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HundesuchhilfeIn der Eifel spüren Hunde ihre vermissten Artgenossen auf

Lesezeit 5 Minuten
Carina Niesen kniet bei ihren beiden schwarzen Beauceron-Hütehunden Juna (hinten) und Mora.

In der Hundesuchhilfe arbeiten Carina Niesen und ihre beiden Beauceron-Hütehunde Juna (hinten) und Mora. Sie haben im Halsband einen GPS-Tracker eingesetzt. So kann Niesen ihre Tiere über eine damit verbundene Ortungs-App immer wiederfinden.

Die Hundesuchhilfe „Saving Paws“ ist mit Mensch und Tier, Erfahrung und Technik auch im Kreis Euskirchen im Einsatz.

Vermisst ein Mensch seinen Hund, klingelt bei Carina Niesen in Birresborn bei Gerolstein schnell das Telefon. Sie hat vor zehn Jahren „Saving Paws – Hundesuchhilfe für die Vulkaneifel, Südeifel und Umgebung“ gegründet, heute ein gemeinnütziger Verein. Auch im Kreis Euskirchen sind die Helfer im Einsatz. Zuletzt vor einer Woche waren „Saving Paws“-Teams samt Drohnenunterstützung in Frauenkron in der Gemeinde Dahlem aktiv.

Dort war der 15 Jahre alte Rüde Jack entlaufen. Alle Rufe, alles Suchen seines Herrchens waren nach einem Tag erfolglos abgebrochen worden. Der Besitzer hatte daraufhin die rund um die Uhr erreichbare Hotline der Hundesuchhilfe „Saving Paws“ (übersetzt etwa: Pfoten sichern) gewählt. Carina Niesen in Birresborn spürte die Verzweiflung: „Wir haben zuerst überlegt, ob wir den Auftrag überhaupt annehmen können. Es war ja sehr heiß, das ist auch für die Hunde, die dann arbeiten müssen, gefährlich.“

Als Spürhunde sind alle Rassen mit Jagd- oder Spieltrieb geeignet

Doch die gelernte Eventmanagerin, die 2014 auf die Idee mit der Hundesuchhilfe kam, hat bisher noch nie nein zu Hilferufen aus einem Umkreis von bis zu einer Stunde Autofahrt gesagt. Niesen aktivierte die Whatsapp-Gruppe der 13 Helfer: Mensch-Mensch-Teams und Mensch-Pet-Trailer-Teams machten sich auf den Weg.

Pet-Trailer-Teams arbeiten wie vom Zoll oder Rettungsdiensten bekannte Such- und Spürhundestaffeln: Die Nase des Tieres nimmt ein Geruchsbild auf, das so individuell ist wie ein Fingerabdruck. Durch ihr Training können die Hunde ganz unterschiedlich spezialisiert werden und etwa Experten für das Aufspüren von Rauschgift sein, von Sprengstoff, von Menschen – oder hier eben von anderen Hunden.

Carina Niesen hebt ein grünes Metallgitter an einem Käfig hoch. Damit öffnet sie eine Lebendfalle für große Hunde, die sie bei der Suche nach vermissten Hunden einsetzt.

Carina Niesen hebt das Fallgitter einer Lebendfalle für große Hunde hoch. Am Ende der ausgelegten Tretmatte ist das Futter, nur erreichbar über einen Pfotendruck auf die Wippe darunter. Dann schließt sich die Falle.

Carina Niesen hält ein Smartphone in die Kamera. Darauf ist das Bild einer Überwachungskamera zu sehen, mit dem bei einem Hunde-Sucheinsatz eine Lebendfalle beobachtet wird.

Carina Niesen kann auf dem Smartphone über das Livebild einer Überwachungskamera eine aufgestellte Lebendfalle für einen vermissten Vierbeiner an der Mittelmosel verfolgen.

Fragt man Niesen, welche Hunderassen bei diesen Einsätzen am besten geeignet sind, ist die Antwort überraschend einfach: „Alle. Sie sollten einen ausgeprägten Jagd- oder Spieltrieb haben, vorsichtig sein und arbeiten wollen.“ Schäferhunde und Australian Shepherds sind Kandidaten, auch ihre beiden französischen Beauceron-Geschwister Juna und Mora, große Hirten- und Hütehunde. Selbstredend kann ein kluger Rauhaardackel genauso geeignet sein. Größe ist nicht alles.

Nach Frauenkron machten sich zwei Mensch-Pet-Trailer-Teams auf den Weg, Niesen hat eine Drohne dabei. Australian-Shepherd-Hündin Lucy ist im Einsatz, ebenso Dia, eine Mischlingshündin aus dem Auslandstierschutz. Solche Duos werden besonders dann gebraucht, wenn es um sehr junge oder alte und kranke Hunde geht. Einer wie Jack. Ein etwas wackeliger Senior auf Abwegen, der möglicherweise auch dement ist.

