Bergheim-Glessen – Photovoltaikstrom für alle Haushalte: Mit ambitionierten Zielen ist die Initiative „Glessen autark“ vor zwei Jahren an den Start gegangen. Der kleine Ort im Windschatten der Kraftwerke Niederaußem und Neurath sollte unabhängig von Braunkohlestrom werden, einen möglichst ausgeglichene Kohlendioxidbilanz haben. Ihre Ziele hat die Initiative zwar noch nicht erreicht. Die Nachfrage nach Beratung ist aber mittlerweile so groß, dass 19 Haushalte auf der Warteliste stehen.
„Am Anfang war das Interesse überschaubar. Im Winter hat sich keiner gemeldet“, sagt Initiativenmitglied Jutta Nett. „Seit den ersten Sonnenstrahlen können wir uns vor Anfragen aber gar nicht mehr retten. Jeder möchte so schnell wie möglich eine Anlage aufs Dach.“ Außer Nett sind Rolf Brunkhorst, Heinrich Kuberski, Detlef Werner, Peter Pütz und Ortsbürgermeisterin Anne Keller in der Initiative. Alle haben sie eine Vermutung, was aktuell die Nachfrage ankurbelt: der Ukraine-Krieg und die steigenden Energiepreise.
Ein Fünfel der Haushalte in Glessen kann theoretisch mit Solarstrom versorgt werden
Gegründet hat sich „Glessen autark“ Ende 2019. Die ersten zehn Haushalte versorgte die Initiative seit 2020 mit Photovoltaik. Ein Jahr später gingen weitere 21 Dächer ans Netz. Dieses Jahr waren es bisher acht. Bisher hat „Glessen autark“ also 39 Haushalte mit einer Nennleistung von etwa 800 Kilowatt versorgt – genug, um 720 000 Kilowattstunden Strom zu erzeugen. Damit lässt sich theoretisch ein Fünftel der 2500 Haushalte in Glessen versorgen.
Doch die Pläne der Initiative geraten ins Stocken. Denn die Photovoltaikbranche leidet an einem Flaschenhals – und das sind Lieferengpässe und Chipmangel. Die Solarmodule selbst kämen mittlerweile wieder in ausreichender Zahl an, sagt Rolf Brunkhorst. „Wechselrichter aber haben Lieferzeiten von zwei bis drei Monaten. Und am schlimmsten ist es bei den Batterien.“ Es gebe Lieferanten, die Liefertermine erst im zweiten Quartal 2023 hätten. Auch der Preis für Module und Zubehör ist drastisch gestiegen. Brunkhorst schätzt, dass die Preise gegenüber 2020 um etwa 40 bis 50 Prozent gestiegen sind.
Genossenschaften als Zukunftsmodell für die Photovoltaik
Uneinig sind sich die Initiativenmitglieder derzeit darüber, wie es in den nächsten Monaten und Jahren in Glessen weitergeht. Während Brunkhorst für eine „Graswurzelbewegung“ ist und einzelne Haushalte mit Modulen versorgen will, spricht sich Detlef Werner für Genossenschaften aus. „Viele Leute haben kein passendes Dach, aber Geld auf der Bank“, erläutert er. „In Genossenschaften könnten auch sie vom erzeugten Strom profitieren.“ Doch aktuell gebe es noch ein Hindernis und das sei die Gesetzgebung.
Trotz allem hält die Initiative an ihren Plänen fest. 33 weitere Anlagen sind bereits bestellt, 19 Haushalte stehen auf der Warteliste. Fehlen nur noch sieben, um das selbst auferlegte Zwischenziel von 100 Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Glessen zu erreichen.