Philipp Türoff spricht im ersten Teil des großen Rundschau-Interviews über den drohenden personellen Aderlass, die wirtschaftliche Folgen des Abstiegs und seine Rolle bei der Transfersperre.
1. FC KölnFinanzchef Philipp Türoff bedauert Fehler im Fall Potocnik „zutiefst“
Herr Türoff, wie nehmen Sie die Stimmung beim 1. FC Köln nach dem siebten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte wahr?
Persönlich bin ich das erste Mal mit dem 1. FC Köln abgestiegen. Daher kann ich es nicht mit anderen Abstiegen vergleichen. Aber es macht schon etwas mit dem gesamten Umfeld und den Mitarbeitern, zumal sich der Abstiegskampf durch die gesamte Saison gezogen hat. Der Abstieg ist ein großes emotionales Ereignis, das alle atmosphärisch beeinträchtigt. Es ist eine ganz besondere Führungsaufgabe, jetzt den Kopf oben zu behalten.
Spüren Sie schon so etwas wie Trotz?
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Die meisten Kollegen wissen, dass im Sport nach einer Niederlage, so fürchterlich sie sich auch anfühlt, wieder angegriffen werden muss. Es geht weiter, auch beim 1. FC Köln. Das ist nicht das Ende der Welt. Dafür verstehen alle Beteiligten den Fußball auch gut genug. Trotzdem muss beiden Gefühlen der nötige Raum gegeben werden. Die Enttäuschung muss raus und auch ihren Platz finden. Das ist völlig legitim, und so gehen wir auch miteinander um. Gleichzeitig versuchen wir, immer wieder umzuschalten und nach vorne zu schauen.
Allerdings droht ein großer personeller Aderlass. Nach dem Abgang von Abwehrchef Jeff Chabot verfügen wohl noch mehrere weitere Spieler über eine Ausstiegsklausel. Gibt es Bemühungen, diese Klauseln abzukaufen?
Es gibt intensive Gespräche, die sehr individuell sind. Jeder Spieler setzt sich mit der Situation auseinander und will sich natürlich orientieren: Was hat der 1. FC Köln vor und wo geht der Weg hin? Natürlich streben wir eine wirtschaftliche Einigung an. Da wir im Sommer von außen nicht ergänzen können, ist es klar, dass die Spieler mit Ausstiegsklausel unsere ersten Ansprechpartner sind. Da spielt Geld eine Rolle, das ist klar. Aber nicht nur. Das sind charakterlich wirklich gute Jungs, die wir hier beim 1. FC Köln haben. Sie haben alles reingeworfen. Sportlich ging es in den letzten Monaten von Woche zu Woche immer um alles. Es war nicht der Moment, um diese Gespräche abschließend zu führen.
Hätte der Abkauf der zahlreichen Ausstiegsklauseln dennoch nicht früher angegangen werden müssen?
Das ist nicht erst nach der Saison versucht worden. Aber jetzt ist der Moment da, wo diese Klauseln mit völlig unterschiedlichen Zeitfenstern vertraglich aktiv sind. Da sind wir mit Hochdruck dran. Wir haben eine hohe Dringlichkeit, das weiß jeder.
Was bedeutet der Abstieg wirtschaftlich?
Rein von der Umsatzgröße beeinträchtigt uns die Zweite Liga signifikant. Die Umsatzerlöse gehen um rund 40 Millionen Euro zurück. Den Löwenanteil dieser Summe machen die Medienerlöse aus, die in der Zweiten Liga erheblich geringer ausfallen. Das ist sehr, sehr viel Geld, keine Frage. Dennoch steht der 1. FC Köln durch die Arbeit der letzten Jahre stabil da.
Inwieweit werden die Umsatzrückgänge ausgeglichen?
Sehr, sehr weitgehend. Wir sind in der Lage, den 1. FC Köln auch in der Zweiten Liga strukturell mit einer schwarzen Null hinzustellen. Das sah früher ganz anders aus und gibt uns die Möglichkeit, handlungsfreier zu sein, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Trägt sich der FC wieder weitgehend selbst?
