Berlin/Köln – Horst Heldt hatte am Sonntag nichts Neues zu vermelden. „Natürlich sitzt der Trainer auch gegen Dortmund auf der Bank“, erklärte der Sportchef des 1. FC Köln am Geißbockheim. Die bittere 1:2 (1:0)-Niederlage beim 1. FC Union Berlin war da keine 24 Stunden alt und hatte ihre Wirkung noch nicht einmal ganz entfaltet. Als schließlich feststand, dass nach Mainz auch Bielefeld durch das 2:1 in Leverkusen den 25. Spieltag der Fußball-Bundesliga mit der vollen Punktzahl abschließen konnte, wurde das Ausmaß der Kölner Pleite noch deutlicher. Der komfortable Vorsprung des FC auf Mainz ist innerhalb von nur fünf Spieltagen von acht auf einen Zähler zusammengeschmolzen. Die Arminia hat im gleichen Zeitraum vier Punkte gut gemacht und ist gleichgezogen. Es wird eng für den 1. FC Köln und sein Ziel, den Klassenerhalt zu erreichen.
„Die Situation ist alles andere als erfreulich, keine Frage. Wir haben unser kleines Polster mehr oder weniger aufgebraucht. Es wird bis zum letzten Spieltag eng bleiben“, trug Heldt vor. Der 51-Jährige rückte aber keinen Zentimeter von seiner Philosophie und auch nicht von seinem Trainer ab, obwohl er die Jobgarantie für Markus Gisdol erst einmal nur für das nächste Spiel abgab: „Es bleibt dabei, alles immer zu überprüfen und zu hinterfragen.“
Die Situation ist nahezu eine Doublette zu jener vor dem Hinrundenspiel gegen Dortmund. Vor dem 2:1-Sensationssieg beim BVB wackelte Gisdols Stuhl so bedenklich, dass die Mannschaft über das Schicksal ihres Trainers entscheiden konnte. Nicht viel anders dürfte es kommenden Samstag sein. Zumal danach die letzte Länderspielpause ansteht und dies nun mal die geeignetste Zeit ist, um nachzujustieren.
Ballbesitzfußball bleibt harmlos
Sollte es soweit kommen, wird Markus Gisdol sicher noch lange an seine Entscheidungen vor dem Union-Spiel zurückdenken. Der FC-Trainer vertraute nicht nur wie beim 1:1 gegen Bremen auf die Viererkette, er setzte gegen die Umschalter-Könige aus Köpenick auch auf Ballbesitz-Fußball und überspitzte diese Idee, in dem er alle seine sechs zentralen Mittelfeldspieler auf Kosten von schnellen Außen und Stürmern aufbot.
„Der Plan war mit drei Zehnern zu spielen, die in die Mitte ziehen, damit die Außen mehr Platz bekommen“, erklärte Horst Heldt. Ein Plan, der nicht funktionierte. Heraus kamen zwar 59 Prozent Ballbesitz und eine Quote von 84 Prozent bei 568 gespielten Pässen. Aber eben auch nur eine klare Torchance, die Salih Özcan vergab (23.). Dabei war den Kölnern weder mangelnder Einsatz noch eine unzureichende Einstellung vorzuwerfen. Die Zweikampfquote von 58 Prozent und eine Laufleistung von 120 Kilometern spricht jedenfalls dagegen.
„Uns hat der Punch im letzten Drittel gefehlt“, bemängelte Gisdol. Nicht unbedingt die neueste Erkenntnis in dieser Saison. Ondrej Dudas verwandelter Elfmeter nach einem Foul von Robin Knoche an FC-Kapitän Jonas Hector (45.+2) zur glücklichen 1:0-Pausenführung blieb der einzige Ertrag. Elvis Rexhbecaj und Özcan konnten als verkappte Außenspieler auf ungewohnten Positionen den Auftrag ihres Trainers nicht erfüllen und Duda ist eben mehr Zehner als Falsche Neun. „Wir schöpfen vieles aus von dem, was bei unserer Personallage möglich ist. Aber wir sind nun einmal nicht mit Stürmern gesegnet, die echten Tordrang haben“, sagte Gisdol.
Weiterhin zu viele individuelle Fehler
Horst Heldt wies dagegen auf die „vermeidbaren Gegentore“ hin, die beide auf die Kappe von Marius Wolf gingen. Der 25-Jährige verursachte zunächst einen Handelfmeter, den Max Kruse zum 1:1 nutzte (48.). Dann verlor er einen schon gewonnenen Zweikampf gegen Julian Reyerson, dessen Flanke Union-Kapitän Christopher Trimmel im Alter von 34 Jahren zu seinem ersten Bundesligator nutzte (67.).
Mal abgesehen davon, dass die Position des Rechtsverteidigers eine der größten Baustellen beim FC bleibt, ziehen sich die individuellen Fehler mit wechselnden Protagonisten wie ein roter Faden durch die Saison. „Jeder Bundesliga-Spieler muss in der Lage sein, solche Tore zu vermeiden. Wir brauchen das Bewusstsein, simpler zu agieren und müssen klarer sein. So wie es Union hinten und vorne war“, forderte Heldt. Tatsächlich könnten sich die Kölner gut an den „Eisernen“ orientieren. Die für des FC in der Bundesliga auch im vierten Spiel unbezwingbaren Köpenicker haben in dieser Saison nur 1,7 Millionen Euro für Neuverpflichtungen ausgegeben und müssen seit Wochen auf ihre Offensivspieler Taiwo Awoniyi und Sheraldo Becker verzichten. Mit 38 Punkten und der Chance auf die Europa League-Qualifikation hat das Team von Trainer Urs Fischer trotzdem aus wenig viel gemacht.
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Der FC dagegen tritt auf der Stelle und sucht auf dem Spielfeld weiter nach einer Identität, die ihn in die Lage versetzt, sicherer und konstanter aufzutreten. „Wir sind noch im Rennen. Wir haben auch das Personal, um die Liga zu halten“, sagte Horst Heldt. Ein klarer Auftrag an Markus Gisdol, die Qualitäten der Spieler deutlicher zum Vorschein zu bringen. Ob dem Trainer dafür länger Zeit bleibt, als die nächste Woche, wird das Spiel gegen den BVB zeigen.