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Mode aus Neunkirchen-SeelscheidUlla Lüer entwirft nachhaltige Kinder- und Damenmode

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Ulla Lüer demonstriert die Wasserfestigkeit des Gewebes. 

Neunkirchen-Seelscheid – Mit Schwung gießt Ulla Lüer einen großen Schwall Wasser in das Textilsäckchen. Kein Tropfen dringt nach draußen, das Gewebe hält dicht. EtaProof heißt dieser Stoff, den die Designerin mit Vorliebe in ihrem Label Ulalü verarbeitet. „Lange bevor es Synthetikfasern gab, standen Entdecker in dieser Art Baumwolle bereits auf dem Mount Everest“, sagt Ulla Lüer.

Erfunden wurde das Material in den 1930er Jahren in England. Feuerwehrschläuche wurden daraus hergestellt, dann Overalls für Kampfpiloten und Marinesoldaten. Inzwischen produziert die Firma Stotz in der Schweiz als einziger Hersteller dieses hochatmungsaktive Gewebe aus besonders feinen und langen Baumwollfasern.

EtaProof verwendet die 57-jährige Designerin für Kinder- und Damenmode, die in der eigenen Näherei in Neunkirchen-Seelscheid entstehen, wo sie mit ihrer Familie seit 1995 lebt. Nach langer Babypause – „Es gab damals kaum Betreuungsmöglichkeiten“ – stieg sie wieder in den Job ein und gründete 2010 ihr eigenes Label, das inzwischen drei Angestellte und eine Auszubildende beschäftigt. Produziert wird in Kleinserien bis 100 Stück. Man kann über einen Online-Shop bestellen, mittlerweile gibt es auch einen Lagerverkauf (montags 14.30 bis 17 Uhr).

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Die Kleidungsstücke entstehen in der Werkstatt in Wolperath.

„60 Kleidungsstücke kauft jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr“, rechnet die Fachfrau vor; „vieles davon landet nach kurzer Tragezeit wieder im Müll.“ Etwa 1,3 Millionen Tonnen sind das im Jahr. Dabei ist die Produktion von Textilien aufwendig, viel Wasser und schädliche Chemikalien werden eingesetzt.

Ulla Lüer, die aus Velbert stammt und in Köln aufwuchs, hat dagegen schon als Jugendliche ihre Kleidung selbst genäht, bevor sie sich an der Akademie Hohenstein zur Bekleidungstechnikerin ausbilden ließ. „Damals wurde Mode noch überwiegend in Deutschland produziert. Man sprach vom ,guten Mantel’, der viele Jahre halten sollte.“ Lüer arbeitete für kleine Firmen, kontrollierte Entwürfe und Qualität von Materialien, überwachte Produktionsabläufe und kümmerte sich um die Auslieferung.

Ulla Lüers Kinderkleidung passt über zwei bis drei Größen

Auf ihr großes technisches Wissen konnte Ulla Lüer zurückgreifen, als sie das eigene Unternehmen im Souterrain ihres Elternhauses gründete; eine kleine Erbschaft half dabei, die erste finanzielle Durststrecke zu überstehen. Mit ihren beiden Töchtern hat sie immer viel Zeit draußen verbracht, hat Lagerfeuer gemacht, Kräutersuppe gekocht und ist gewandert.

„Ich bin ein Outdoor-Mensch“, sagt Lüer. Und deshalb war für sie klar: „Ich wollte wetterfeste Alltagskleidung für Babys und Kinder entwerfen, die über zwei bis drei Größen passt.“ Dafür sorgen Krempelbündchen, Knöpfmöglichkeiten und eine großzügige Passform.

Durch mitwachsender Schnitte und das „Zwiebelkonzept“ – also die Kombination von Lagen verschiedener Kleidungsstücke – entsteht ein Kleiderbaukasten, mit dem die Kleinen durchs Jahr kommen sollen.

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„Wir verwenden nur Materialien aus kontrolliert biologischem Anbau, Färben und Ausrüsten finden auf höchstem ökologischem Niveau statt“, betont Lüer, die nur GOTS-zertifizierte Stoffe verarbeitet. Sie stammen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Eine Ausnahme bildet die Merino-Wolle, die das Label für die Walk- und Fleecejacken aus Südamerika bezieht. „Die Wolle von den Schafrassen hierzulande ist einfach noch zu kratzig“, sagt die Expertin, der das „angenehme Tragegefühl“ ihrer Naturmode ebenfalls wichtig ist.

Inzwischen stellt sie auch Hosen und Blousons aus Hanf her. „Hanf ist eine interessante alte, robuste Faserpflanze, die viel Biomasse produziert und von der man alle Teile verwenden kann – im Gegensatz zu Baumwolle. Die ist zickig, anfällig für Schädlinge und verbraucht bei der Produktion viel Wasser“, sagt Lüer, die darauf verweist, dass das benachbarte Hennef – nur wenig entfernt vom eigenen Standort in Wolperath – seinen Namen der Hanfproduktion verdankt.

„Eine interessante Alternative ist auch die Brennnessel. Schon im Altertum wurde sie zu Stoffen verarbeitet. Aber inzwischen ist viel Wissen darüber verloren gegangen.“ Und deshalb plant Ulla Lüer nun auch kleine Workshops in der Werkstatt, um Wissen weiterzugeben und die Kunden nachhaltig für „Slow Fashion“ zu begeistern.