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Noch immer nicht ganz genesenWaldbröler spricht über seine Corona-Infektion

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Hatte ab März mit dem Conoravirus zu kämpfen: Eckhard Becker (60), Fachbereichsleiter bei der Stadt Waldbröl.

Eckhard Becker leitet in der Waldbröler Stadtverwaltung den auch für die öffentliche Ordnung zuständigen Fachbereich. Der 60-Jährige gilt als der erste Waldbröler, der sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Im Gespräch mit Jens Höhner blickt Becker zurück und auch voraus.

Sie waren in Waldbröl einer der ersten Infizierten. Erinnern Sie sich an den Moment der Diagnose? Was haben Sie gedacht? Hatten Sie Angst?

Eckhard Becker: Ich wurde am 18. März positiv auf das Coronavirus getestet. Mein erster Gedanke war: „Nun hattest du seit mehr als 40 Jahren nicht mal mehr eine Grippe, aber dann Corona – wie kann das sein?“Angst hatte ich nicht, zumal im März noch viel zu wenig über Corona bekannt war. Ich habe natürlich seinerzeit noch gedacht, dass es wohl nicht so schlimm werden wird. Zum Glück ist bisher niemand im Familien- und Freundeskreis erkrankt.

Wissen Sie inzwischen, wann und wo Sie sich infiziert haben?

Nein, das ist mir bis heute nicht klar. Sicherlich kamen wir von einem nur zwei Tage dauernden Skiurlaub aus Italien zurück, da ganz plötzlich die Grenzen geschlossen werden sollten. Es hatte bis dato auch keine Reisewarnung für Norditalien gegeben. Am Urlaubsort selbst war es in den zwei Tagen zu keinen Kontakten gekommen, selbst in den Liften und Gondeln wurde genauestens auf Abstand geachtet – und auch eingehalten.

Wie hat sich als selbst Betroffener Ihre persönliche Sicht auf Corona verändert?

Anfangs war ich wenig besorgt, da ich glaubte, es geht vielleicht schnell vorbei. Heute weiß ich, dass dem nicht so ist, denn selbst nach mehr als neun Monaten begleiten mich immer noch neurologische Beschwerden, wie zum Beispiel der Verlust des Geruchssinns oder Luftnot. Sicherlich sind bereits leichte Besserungen eingetreten. Aber man sollte diese Krankheit auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Denn was ist, wenn einem der Arzt in zehn Jahren sagt, dass die dann aktuellen Beschwerden durchaus auf Corona und auf das Jahr 2020 zurückzuführen sein können?

Können Sie Leute verstehen, die sich nicht an die Regeln halten?

Nein, die kann ich überhaupt nicht verstehen.

Aus der Sicht des für die öffentliche Ordnung zuständigen Fachbereichsleiters: Wie hat sich das Vorgehen zwischen damals und heute verändert?

Zu Beginn waren wir im Hinblick auf unser Handeln noch unsicher, heute sind wir geübt und sicher. In der ersten Phase im Frühjahr waren das Verständnis, die Einsicht und die Zustimmung für die getroffenen Regelungen in der Bevölkerung deutlich höher. Je länger solche einschneidenden Regelungen jedoch einzuhalten sind, desto mehr werden sie als unangenehm wahrgenommen – was zu einer zunehmenden Missachtung führt.

Und was müssen Sie, auch mit Blick auf die hohe Fallzahl für Waldbröl, jetzt verändern?

Wir als Marktstadt im Allgemeinen und als Ordnungsamt im Speziellen können nicht mehr tun. Wir haben einen begrenzten Personalstamm, wobei unser Außendienst bereits durch viele Freiwillige aus dem Rathaus verstärkt wird. Die extrem hohen Zahlen in unserer Stadt sind auch auf Ausbruchgeschehen in bestimmten Einrichtungen im Stadtgebiet zurückzuführen und von daher müssen die Einrichtungen selbst dafür Sorge tragen, dass die Fallzahlen nicht noch weiter steigen. Was wir aber generell sagen können ist, dass wir seit Ausbruch der Pandemie unsere Maßnahmen laufend an die veränderte und aktuelle Lage anpassen.

Waren die bisher auf Stadt- und Kreisebene getroffenen Maßnahmen effektiv?

Nach dem, was wir beurteilen können: Ja! Durch die ständige Anpassung unserer zur Verfügung stehenden Maßnahmen an die sich stets verändernde Lage haben wir das Bestmögliche für die Waldbröler unternommen. Ein großes Problem stellt der private Bereich dar: Dort sind die Möglichkeit des Eingreifens stets begrenzt.

Wie viele Anzeigen hat Waldbröl bisher geschrieben? Und welche sind die häufigsten Verstöße?

Mehr als 300 Bußgelder wurden verhängt, mehr als 70 Bußgelder stehen allerdings noch aus. Auf Platz 1 liegen die Verstöße gegen das Kontaktverbot, auf dem zweiten folgen verbotene Veranstaltungen.

Was nehmen Sie als Privatmann Eckhard Becker mit ins neue Jahr? Und woran werden Sie sich vielleicht für immer erinnern?

Dass ich mir gar nicht genug bewusst war, in welcher behüteten Umgebung wir bis vor Corona gelebt haben. Wir brauchten uns in der Regel keine Sorgen um nichts zu machen. Wir konnten uns mit Familie und Freunden treffen, in Kneipen und Restaurants gehen, wir konnten Kirchen, Konzerte und Fußballstadien besuchen und uns im größten Gedränge wohlfühlen. Das ist alles vorbei, und niemand kann uns sagen, ob es alles mal wieder so sein wird, Impfung hin oder her. Hier nehme ich die Hoffnung mit ins neue Jahr, dass 2021 alles wieder ein wenig besser wird – aber: Wir alle müssen daran mitarbeiten!

Und als Fachbereichsleiter ?

Dass durch die Pandemie eine bisher unbekannte, neue Aufgaben über uns hereingebrochen ist. Ich bin nach wie vor begeistert, wie gut wir uns den neuen Herausforderungen bei so wenig Personal stellen konnten und freue mich, dass wir aus dem Hause viele freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Unterstützung gewinnen konnten. Dabei darf man nicht vergessen, dass die eigentlichen Arbeiten nach wie vor zu erledigen waren und sind.

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