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Ohne Publikum in den Mai?Burschen im Kreis wollen nicht auf Tradition verzichten

Lesezeit 5 Minuten

In Neu-Etzweiler hilft seit dem vergangenen Jahr eine Hydraulik bei der Aufstellung des Maibaums.

  1. Wegen Corona ist Daheimbleiben auch in der ansonsten tanz- und bierseligen Mainacht angesagt.
  2. Dennoch muss nicht ganz auf die Traditionen verzichtet werden.
  3. Einige Maigesellschaften improvisieren auf Sparflamme und wollen zumindest – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – einen Dorfmaibaum aufrichten.

Rhein-Erft-Kreis – „...da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus“, so wird im Volkslied der Mai begrüßt. Natürlich wird er kommen, der Mai. Die Bäume, so sie nicht vertrocknet sind oder von Käfern drangsaliert werden, sind großenteils schon ausgeschlagen. Für die Menschen ist dagegen wegen Corona Daheimbleiben auch in der ansonsten tanz- und bierseligen Mainacht angesagt.

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Dennoch muss nicht ganz auf die Traditionen verzichtet werden. Einige Maigesellschaften improvisieren auf Sparflamme und wollen zumindest – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – einen Dorfmaibaum aufrichten. „Wir können den Baum mit zwei Personen aufstellen“, sagt Björn Bartram, Chefbursche von „Holdes Grün“ in Elsdorf-Neu-Etzweiler. Im vergangenen Jahr wurde auf dem Dorfplatz eine hydraulische Baumaufrichtmaschine installiert.

Aufstellung des Maibaums als Video im Netz

Mit dem Förster werden zwei Vorständler eine Birke schlagen und für die Burschen eine Hand voll Maien fürs private Maibaumsetzen mitbringen. Da auch die Wahl des Dorfpolizisten ausgefallen ist, wird ein einsamer Freiwilliger Baum und Lagerfeuer nächtens bewachen. Andere schwärmen aus und legen Birkenäste oder Maiglöckchen vor allen Häusern ab. Die Aufstellung des Maibaums gibt es tags darauf als Video im Netz zu sehen.

Diesmal werden nur drei Maiburschen den Baum aufrichten.

In Elsdorf-Berrendorf geht es ähnlich exklusiv zu. Mit zwei, drei Maiburschen, die in gebührendem Abstand an Seilen ziehen, wird der Baum aufgerichtet. „Es soll aber niemand zum Dorfplatz kommen“, bittet Vorsitzender Manuel Fiebach. Wer feiern möchte, kann sich per Livestream Musik des Berrendorfer DJs Zasa ins Haus holen und zum Wohnzimmerschwoof in den Mai Kölsch aus Flaschen trinken, die mit einem Aufkleber „Mainacht 2020 in Berrendorf-Wüllenrath – Wir bleiben zu Hause“ umetikettiert wurden.

Aus 30 Meter Fichte werden 15 Meter Birke

In Bergheim-Glessen steht nach Aussage von Christian Schmitz, Geschäftsführer der Maigesellschaft, traditionell „der höchste Maibaum im Rhein-Erft-Kreis“. Statt an eine 30 Meter hohe Fichte werden die bunten Bänder in diesem Jahr an eine 15 Meter hohe Birke geknüpft. „Für den großen Baum bräuchten wir mehr Leute als zurzeit erlaubt sind“, bedauert Schmitz.

Überraschung im Wald

Wer der Frau seiner Träume einen Maibaum setzen will, hat es schwer in diesem Jahr. Die Aktion auf dem Gelände des Pulheimer Bauhofs, wo alljährlich ein Ansturm auf die jungen Birken herrscht, ist abgesagt. Und auch im Wald gelten die Kontaktbeschränkungen – deshalb verkauft das Forstamt Rhein-Sieg-Erft ebenfalls keine Maibäume. Die Förster warnen gleichzeitig davor, nun auf eigene Faust eine Birke im Wald zu schlagen. Das sei Schachbeschädigung und Diebstahl. Forstleute und Waldbesitzer würden verstärkt auf Kontrollfahrt gehen.

