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Kreisveterinäramt in EuskirchenTierbesitzer müssen sich selbst um Unterbringung kümmern

Lesezeit 6 Minuten
Ein Kätzchen krallt sich in einem Tierheim an einem Gitter fest.

Ein Kätzchen wurde in einem Tierheim abgegeben und hofft nun auf einen neuen Besitzer.

Euskirchens Kreisveterinär Dr. Jochen Weins fehlt eine einheitliche Regelung für den Fall, wenn Tierbesitzer sich nicht mehr kümmern können.

Ein Außenort im Stadtgebiet Euskirchen. Ein Hundebesitzer muss plötzlich und für längere Zeit ins Krankenhaus. Eine Verwandte kümmert sich um das Tier, ist aber dann ebenfalls auf unbestimmte Zeit verhindert. Hilfesuchend wendet sie sich an das Kreisveterinäramt und das Ordnungsamt der Stadt Euskirchen. Doch auch wenn man das annehmen könnte: Beide Ämter sind in dem Fall nicht für die Versorgung oder Unterbringung des Tieres zuständig.

„In so einem Fall müssen sich der Hundebesitzer oder Angehörige darum kümmern, dass der Hund versorgt wird, beispielsweise in einer Hundepension“, berichtet Kreisveterinär Dr. Jochen Weins. Für ihn sind Fälle, wo das Veterinäramt plötzlich vor dem Problem steht, dass ein Tierhalter sich nicht mehr um ein Tier kümmern kann, mittlerweile keine Seltenheit mehr. Menschen, die ins Krankenhaus kommen, ins Gefängnis gehen oder sogar sterben, können eben kein Tier mehr versorgen. „Solche Fälle hatten wir früher viermal im Jahr, mittlerweile haben wir sie einmal pro Woche“, fasst Weins zusammen.

Dr. Jochen Weins: Jeder Landkreis bastelt sich seine eigene Lösung

Was ihn besonders stört: Es gibt keine gesetzliche Regelung: nicht landesweit, schon gar nicht bundesweit. Jeder Landkreis bastelt sich seine eigene Lösung. Und die sieht nicht vor, dass der Kreis oder die Kommunen für die Unterbringung von Tieren zahlen.

Wobei das mit den Kommunen so auch nicht komplett stimmt. Denn bei Fundtieren sind zunächst die Ordnungsämter der Städte und Gemeinden im Kreis Euskirchen zuständig. Bei Fundtieren handelt es sich im Regelfall um ausgesetzte oder am Zaun angebundene Tiere. „Es gibt keine gesetzliche Regelung, wer wie lange wofür bezahlt“, so Weins.

Kommunen im Kreis Euskirchen zahlen maximal 56 Tage für Fundtiere

Im Kreis Euskirchen gebe es das System „Kreistierheim“. Fundtiere würden nach Mechernich gebracht. Für deren Unterbringung, maximal 56 Tage (meist werden laut Weins daraus die vollen zwei Monate), zahlen die Kommunen, in denen das Tier gefunden wurde, und zwar inklusive der Eingangsuntersuchung, der Vermittlung und der Schutzgebühr. Ist das Tier bis dahin nicht vermittelt worden, übernimmt der Tierschutzverein die Kosten – auch bis ans Ende deren Tage. Dieses System gilt mittlerweile kreisweit für alle Kommunen, früher hatten die Städte und Gemeinden eigene Vereinbarungen mit dem Tierheim.

Dr. Jochen Weins sitzt an seinem Schreibtisch, in der Hand einen Pferdepass.

Dr. Jochen Weins ist Leiter der Abteilung Veterinärwesen beim Kreis Euskirchen.

Problematisch wird es, wenn sich ein Besitzer eines Tieres plötzlich meldet, weil er beispielsweise doch ein schlechtes Gewissen bekommen hat, nachdem er sein Tier ausgesetzt hatte. So hatte sich zuletzt eine Hundebesitzerin aus dem Gemeindegebiet Weilerswist gemeldet, dass sie ihren vor acht Monaten ausgesetzten Hund gerne wieder zurückhaben würde. Sechs Wochen lang sei sie nicht in der Lage gewesen, sich um das Tier zu kümmern, weshalb sie es am Tierheim angebunden hatte. Abgeholt hatte sie ihn danach aber nicht.

Frau wollte ausgesetzten Hund wiederhaben – und muss nun zahlen

Nun gibt es gleich zwei Probleme: Der Hund war schon an einen anderen Besitzer vermittelt worden. Und da die Frau sich gemeldet hat, wird sie nun zur Kasse gebeten und soll die 3800 Euro für die Unterbringung ihres Hundes zahlen. Abgeholt hat sie das Tier immer noch nicht. „Da wir aber jetzt wissen, wer die Besitzerin ist, muss sie für die Unterbringung aufkommen, selbst wenn der Hund am 1. August den Besitzer wechselt“, so Weins.

Denn wie eingangs schon erwähnt: Wenn der Besitzer eines Tieres bekannt ist oder wenn er Angehörige oder Erben hat, müssen die sich um das Tier kümmern oder für dessen Unterbringung aufkommen. „Es ist ja oft typisch: Anrufe, dass irgendwo ein Tier ohne Aufsicht ist, kommen am Abend oder am Wochenende“, sagt Weins. Das Veterinäramt versuche, die Kosten für alle so gering wie möglich zu halten. Deshalb kommt Weins zu dem Schluss: „Ein Hund oder eine Katze kann auch mal eine Nacht oder sogar ein Wochenende alleine sein.“ Aber spätestens dann müsse man wissen, wer die Schlüssel zum Haus oder zur Wohnung habe oder ob sich jemand um das Tier kümmere.

