwickeln – wann immer das auch sein mag