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FC-Profi im InterviewSteffen Tigges: „Perfekte Stürmer für unseren Stil“

Lesezeit 6 Minuten
Steffen Tigges beim Testspiel gegen Bergisch Gladbach

Steffen Tigges beim Testspiel gegen Bergisch Gladbach

Steffen Tigges sieht den Angriff des 1. FC Köln grundsätzlich gut aufgestellt. Über sein Comeback und das Spiel der Kölner spricht er mit Martin Sauerborn.

Steffen Tigges (25) nutzt das spielfreie Wochenende, um seine Schwester und ihren Mann in Hamburg zu besuchen. Vorher spricht der FC-Mittelstürmer mit Martin Sauerborn über sein Comeback beim 1:1 in Frankfurt, die Stürmersuche der Geißböcke und seinen Kampf mit den Automatismen im Kölner Spiel.

Hallo Herr Tigges, Sie haben vor genau einem Jahr Ihr erstes Tor im Trikot des 1. FC Köln erzielt. Welche Erinnerung haben Sie an diesen in vielerlei Hinsicht besonderen Abend in Nizza?

Grundsätzlich war es aus sportlicher Sicht eine schwierige Situation. Wir wussten zunächst ja gar nicht, ob das Spiel überhaupt stattfinden kann, als es wegen der Ausschreitungen auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Die ganzen Ausmaße sind uns erst im Nachhinein klar geworden, wir haben in der Kabine fast nichts mitbekommen, von Jonas„ Ansprache vor der Kurve oder von der Zahl der Verletzten. Das ist auch im Rückblich erschreckend.

Und Ihr Tor zum 1:0?

Mit dem Tor ist für mich der Knoten geplatzt. Ich hatte danach eine richtig gute Phase mit drei Toren gegen Dortmund und Augsburg. Es war einfach gut, dass ich nach fünf Monaten Verletzung nicht noch einmal lange auf mein erstes Tor warten musste. Ich habe eine riesige Erlösung und Freude gespürt, dass sich die ganze Arbeit in den Monaten zuvor gelohnt hat.

Nach dem 3:2 gegen Augsburg lief es dann nicht mehr so gut beim FC und auch bei Ihnen. Warum?

Da habe ich gemerkt, dass ich die Vorbereitung verpasst habe und aus der Reha direkt in den Spielrhythmus Donnerstag, Sonntag, Donnerstag reingekommen bin. Immer zu spielen, war enorm kräftezehrend. . Ich war bis dahin nur oberflächlich in den Abläufen, weil immer das trainiert wurde, was gerade für den nächsten Spieltag wichtig war. So ein Leistungstief ist nach einer Verletzung plus Wechsel ganz normal.

Für die Mannschaft wurde es immer schwerer?

Es war nicht so einfach, weil wir mit Flo Dietz und mir zwei Spieler hatten, die sich erst noch an die Bundesliga gewöhnen und sich entwickeln mussten. Und nach den vielen Spielen innerhalb sehr kurzer Zeit bis zur WM-Pause war die ganze Mannschaft sehr müde. Bei mir war es ohne eine Sommer-Vorbereitung sogar extrem.

Steffen Tigges beim Training

Steffen Tigges beim Training

Sie sind dann mit einem Doppelpack beim 7:1 gegen Bremen ins neue Jahr gestartet.

Da konnte jeder sehen, was eine richtige Vorbereitung ausmacht.

Im Rückspiel gegen Bremen haben Sie auch getroffen, sich aber die Schulter ausgekugelt und mussten operiert werden. Es war Ihre zweite Verletzung beim FC. Haben Ihnen die Erfahrungen aus der ersten Verletzung geholfen?

Ich konnte leichter mit den Sachen umgehen, die drumherum passiert sind. Also zum Beispiel, wenn wir neue Spieler bekommen haben, die Konkurrenten sein können. Dann weiß man, dass es zu einer Fußballer-Karriere dazugehört, mal auszufallen. Ich habe gelernt, ruhig zu bleiben und meinem Körper die Zeit zum Heilen zu geben. Es gibt einen Unterschied zwischen spielfähig sein und gesund sein. Darauf wird beim FC sehr geachtet.

Sie mussten sich sehr in Geduld üben bei vier Monaten Spielpause.

Wir sind da auf Nummer sicher gegangen. Laufen konnte ich schnell wieder, aber wir wollten kein Risiko eingehen, um die Stabilität in der Schulter nicht zu gefährden.

Haben Sie denn diesmal das Gefühl, eine Vorbereitung gemacht zu haben?