Ja, das ist ganz klar so. Nicht zuletzt durch den Sanierungskurs, den wir gefahren haben. Eine Reduzierung der Schulden führt immer auch dazu, dass man geringere Finanzierungskosten hat. Wir haben jetzt eine Welt vor uns, in der wir keine verkauften Forderungen aus der Vergangenheit mehr haben. Das heißt, die nächste Saison wird – das wäre auch in der Ersten Liga der Fall gewesen – die erste sein, in der uns die Vermarktungserlöse wieder vollumfänglich zur Verfügung stehen. Das alles zahlt darauf ein, dass wir auch in der Zweiten Liga eine gesunde Gewinn- und Verlust-Rechnung gestalten können.
Durch den Abstieg sollen die FC-Mitarbeiter um bis zu 20 Prozent weniger verdienen. Wie geht der Club damit um?
Beim 1. FC Köln gibt es in den Arbeitsverträgen eine finanzielle Zulage, wenn der Club in der Ersten Liga spielt. Diese Zulage fällt in der Zweiten Liga vertraglich weg. Wir wissen, dass es alle Mitarbeiter bewegt und beeinträchtigt, wenn die Situation droht, weniger Geld im Portemonnaie zu haben. Speziell mit Blick auf die Entwicklungen, die es bei uns in den letzten Jahren gegeben hat, in denen wir einen klaren Sanierungskurs gefahren haben. Da sind Abschläge dabei, die tun weh. Deshalb müssen wir uns darüber unterhalten, was in so einer Situation das richtige Maß ist zwischen wirtschaftlicher Verantwortung auf der einen und Zusammenhalt sowie Bekenntnis auf der anderen Seite. Der FC verlangt einem auch einiges ab. Für unsere Mitarbeiter ist das hier kein Dienst nach Vorschrift. Wir wissen das und werden Lösungen finden.
Fallen auch die Gehälter der Geschäftsführung in der Zweiten Liga geringer aus?
Auch die Geschäftsführung verdient selbstverständlich weniger nach dem Abstieg.
Aus dem „Sanierungsfall 1. FC Köln“ wurde im Vokabular eine „drohende Insolvenz“. Wie nah stand der FC wirklich vor der Zahlungsunfähigkeit?
Sanierung ist automatisch mit Insolvenzgefahr verbunden, deshalb muss sie ja stattfinden. Heute müssen wir uns aber darüber keine so großen Sorgen mehr machen, weil wir vor mehr als zwei Jahren einen sehr klaren Plan erstellt haben, wie wir die Sanierung hinkriegen. Daran haben wir uns sehr diszipliniert gehalten. Auch mit unseren Finanzierungspartnern haben wir immer daran gearbeitet, dass wir beim Thema Insolvenz nie an Grenzen gegangen sind. Es war extrem wichtig, im letzten und in diesem Jahr Gewinn erzielt zu haben. Liquiditätsmäßig haben wir uns Handlungsspielräume geschaffen. Bei der Landesbürgschaft werden wir die Tilgungen auch in diesem Sommer planmäßig fortsetzen. Dazu werden wir die Fananleihe in einer Größenordnung von über fünf Millionen Euro zurückführen.
Die Personalkosten bei den Profis wurden um ein Drittel gesenkt. Ist der FC auf dem Spielermarkt noch attraktiv genug?
Der 1. FC Köln muss auf dem Transfermarkt attraktiv sein, sonst sind wir nicht wettbewerbsfähig. Das muss über allem stehen. Wenn wir das aufgeben würden, wären wir zum Scheitern verurteilt. Der Kader ist nach der Pandemie strukturell bereinigt. Auf dieser Basis gilt es aufzubauen. Es ist sehr unglücklich, dass wir in dem Moment, in dem wir dieses Fundament gefunden haben, in die Zweite Liga abgestiegen sind.
Wäre der FC wirtschaftlich stark genug aufgestellt, um auch im Falle eines möglichen zweiten Zweitliga-Jahres angreifen zu können?
Aus meiner Sicht ganz klar: Ja. Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren ein sehr sportliches Sanierungstempo an den Tag gelegt. Ein Zahlenwerk mit einer schwarzen Null in der Zweiten Liga bedeutet nicht, dass es sich um einen völlig heruntergesparten Kaderetat handelt. Der FC ist ein großer Club, wir können vom Etat her einen Aufstiegskader stellen. Wie sich die Situation qualitativ aufgrund der noch bis Winter geltenden Transfersperre letztlich darstellen wird, das wird sich zeigen.