Wenn das Tierwohl gefährdet ist, muss das Veterinäramt eingreifen

Wenn tatsächlich das Tierwohl gefährdet ist, beschafft sich das Veterinäramt Zugang per Schlüsseldienst und nimmt den Tierschutzverein gleich mit. Auch hier gilt: Ist bekannt, wem das Tier gehört, muss der Besitzer oder müssen dessen Angehörige zahlen. Wenn sich keiner findet, dann zahlt der Tierschutzverein, der sich über Spenden finanziert. Klar ist auch: Tiere im Tierheim werden ab einem bestimmten Zeitpunkt vermittelt, sind also irgendwann vielleicht weg. Wer dann ein schlechtes Gewissen bekommt, hat Pech.

Als „hoch kompliziert und hoch emotional“ bezeichnet Weins manche Fälle, so wie zuletzt nach einem Brand in Bad Münstereifel. Aus einer Wohnung wurden mehrere Tiere gerettet, darunter auch mehrere Kaninchen. Diese kamen zunächst ins Tierheim. Dort mussten sie von den Besitzern ausgelöst werden. Kostenpunkt: Mehr als 260 Euro – und das von einer Familie, die vieles bis alles verloren hat. „Wir Veterinäre sitzen da zwischen den Stühlen: Wir sind von Amts wegen Tierschützer, aber wir sehen natürlich auch das menschliche Elend.“

Auch Vermieter wenden sich an das Kreisveterinäramt Euskirchen

So kommt es beispielsweise vor, dass Vermieter sich melden, weil Wohnungen offenbar verlassen wurden und sich Nachbarn beispielsweise über den Gestank beschweren. Die Vermieter selbst dürfen die Wohnung nicht betreten, das Veterinäramt schon. „Da geht es um Eigentumssicherung“, erklärt Weins.

Die Fälle sind nicht immer einfach. Zuletzt sei er in eine offenbar wochenlang verlassene Wohnung gekommen, in der ein Mieter auch Ratten in einem Käfig gehalten habe. Eine davon lebte noch, die anderen – vermutlich drei – waren skelettiert. Die Ratte hatte in ihrer Not die Artgenossen verspeist.

In einem anderen Fall sei Weins in eine vollkommen verwahrloste Wohnung gekommen, in der sich eine Würgeschlange aufhalten sollte. Am Ende sei nur noch das Kinderzimmer mit einem gigantischen Wäschestapel übrig geblieben. „Da musste die Schlange also drin sein“, berichtet Weins. Angst habe er vor Tieren noch nie gehabt. „Ich mache die Arbeit ja, um Tieren zu helfen“, berichtet der Veterinär.


Nur wenige tierische „Corona-Rückgaben“ im Kreis Euskirchen

Sommerzeit ist traurigerweise Fundtierzeit. Und weil immer mehr Menschen, die sich während der Corona-Pandemie ein Haustier angeschafft haben, das sie jetzt, wo immer mehr Arbeitgeber Home-Office zurückfahren und wieder mehr auf Präsenzdienst setzen, nicht mehr ausreichend versorgen können, ächzen viele Tierheime und sind überfüllt.

Reiner Bauer, Geschäftsführer des Kreistierheims Mechernich, sieht beides im Kreis Euskirchen zum Glück nicht. „Das trifft bei uns nicht zu. Natürlich gibt es etwas mehr ausgesetzte Tiere vor der Urlaubszeit. Aber die Eifeler sind wohl vernünftiger und es ist kein Problem“, konstatiert Bauer dem hiesigen Landvolk eine besondere Beziehung zu Tieren.

Reiner Bauer sitzt auf einem Stuhl und krault einem Hund den Hals.

Lobt die Eifeler: Tierheim-Leiter Reiner Bauer.

Sollten Menschen, die sich in der Corona-Pandemie Tiere angeschafft haben, diese doch wieder abgeben wollen, bietet das Tierheim eine Vermittlungshilfe an. Allerdings sollte der Halter das Tier am besten bis zur Vermittlung behalten. „Deponiert“ er es im Tierheim, muss er auch für die Unterbringung aufkommen.

Tierheim Mechernich ist wegen Personalmangels derzeit geschlossen

Noch für den Rest dieser Woche ist das Tierheim außerdem wegen Personalmangels komplett geschlossen. Fundtiere können allerdings weiterhin abgegeben werden. „Man muss aber Geduld mitbringen“, so Bauer.

Für beschlagnahmte Tiere muss das Tierheim laut Dr. Jochen Weins immer Plätze frei halten. Und da seien laut Reiner Bauer allein in den letzten Wochen 25 bis 30 Tiere von Amts wegen untergebracht worden, etwa durch einen Brand im Bad Münstereifeler Höhengebiet oder sonstige Fälle.

Bis auf die erwähnten Kosten für Fundtiere gebe es von den Kommunen und dem Kreis keine Zuschüsse. Doch auch hier lobt Bauer die Unterstützer: „Ich kann mich auf die Eifeler verlassen“, sagt der 76-Jährige, der allerdings unruhig in die Zukunft blickt. Ein Nachfolger für ihn ist nicht in Sicht. Die Struktur müsste dann auch angepasst werden.