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SondersitzungKreis Euskirchen steckt 219 Millionen Euro in die Zukunft der Berufskollegs

Lesezeit 6 Minuten
Blick auf das Thomas-Eßer-Berufkolleg in Euskirchen. Das Gebäude spiegelt sich in einer Pfütze auf dem Schulhof.

Der bei der Flut stark in Mitleidenschaft gezogene Trakt C des TEB in Euskirchen ist abgerissen worden.

Neubau an der Katzenhecke: In einer Sondersitzung entschied sich der Planungsausschuss des Kreistags für das ambitionierte Projekt.

Es spricht sehr viel dafür, dass das Thomas-Eßer-Berufskolleg (TEB) in Euskirchen komplett neu errichtet wird – auf einem Campus mit dem Berufsbildungszentrum (BZE). Auch das sogenannte Projekt „Zukunftswerkstatt“ soll auf der grünen Wiese für rund 75 Millionen neu gebaut werden. Und zwar im Bereich der Straße „An der Katzenhecke“ (gegenüber der Tankstelle an der Kommerner Straße). Von den 75 Millionen will die NRW-Landesregierung 67 Millionen Euro übernehmen. Der Neubau des TEB würde mindestens 119 Millionen kosten. Und auch am Berufskolleg Eifel in Kall soll sich einiges tun – sowohl pädagogisch als auch von der Infrastruktur. Kostenpunkt dort: rund 100 Millionen Euro – größtenteils finanziert über den Wiederaufbaufonds.

In der jüngsten Sondersitzung des Planungsausschusses sowie des Bildungsausschusses stimmten die Mitglieder einstimmig für die ambitionierten Berufskollegprojekte, die bis 2030 abgeschlossen sein müssen, damit der Kreis von Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds profitiert.

Planungsskizze (Aufsicht) für das Thomas-Eßer-Berufskolleg und das BZE an der Katzenhecke.

So könnten das neue Thomas-Eßer-Berufskolleg und das BZE an der Katzenhecke aussehen. Der Kreis legt großen Wert darauf, dass es sich bei der Visualisierung nur um einen allerersten Entwurf handelt.

Der Grund für die Überlegungen, auf der „grünen Wiese“, auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche, ein komplett neues Berufskolleg zu bauen, ist der nicht mehr zeitgemäße Schutz gegen mögliche Erdbeben. Ähnlich wie bei der Steinbachtalsperre, ist die Erdbebensicherheit entsprechend heutiger Vorgaben laut Achim Blindert, Wiederaufbaukoordinator des Kreises, nicht mehr gegeben. Diese Nachricht von der Bezirksregierung sei „sehr ernüchternd“ gewesen.

Neuer Standort liegt außerhalb des Hochwassergebiets

Aufgekommen sei diese Problematik durch das Planungsbüro und dessen Experten, die sich um den Wiederaufbau kümmern. Im Rahmen des Wiederaufbaus soll, so Blindert, das gesamte Berufskolleg mit einem modernen Lernumfeld ausgestattet werden. Für diese Umgestaltung sei eine neue Baugenehmigung nötig – inklusive Erdbebensicherheit nach aktuellem Stand. „Wir können das Gebäude Stockwerk für Stockwerk aussteifen. Technisch ist das möglich, aber es wird irgendwann eine Frage der Wirtschaftlichkeit“, so Blindert. Entsprechend sei die Frage nach einem Neubau aufgekommen.

Aufgrund der umfassenden Analyse der Vor- und Nachteile beider Standorte wird der Standort An der Katzenhecke als der bessere empfohlen.
Fazit des Planungsbüros zur Standortwahl

In der Sondersitzung stellte das Planungsbüro auch die Variante vor, dass das neue BZE und das neue Berufskolleg am bisherigen TEB-Standort an der Kommerner Straße neu gebaut wird. Auch, weil es für den potenziellen Standort an der Katzenhecke aktuell kein Planungsrecht gibt, die Erschließung des kompletten Areals erforderlich ist, noch Grundstücke von der Stadt Euskirchen erworben werden müssen und ein umfangreicher Bodenaustausch (Altlasten aufgrund einer ehemaligen Deponie) notwendig sein wird.

Dafür biete das Grundstück an der Katzenhecke deutlich mehr Flexibilität, befinde sich außerhalb des Hochwasserschutzgebiets. Der Schulbetrieb könnte ohne Beeinträchtigung durch eine Baustelle durchgeführt werden und die Versickerung des Regenwassers sei bodentechnisch möglich. Das habe eine Entlastung des städtischen Kanalsystems zur Folge, so das Planungsbüro.

