Wahlkampftour in LeverkusenGesundheitsminister Jens Spahn von Impfgegnern empfangen
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Leverkusen – Sie kamen mit Kochtöpfen, Trillerpfeifen und Trommeln. "Spahn, hau ab", skandierten sie als großer Chor, abgeschirmt durch Bauzäune um die Quettinger Schützenhalle, in der am Montagabend Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seiner CDU-Parteikollegin Serap Güler Wahlkampfunterstützung gab.
Die Polizei fand die Lage "schwierig", konnte man aufschnappen, die Personenschützer: nervös. Als sich einige Gegner des Ministers zum Fenster der Halle durchgeschlagen und ans Fenster geklopft hatten, wurden kurzerhand die Rolladen runtergelassen. Der Lärm blieb.
"Die folgen mir immer", gab sich Jens Spahn gelassen und nahm sich, trotz der aufgeheizten Atmosphäre um die Halle, Zeit für eine Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern. Die Themen waren dominiert durch die aktuelle Coronalage, aber auch weitere Gesundheitsthemen wie die Abhängigkeit bei Medikamenten von China und der Pflegenotstand wurden angerissen.
Erst einmal machte Spahn klar: "Für Geimpfte und Genesene wird es keine weiteren Einschränkungen geben." Das Ziel für ihn sei klar: "Wir impfen Deutschland gerade zurück in die Freiheit." Spahn verwies nochmal darauf, dass knapp 90 Prozent aller Covid-19-Patientinnen und Patienten ungeimpft seien.
Mehr Digitalisierung im Gesundheitssystem
Ansonsten ging es bei der Debatte in der Quettinger Schützenhalle - immer überlagert vom ohrenbetäubenden Lärm und Geschepper der Spahn-Gegner draußen - auch um die Digitalisierung im Gesundheitssystem. Anfangs habe man noch Faxe vom Labor zum Gesundheitsamt geschickt, sagt Spahn. "Das ist keine Legende, das war so. Wir brauchen mehr digitale Verwaltung. Das ist wichtig." Auch die Produktion und Lagerung von Medikamenten wurde thematisiert. Deutschland solle wieder die Apotheke der Welt werden, hatte Serap Güler in ihrer Begrüßung gefordert. Spahn verwies auf die in Deutschland erfundenen mRNA-Impfstoffe: "Made in Germany. So wurden 100 Millionen Impfungen in Deutschland möglich gemacht."
Zu einer Frage zum Klinikum mit seinen Hochwasserschäden, verwies Spahn darauf, dass diese Woche im Bundestag der Aufbaufonds beschlossen werden soll. Ausdrücklich werde auch der Aufbau der Kliniken mit reingenommen, versprach Spahn.
Ansonsten war es ein klassischer CDU-Wahlkampf mit einschlägigen Themen. Die schwarze Null wurde gelobt, zu viele Auflagen und Bürokratie gegeißelt, das Schreckensszenario der abwandernden Industrie an die Wand gemalt. Serap Güler verwies darauf, dass Covestro und Currenta angekündigt haben, bis 2040 klimaneutral werden zu wollen.
Applaus brandete auf, als die Politikerin sich zu dem Überfall auf einen jüdischen Mann in Köln äußerte, der am Freitagabend zusammengeschlagen worden war: "Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft." Überführt seien die mutmaßlichen Täter durch Videokameras: "Wenn die dazu beitragen, Täter ausfindig zu machen, ist das ein richtiger Schritt in der Sicherheitspolitik." Die beiden Männer seien inzwischen wieder auf freiem Fuß, gelten aber weiter als Verdächtige, heißt es von der Polizei.
Natürlich durften auch Attacken auf die politischen Gegner nicht fehlen. Für den Spruch: "Annalena Baerbock ist nett. Aber meine Oma ist auch nett, aber sie sollte nicht Deutschland regieren", konnte Jens Spahn einige Lacher ernten und zumindest einige Sekunden vom Lärm draußen ablenken.
Auch Karl Lauterbach von der SPD bekam sein Fett weg, draußen bei den Protestlern ("Heulboje"), wie auch drinnen. "Lauterbach ist nett in den Medien, aber Gespräche mit Ärzten gibt es nicht wirklich", meldete sich Jürgen Zastrow, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln zu Wort.
Ansonsten kam die Diskussion schnell wieder auf Corona zurück. Warum die Situation in Israel wieder so schwierig sei, wurde gefragt. "Die Impfquote ist nicht hoch genug", antwortete Spahn. Es habe schnell begonnen, genau wie in den USA, aber dann stockte es bei knapp über 60 Prozent.
Nach knapp einer Dreiviertelstunde war der Bundesgesundheitsminister wieder weg, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er und Serap Güler, die von Leverkusen und Köln-Mülheim aus in den Bundestag will, sich schon von der Jungen Union kennen und "so manches Mal kontrovers" diskutiert hätten.
Zwei Frauen standen vor der Veranstaltung mit ihren Hunden am Zaun, etwas abseits der Protestlermenge. Sie sind gucken gekommen und äußerten ihren Unmut über die Coronapolitik des Ministers. Eine, sie sagte, sie sei aus Schlebusch und arbeite in einem Krankenhaus in Bergisch Gladbach, findet es "unverhältnismäßig, die Bevölkerung so zu gängeln". Ihre 16-jährige Tochter habe sich kürzlich impfen lassen - "ich war komplett dagegen", bekannte die Frau und kritisierte: "Man kann sich kein Tattoo stechen lassen ohne elterliche Einwilligung, aber impfen."
Jens Spahn Kommentar zum Protest: "Das sind die Lauten, nicht die Mehrheit."