Stephan Schütte, Fachgebietsleiter Staatswald im Forstamt Rhein-Sieg-Erft, hat einen Vorschlag für alle, die keinen Baum fällen dürfen: „Entführen Sie Ihre Liebsten auf einen zweisamen Spaziergang in den Wald und überraschen Sie sie mit dem »eigenen«, natürlich noch stehenden, Maibaum direkt im Wald – auch wenn dieser vielleicht nicht so schön geschmückt sein wird wie am heimischen Balkon.“

Für alle, die sich mit einem Waldbesitzer einig werden und eine Birke schlagen dürfen, hat die Polizei Hinweise für den Transport: Die Ladung muss sicher befestigt werden, das Fahrzeug insgesamt darf nicht höher als vier Meter und nicht breiter als 2,55 Meter sein. Die Ladung darf nach vorn überhaupt nicht und nach hinten höchstens drei Meter über das Fahrzeug hinausragen. Das äußerste Ende muss mit einer roten Fahne gekennzeichnet sein, wenn es mehr als einen Meter überragt. Kennzeichen und Beleuchtung dürfen nicht verdeckt werden. (uj)

Als kleine Trostpflaster stellen Zweierteams in der Mainacht mehrere kleine Maibirken im Ort auf. Neben dem Dorfbaum und seinen Ablegern holen zwei Maiburschen nach Absprache mit dem Förster rund 30 weitere Bäume nach Glessen. „Etwa die Hälfte ist von den Frauen aus dem Ort bestellt worden“, sagt Geschäftsführer Schmitz. Schließlich ist 2020 ein Schaltjahr, und das heißt, die Mädchen müssen ihrem Liebsten einen Maibaum setzen. „Das hat sich aber nicht in breitem Umfang durchgesetzt“, sagt Christian Schmitz.

Hamstern fürs Reisherz

Er will seiner Herzensdame ein Reisherz vor die Tür streuen. Dazu färbt er den Reis mit Rote Bete und streut mit weißen Körner die Initialen ein. „Ich habe vier Pakete Reis gekauft und kam mir vor wie ein Hamsterkäufer“, erzählt Schmitz amüsiert. Immerhin hatte auch er vor Jahren schon ein Reisherz vor der Tür und hofft auch in diesem Jahr darauf, von seiner Freundin bedacht zu werden.

Linda Keller hat zurzeit alle Hände voll zu tun, um im Blumenhaus Hoven in Glessen die bestellten Maiherzen herzustellen.

Da es mit Maibäumen schwierig ist und ausgestreuter Reis nicht überall möglich ist, hat Linda Keller in diesem Jahr alle Hände voll zu tun. Die Mitarbeiterin des Blumenhauses Hoven in Glessen stellt Maiherzen aus Seidenblumen her. Aus großen Styroportafeln werden Herzen, aber auch Teddys, Bären, Hasen und sogar Geißböcke ausgeschnitten und mit wetterfesten Seidennelken und -rosen in 15 Farben gespickt.

„Tradition auch in schweren Zeiten bewahren“

Seit zehn Jahren können die Maigrüße auch online bestellt werden. Mehr als 100 individuelle Exemplare (Keller: „In diesem Jahr deutlich mehr als sonst“) gehen so nicht nur nach Glessen, sondern per Versand auch ins rheinisch-westfälische Umland und gar nach Bayern und in die Schweiz.

„Es soll im Dorf sichtbar sein, dass wir die Tradition auch in schweren Zeiten bewahren“, sagt Schmitz, „und ganz ohne irgendwas können wir Maiburschen an unserem Festtag auch nicht gut sein.“ „Der Sinn in die weite, weite Welt“, wie im Lied besungen, steht in diesem Jahr nicht zur Auswahl. Die Maiburschen vieler Orte sorgen jedoch dafür, dass die Daheimgebliebenen sich nicht nur an der erwachten Natur, sondern auch auf an einigen maitypische Anblicken erfreuen können.