Köln – Eine schwere Rückenprellung verhindert einen Einsatz von Sebastiaan Bornauw am Samstag (15.30 Uhr, Sky) bei seinem ehemaligen Verein 1. FC Köln. Tobias Carspecken sprach mit dem Innenverteidiger des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg über das Krisenjahr der Wölfe, den Aufschwung des FC und seinen WM-Traum.
Herr Bornauw, wie geht es Ihnen nach Ihrem Unfall?
Eigentlich nicht so schlecht. Aber leider darf ich im Moment noch nicht trainieren.
Ich wollte einen Ball von der Torlinie klären. Dabei bin ich auf die untere Torstange gefallen.
Ein Schockmoment?
Ich habe auf dem Feld schon härtere Zweikämpfe geführt. Aber für mich war es der erste Zweikampf mit einer Torstange.
Jetzt fehlen Sie ausgerechnet gegen Ihren Ex-Club. Wie sehr trifft Sie das?
Das schmerzt schon, weil ich am Samstag gerne auf dem Platz gestanden hätte. Aber mein Körper hat entschieden, dass es noch nicht geht. Ich werde aber auf jeden Fall im Stadion sein.
Haben Sie noch Kontakt nach Köln?
Speziell in dieser Woche habe ich viele Nachrichten erhalten. Am meisten Kontakt habe ich mit Easy (Kingsley Ehizibue) und Ellyes (Skhiri).
Sie sind beim FC zum Bundesliga-Stammspieler gereift. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihre zwei Jahre in Köln?
Es gab bessere und schlechtere Phasen. Ich habe mich im Verein und in der Stadt immer wohl gefühlt. Deshalb schaue ich gerne auf die Zeit in Köln zurück und freue mich, dass der Kontakt noch immer gut ist. Dass wir wegen Corona auf Zuschauer verzichten mussten, war dagegen schade. Ich hätte gerne regelmäßig in vollen Stadien gespielt und die Atmosphäre erlebt.
Wie viel Kraft haben die beiden Jahre im Abstiegskampf gekostet?
Das erste Jahr war noch okay – bis der Spielbetrieb Mitte März 2020 für zwei Monate wegen Corona unterbrochen werden musste. Das zweite Jahr war dagegen schwierig. Zum Glück haben wir am Ende noch den Klassenerhalt geschafft. Das war das Wichtigste.
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FC appelliert: „Bitte kein Platzsturm“
2017 ist den Fans des 1. FC Köln in bester Erinnerung. Am 20. Mai zogen die Geißböcke durch einen 2:0-Heimsieg gegen Mainz 05 erstmals nach 25 Jahren wieder in den Europapokal ein. Der FC schickt sich am Samstag an, das Kunststück zu wiederholen. Ein Punkt gegen den VfL Wolfsburg würde reichen. Nicht wiederholen soll sich aber der Platzsturm der Anhänger nach dem Schlusspfiff. Neben der Gefahr von Unfällen und gesundheitlichen Schäden wies Philipp Türoff auf die 2017 entstandenen Sachschäden in sechsstelliger Höhe hin: „In der angespannten wirtschaftlichen Lage wäre es im Sinne aller Beteiligten, dass sich dies nicht wiederholt“, appellierte der FC-Geschäftsführer. Türoff bat auch im Namen des Vorstands die Fans, die Mannschaft im Falle eines Erfolgs von den Rängen des Stadions aus zu feiern. (sam)
Sebastiaan Bornauw, geboren am 23. März 1999 im belgischen Wemmel, wechselte zur Saison 2021/22 für 14,5 Millionen Euro vom 1. FC Köln zum VfL Wolfsburg. Seither kam der Innenverteidiger in 26 Spielen in der Bundesliga (1 Tor), drei Partien in der Champions League und einer Begegnung im DFB-Pokal zum Einsatz. Beim FC avancierte Bornauw in den Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 mit 57 Pflichtspielen (7 Tore, 1 Vorlage) zum Leistungsträger. Begonnen hatte seine Profikarriere beim RSC Anderlecht. Der ehemalige Junioren-Nationalspieler steht bei drei Einsätzen für das belgische A-Nationalteam. (tca)
Sie haben den FC am letzten Spieltag der Saison 2020/21 mit einem Kopfballtor vier Minuten vor Schluss zum 1:0-Sieg gegen Schalke und damit in die Relegation gerettet. War das Ihr emotionalster Moment im FC-Trikot?
