Köln – Im modernen Fußball wird ja gerne über Prozesse gesprochen. Sie müssen angestoßen, fortgeführt und optimiert werden. Und natürlich nehmen gemachte Erfahrungen eine elementare Rolle ein, wenn es darum geht die Dinge in die richtige Richtung zu entwickeln.
Nachdem der 1. FC Köln am Samstag vor der prächtigen Kulisse von 50.000 Zuschauern im sonnenüberflutenden Rheinenergiestadion das 123. rheinische Derby gegen Borussia Mönchengladbach verdient mit 0:1 (0:1) verloren hatte, standen drei Aspekte des Prozesses als mögliche Gründe für die Niederlage in der Diskussion: Nervosität, zu wenig Mut und fehlende Erfahrung.
Frühes Tor gab Gladbach Souveränität
„Wir müssen schauen, dass wir über 90 Minuten die Nervosität in einem Derby ablegen. Wir haben Lehrgeld gezahlt. Wir haben viele Spieler, die neu in dieser Liga sind und das Derby noch nicht gespielt haben“, fasste Dominick Drexler zusammen. Der Außenbahnspieler des FC zählt zwar schon 29 Jahre, Erfahrung mit Derbys gegen Gladbach hat er aber keine vorzuweisen. Wie übrigens sechs weitere Kölner, die Trainer Achim Beierlorzer in seine Startelf beordert hatte.
Ein Septett, das zudem zusammen auf eine Erfahrung von gerade einmal 20 Bundesligaspielen zurückgreifen können. Das mag dann einer der Gründe für die Unterschiede gewesen sein, die für das Duell eines Aufsteigers gegen einen Europa League-Teilnehmer mit einem etwa dreimal zu hohen Etat von vorne herein zu erwarten sind und dann auch zu Tage traten.
„Wir waren immer zu weit weg“
Für die Hausherren kam erschwerend hinzu, dass der überragende Alassane Plea das einzige Tor des Nachmittags schon nach 14 Minuten erzielte: „Das frühe Tor hat Gladbach das Matchglück und die Souveränität gegeben“, erklärte Drexler, der sich hinterher als einziger Kölner Spieler den Fragen in den Mixed Zone stellte.
Das frühe 0:1 zog den nächsten Grund für die auch laut Sportchef Armin Veh „schwache erste Hälfte“ unmittelbar nach sich. Die Kölner ließen sich vor allem im Mittelfeld in den Zweikämpfen den Schneid von den gestandenen Bundesliga-Recken um Weltmeister Christoph Kramer abkaufen. „Wir waren nicht aggressiv genug, waren immer zu weit weg. Gladbach hat die Zweikämpfe gewonnen, ist immer sicherer geworden, und wir haben viel zu leicht die Bälle verloren und oft die falsche Entscheidung getroffen“, monierte Veh.
Viel Kopf und zu wenig Herz
Beierlorzer vertrat keine andere Meinung: „Gladbach hat klar die Zweikämpfe für sich entschieden. Damit wurde es für uns schwierig, wir mussten dem Ball hinterherlaufen und viele Meter gehen.“ Der neue FC-Trainer hätte sich einen mutigeren Auftritt gewünscht. So wie beim 1:3 gegen Dortmund im ersten Heimspiel, als die Kölner ihr Publikum mit einer leidenschaftlichen Leistung zu Begeisterungsstürmen animiert hatten.
Beim immer wieder aufs Neue große Erwartungen weckenden Derby blieb die Stimmung dagegen in den Starlöchern hängen. Im sonst so lauten Stadion war es schon nach 20 Minuten merklich ruhiger geworden. Das lag an den ballsicheren und körperlich präsenteren Gladbachern, die mit Plea, Marcus Thuram und Bree Embolo enorme Wucht auf den Platz brachten. Aber auch an den Kölnern, die ihre Leidenschaft aus dem Dortmund-Spiel diesmal nicht fanden. Die Geißböcke spielten Fußball mit zu viel Kopf und zu wenig Herz. Vor allem die zuletzt so starken Neuzugänge Birger Verstraete, Ellyes Skhiri und Kingsley Ehizibue enttäuschten.
Spieler wollten Derby unbedingt für Fans gewinnen
Es spricht für das Team von Achim Beierlorzer, dass es sich in der zweiten Hälfte in das Spiel zurückkämpfte und den Widrigkeiten der klaren Unterlegenheit trotzte. Nicht umsonst sprach Gästetrainer Marco Rose hinterher davon, dass seine Mannschaft erstens „höher hätte führen können“ und zweitens „den knappen Vorsprung am Ende ins Ziel arbeiten“ musste. „Der Gladbacher Sieg war verdient, aber in der Halbzeit haben wir Tacheles geredet, dass wir mutiger sein müssen. Wir haben gehofft, dass noch ein Ball reinrutscht und uns das 1:1 gelingt. Wir wollten es im Derby unbedingt für unsere Fans“, sagte Beierlorzer, der bei dem schlimmen Böllerwurf in der Schlussphase mächtig an der Seitenlinie zusammengezuckt war. Die Chancen zum 1:1 waren dann tatsächlich auch noch vorhanden, doch der starke Schweizer Nationalkeeper der Gladbacher, Yann Sommer, hielt den Sieg fest.
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Nach 90 Minuten plus Nachspielzeit waren die Kölner um Erfahrungen reicher. Sie wissen jetzt, wie es sich anfühlt, wenn gegen einen besser besetzten Gegner die nötige Entschlossenheit fehlt, gleichzeitig aber trotzdem die Chance auf einen Punkt bestehen bleibt, weil die Mannschaft standhaft und geschlossen bleibt. Die nächste Erfahrung wartet natürlich schon. Am Samstag geht es in die Allianz-Arena zum Meister Bayern München.