Nicht unbedingt. Körperlich bin ich superfit und habe keine Einschränkungen mehr. Ich merke aber, dass ich ohne Vorbereitung nicht in den Abläufen drin bin und mich erst wieder daran gewöhnen muss, wie wir Fußball spielen wollen. Der größte Sinn der Vorbereitung ist, dass sich die Automatismen herausbilden.

Wie hat sich das bei Ihrem ersten Einsatz beim 1:1 in Frankfurt bemerkbar gemacht?

Es war generell ein schweres Spiel für uns, weil wir die Eintracht nur schwer kontrollieren konnten. In Hälfte zwei waren wir generell nicht viel vor dem Tor. . Im Übergangspiel war es ganz okay, aber ich war viel mit mir beschäftigt.. Ich wollte unbedingt in die Automatismen finden und nicht irgendwelche Sachen machen, die nicht zu unserem Spiel passen. Im Testspiel gegen Bergisch Gladbach war es schon viel besser.

Ist das ein Rückschritt in Ihrer Entwicklung beim 1. FC Köln?

Nein, grundsätzlich bin ich zufrieden, gerade was die positionsspezifische Entwicklung als Strafraumspieler angeht. Es gibt aber noch viele Bereiche in der Box, wo ich mich verbessern kann. Mit Davie Selke habe ich da ein Vorbild, von dem ich mir viel in puncto Positionierung und Abschluss abschauen kann.

Sie sprechen Davie Selke an. Wie ist Ihr Verhältnis als direkte Konkurrenten?

Davie redet gerne und spricht darüber, was ihm ausfällt und was er sieht. Wir haben auf und neben dem Platz ein enges Verhältnis. Er hat immer liebe Worte für mich übrig und gibt mir viel mit. Ich hatte noch nie das Gefühl, dass er einem etwas neidet oder sich ärgert, wenn man als Konkurrent gut drauf ist. Davie hat einen Top-Charakter, der sein Tun immer am Erfolg der Mannschaft ausrichtet.

Von außen betrachtet könnte ein Tipp an Sie lauten, sich weniger zu bewegen.

Tatsächlich haben mir die Erfahrungswerte eines Mittelstürmers gefehlt. In Dortmund hatte ich eher eine mitspielende Rolle, in Osnabrück kam ich über den Flügel. Hier ist es gefragt, auch mal zu lauern und das fordert der Trainer auch ein. Ich musste mich daran gewöhnen, dass es okay ist, mal nicht zu laufen, ohne dass der Trainer gleich denkt, ich will nichts machen. Es ist sinnvoller für die Mannschaft, dass ich in der Box bleibe. Manchmal hilft es der Mannschaft mehr, wenn ich vom Ball wegbleibe. (lacht).

In Frankfurt sind Sie aber 74 Minuten lang bis zu Ihrer Auswechslung sehr viel gelaufen.

Gegen Frankfurt ist es mir aufgefallen, dass ich durch die längere Ausfallzeit in alte Muster zurückgefallen bin. Dann will ich der Mannschaft helfen und laufe. Dann merke ich, dass mir meine Abläufe noch nicht zu 100 Prozent in Fleisch und Blut übergegangen sind.

Sie befinden sich also weiter in der Entwicklung. Wie haben Sie die Diskussion verfolgt, dass der FC noch einen neuen Stürmer verpflichten sollte?

Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass wie vorne gut aufgestellt sind. Gerade für unseren Stil sind die perfekten Stürmer da. Ein neuer Spieler müsste sich auch erstmal anpassen. Das Trainerteam vertraut uns, und wenn sie noch einen Stürmer geholt hätten, wäre das für mich auch kein Zeichen von fehlendem Vertrauen gewesen. Es geht darum, dass der 1. FC Köln erfolgreich ist. Wenn die Verantwortlichen in diesem Sinne meinen, noch etwas machen zu müssen, dann hätten sie das gemacht.

Welche Erwartungen darf der FC-Anhänger also an Steffen Tigges für diese Saison noch haben und welche Erwartungen hat Steffen Tigges an sich selbst?

Die nächste Zeit wird bei mir sicher davon geprägt sein, nach der Verletzung wieder in den Rhythmus zu finden. Ich möchte an meine Leistungen aus der Rückrunde der vergangenen Saison anknüpfen und tue alles für unseren Erfolg. Wir wollen schnellstmöglich anfangen, Spiele zu gewinnen und fangen damit am besten gegen Hoffenheim an. Und ich erwarte von uns und von mir viele Tore.