Mit Sicherheit. Es ist eine große Last abgefallen. Abseits des Platzes hat mich meine Operation sehr berührt (bei Bornauw war im Frühjahr 2021 ein gutartiger Tumor an der Wirbelsäule entdeckt worden. Bei der Operation kam es im Zuge einer allergischen Reaktion zu Komplikationen, weshalb Bornauw in ein künstliches Koma versetzt werden musste, Anm. d. Red.).
Statt Abstiegskampf herrscht in Köln aktuell riesige Euphorie. Wie beurteilen Sie den Aufstieg des FC aus dem Tabellenkeller in die Europapokal-Plätze?
Ich freue mich für meine Freunde in Köln. Der FC spielt eine sehr gute Saison und steht kurz davor, sich mit der Europapokal-Qualifikation zu belohnen.
Was beeindruckt Sie?
Es steht eine richtige Mannschaft auf dem Feld. Jeder hilft dem anderen. Negative Erlebnisse werden gut weggesteckt. Wenn der FC dann noch mit 50 000 Fans im Rücken spielt, ist es erst recht nicht einfach, gegen ihn zu punkten.
Der FC kann am Samstag den Europapokal-Einzug perfekt machen. Mit wie viel Wucht erwarten Sie die Kölner?
Köln wird unbedingt gewinnen wollen. Entsprechend wird der FC das Spiel angehen.
Der Wolfsburger Klassenerhalt ist erst seit dem vergangenen Wochenende sicher. Worum geht es für Ihren Club jetzt noch?
Es geht darum, zu zeigen, dass wir mehr können. Wir haben eine sehr gute Mannschaft beisammen. Das wollen wir an den letzten beiden Spieltagen mit entsprechenden Leistungen beweisen und in Köln gewinnen.
Der VfL war mit großen Ambitionen in die Saison gestartet, verabschiedete sich jedoch früh aus der Champions League und dem DFB-Pokal und geriet in der Bundesliga in Abstiegsgefahr. Welche Erklärung haben Sie?
Ich habe keine richtige Erklärung, warum wir nicht an unsere Leistungen aus dem Vorjahr anknüpfen konnten. Zumal ganz Wolfsburg froh war, dass wir wieder europäisch gespielt haben. Wir haben eine hohe individuelle Qualität in der Mannschaft, mit der wir besser hätten abschneiden müssen.
Wie enttäuscht sind Sie?
Natürlich bin ich enttäuscht. Wir haben einen anderen Anspruch. Ich möchte aber gar nicht mehr so sehr nach hinten schauen. Mein Blick richtet sich nach vorne, um eine gute nächste Saison zu spielen.
Ich habe insgesamt eine gute zweite Saisonhälfte gespielt. Ich bin hierher gekommen, um Stammspieler zu sein. Das versuche ich jede Woche aufs Neue zu beweisen.
Sie durften drei Mal Champions League-Luft schnuppern. Wie waren Ihre ersten Erfahrungen mit der Königsklasse?
Genau deshalb bin ich nach Wolfsburg gekommen. Die Erfahrung war sehr schön, niemand kann sie mir mehr nehmen. Für mich ist ein Jugendtraum in Erfüllung gegangen. Wenn man einmal in der Champions League gespielt hat, will man mehr davon erleben.
Welche Erwartungen knüpfen Sie an die kommende Saison?
Wir müssen uns deutlich steigern und wollen so gut wie möglich abschneiden. In unserem Club steckt viel mehr Potenzial als das, was wir in dieser Saison gezeigt haben.
Wie haben Sie sich in Wolfsburg privat eingelebt?
Es gefällt mir hier sehr gut. Ich bin ein bescheidener Mensch. Wenn ich meine Familie um mich herum habe, brauche ich eigentlich gar nicht so viel, um glücklich zu sein.
Wo liegt der größte Unterschied im Vergleich zu Köln?
Hier ist es viel ruhiger. Aber die Ruhe gefällt mir auch sehr gut.
Sie wurden im März nach langer Zeit wieder zur belgischen Nationalmannschaft eingeladen. Haben Sie Hoffnung, doch noch mit zur WM nach Katar zu fahren?
Das ist mein Ziel. Ich will in der kommenden Saison mit sehr guten Leistungen Werbung für mich machen. Und dann ist die Hoffnung natürlich da, einen Platz im WM-Kader zu erhalten.