Mit Hunden und Drohne wurde der vermisste Hund in Dahlem gefunden

In Frauenkron war die Lage aus Hundenasenperspektive extrem unübersichtlich: Es gab lauter verschiedene Geruchsbilder, etwa von Katzen und Hühnern. Die Lieblingsdecke von Jack aber machte Lucy und Dia die Arbeit leicht. Sie fanden den Abgang und die Laufrichtung des Vermissten. Rund 20 Minuten später schlugen sie an der Abbruchkante eines Abhangs an.

Carina Niesen stoppte die Suche und aktivierte die mitgebrachte Drohne. Jack lag heillos verstrickt in einem dichten Gebüsch unterhalb. Er konnte sich nicht mehr selbst befreien. Die Helfer befreiten Jack und brachten ihn zurück. Doch ein Happy End hat diese Geschichte nicht. Ein Tierarzt sah bei dem Hund nach dem Rechten: Jack schien mitgenommen. Er erholte sich nicht mehr. Zwischenzeitlich ist der alte Rüde in den ewigen Hundehimmel aufgefahren.

Mit einem GPS-Tracker am Halsband werden Hunde leichter gefunden

Hätte das alles mit einem im Hundehalsband eingebauten GPS-Tracker und der dazugehörenden Ortungs-App vermieden werden können? Wahrscheinlich schon, lautet die Einschätzung der Expertin. Doch längst nicht jeder Hund ist mit einem solchen Gerät, das ab etwa 70 Euro pro Jahr zu haben ist, ausgestattet.

In anderen Fällen kann eine Suche ungleich aufwendiger, langwieriger und komplizierter sein. Über die Team-Whatsapp-Gruppe wird vieles koordiniert. Ein im Fall von Jack dank zweier kluger Hunde einfach zu rekonstruierendes Laufbild muss in anderen Fällen erst einmal überhaupt gefunden werden. Der Vierbeiner ist oft schon mehrere Tage verschwunden. Niesen ruft dann die Follower von „Saving Paws“ in den Sozialen Netzwerken zu Hilfe, Suchbilder werden im Umkreis des Zuhauses des vermissten Tieres aufgehängt. Langsam entsteht ein Puzzlebild an Spuren, Videokameras werden an besonders häufig benannten Punkten aufgehängt.

Und dann ertönt vielleicht bei Niesen in Birresborn unvermutet eine Trompetenfanfare aus ihrem Smartphone: Der Signalton für einen der Bewegungsmelder einer Videokamera. Gerade ist der Verein auch an der Mittelmosel im Einsatz, wo Hund Ben gesucht wird. Niesen checkt das Bild im Smartphone. Zeigt es den vermissten Hund, wird es Teil der Spur, des aufzubauenden Laufbildes.

51 Hunde hat das ehrenamtliche Team im Jahr 2024 schon gefunden

Sie überlegt dann, wo Futterstellen sinnvoll sein könnten. Mit dem, „was jeder Hund mag“. Erst, wenn Ben eine dieser Gourmet-Lock-Ecken mindestens einmal aufgesucht hat, würde das Hundesuchteam dort eine Lebendfalle aufbauen. Denn auch die bedeuten längst keine Garantie. „Einmal hatten wir am Ende einen Fasan drin“, berichtet Niesen schmunzelnd.

Die Arbeit wird dem Team der ehrenamtlichen Hundesucher nicht ausgehen. 400 Hunde wurden insgesamt schon gesucht und gefunden, vier nicht. 51 erfolgreiche Suchen waren es bisher in diesem Jahr, die jüngste Jack in Frauenkron. Zwei Suchen laufen aktuell: eine an der Mittelmosel und eine im Bereich hinter Trier. Wie lange eine solche Fahndung dauern kann, ist offen. „Bei sehr alten Hunden gehen wir nach drei, vier Monaten davon aus, dass sie verstorben sind“, so Niesen. Sind die Gesuchten jünger, heißt es für „Saving Paws“: „Wir bleiben im Stand-by, auch wenn es drei Jahre dauert.“

Warum machen Niesen und ihre Mitstreiter das alles? Und das ehrenamtlich, nur gegen Spenden? „Ich habe immer Hunde um mich herum gehabt“, sagt Carina Niesen. Und: „Es ist doch einfach zu schön, wenn sich der Hund und sein Mensch endlich wiederhaben.“ Mancher beginne, wenn der Hund wieder da sei und sich die Anspannung der Ungewissheit endlich löse, zu heulen vor Glück. Carina Niesen heult dann oft einfach mit.