Wie schnell soll es für den FC wieder zurück in die Erste Liga gehen?
Der FC ist nicht mehr dazu verdammt, in jedem Jahr einen Gewinn zu erzielen, um weiter Eigenkapital aufzubauen. Das haben wir zuletzt sehr konsequent gemacht. Mit einem Zweitliga-Szenario rückt natürlich die Aufgabe in den Mittelpunkt, sich sportlich wieder dahinzubewegen, wo wir uns sehen. Und das ist für den 1. FC Köln mit all seinen Möglichkeiten und mit all seiner Power die Erste Liga. Wir wollen das so schnell wie möglich erreichen. Aber wenn es ein zweites Jahr in Anspruch nimmt, spricht nichts dagegen, mit allem, was erforderlich ist, erneut wirtschaftlich handlungsfähig zu sein. Das würde im Zweifel auch für ein drittes Jahr gelten, wenn die sportlichen Ziele vorher verfehlt würden.
Der FC wird das laufende Geschäftsjahr zum zweiten Mal in Folge mit einem Gewinn im unteren zweistelligen Millionenbereich abschließen. Wurde in Anbetracht des Abstiegs mit zu großer Vorsicht gespart?
Der Vergleich wird jetzt natürlich immer gezogen. Der Blick in den Rückspiegel ist jedoch ein Trugschluss. Es wäre sicherlich möglich gewesen, das Sanierungstempo zu verlangsamen und noch die ein oder andere Investition zu tätigen. Wir haben auf Basis von Annahmen die Budgets und Planungen so aufgestellt, dass dabei ein Kader herauskommt, der die Klasse halten wird. Es gibt aber diesen Algorithmus nicht, dass diese Logik immer aufgeht. Beim 1. FC Köln gab es vor einigen Jahren in der Europa League-Saison auch schon mal den Fall, dass signifikant in den Kader investiert wurde – und dann hat es auch nicht funktioniert und der FC ist runtergegangen. Jetzt können wir nur gucken, was wir daraus lernen, und den Blick nach vorne werfen. Etwas anderes bleibt uns leider nicht übrig.
Welche Schlussfolgerung lässt sich daraus ziehen?
Man muss schauen, die richtige Mischung zu finden aus Annahmen und Informationen, die man einholt und hinterfragt, und dem Finden einer eigenen Linie. Und, dass man notfalls nachsteuert. Dieses Nachsteuern war uns durch die Transfersperre, die uns in der Winterpause erfasst hat, nicht möglich. Das hat uns Fesseln angelegt, die normalerweise so nicht angelegt sind.
War der FC im Fall Jaka Cuber Potocnik zu blauäugig?
Wir haben in einigen Bereichen Rechtspositionen eingenommen, bei denen wir zuversichtlich waren, dass es so nicht ausgehen würde. Das hat sich schlussendlich völlig anders dargestellt. Damit haben wir nicht gerechnet. Hätten wir allerdings im Vorfeld einen Aktionismus an den Tag gelegt, um uns auf eine Niederlage vor Gericht vorzubereiten, hätte das womöglich Signale gesetzt, die man während der Verhandlung auch nicht setzen sollte.
Haben Sie auch Ihre Rolle noch mal überdacht?
Wenn ich sehe, welche Konsequenzen die Transfersperre für die Organisation 1. FC Köln hat, dann ist dies ein Vorgang mit einem erschütternden Ergebnis. Natürlich hinterfrage ich mich vollständig, wie ich daran beteiligt war. Die Verpflichtung des Spielers ist am 31. Januar 2022 getätigt worden. Ich bin am 2. Januar 2022 erstmals beim 1. FC Köln zur Arbeit gegangen. Das bedeutet, ich war zu dem Zeitpunkt bereits da und in die Geschäftsführung berufen. Und damit bin ich mitverantwortlich für alles, was beim FC passiert. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ich bedauere zutiefst, dass ich als Teil der Geschäftsführung an der Verpflichtung des Spielers mit all seinen Folgen beteiligt war.
Im zweiten Teil, der am Sonntag online erscheint, spricht Philipp Türoff über die Lehren aus der Transfersperre und den Ausbau des Geißbockheims.