Neubau ist wirtschaftlicher als eine Modernisierung des Berufskollegs

Die Kosten für einen Neubau an der Kommerner Straße – auch dort mit Synergieeffekten durch das BZE-Projekt – belaufen sich laut der Experten auf 141 Millionen Euro. Ein Vorteil des bisherigen Standorts sei, dass man die vorhandene Infrastruktur nutzen könne. Allerdings gebe es auch dort einige Nachteile. So befindet sich das Areal laut Blindert nach den neuesten HQ100-Berechnungen im Hochwassergebiet und stünde bei einer neuen Flut wohl komplett unter Wasser. Entsprechende Hochwasserschutzvorrichtungen schlagen sich dem Planungsbüro zufolge in den Kosten nieder.

Luftaufnahme des Berufskollegs Eifel in Kall.

Am Berufskolleg Eifel in Kall soll eine Kochscheune entstehen, in der die Lehrküchen untergebracht werden.

Weil der derzeitige Schulhof samt Parkplatz im Falle eines Neubaus an der Kommerner Straße als Fläche für weitere (BZE)-Gebäude benötigt würde, sieht die derzeitige Planung für diesen Standort eine Tiefgarage vor. Ein weiterer Kritikpunkt: der Schulbetrieb würde durch die Bauarbeiten erheblich beeinträchtigt.

„Aufgrund der umfassenden Analyse der Vor- und Nachteile beider Standorte wird der Standort An der Katzenhecke als der bessere empfohlen“, hieß es im Ausschuss seitens der Experten: „Der Standort ist sowohl terminlich als auch wirtschaftlich die bessere Lösung. Langfristig bietet dieser Standort bessere Entwicklungsmöglichkeiten und eine nachhaltigere Lösung für den Bildungsstandort Euskirchen.“

Auch in Kall nimmt der Kreis für das Berufskolleg viel Geld in die Hand

Sollte sich auch der Kreistag am Mittwoch, 11. Dezember, dem Votum in der Sondersitzung anschließen, steht fest, dass die Tage der Kleingartenanlage an der Katzenhecke gezählt sein wird. Laut Planungsbüro müssen die Laubenpieper weichen. Nach Angaben von Wolfgang Honecker, Technischer Beigeordneter der Stadt Euskirchen, will sich die Stadt nach einem Alternativstandort bemühen. Die Kündigungsfrist beläuft sich laut Kreis auf ein Jahr.

In Kall wird nicht komplett neu gebaut, aber auch dort will der Kreis viel Geld in die Hand, um das Berufskolleg Eifel (BKE) fit für die Zukunft zu machen. Für rund 100 Millionen Euro sollen nicht nur die Lehrküchen möglichst schnell wieder hergerichtet werden, sondern auch die Wege zum Berufskolleg (eine Brücke über den Kallbach ist seit drei Jahren nicht nutzbar) und eine Stützmauer und die Sanitäranlagen im Bereich der Sporthalle.

Offene Strukturen und „Marktplätze“ halten im Berufskolleg Eifel Einzug

Geht es um Begrifflichkeiten, sind die Planungsbüros, die der Kreis beauftragt hat, schon im Lernen 2030 angekommen. Die Lehrküchen werden nämlich beispielsweise gerne als Kochscheune bezeichnet. Und Klassenräume werden zu Lernwohnungen.

Flure soll es im BKE der Zukunft nicht mehr geben, stattdessen wird von Marktplätzen und offenen Strukturen gesprochen für lernstilgerechten Unterricht. Die Bedarfsermittlungen seien nun abgeschlossen, hieß es in Sondersitzung. Dabei habe – genau wie am TEB – die Frage im Raum gestanden, was wirklich benötigt werde. „Es geht nicht darum, wie viel Schüler die Berufskolleg insgesamt besuchen, sondern wie viele zeitgleich da sind. Das ist die entscheidende Frage“, so eine Schulraumplanerin in der Sitzung.

Ein Wiederaufbau im Bestand des BKE ist laut Blindert aus vielerlei Gründen nicht möglich. In Verbindung mit den Auflagen des Wiederaufbaus seien beispielsweise kritische Infrastrukturen und technische Anlagen, einschließlich der Lehrküchen nicht mehr im Gefahrenbereich Erdgeschoss unterzubringen.

Zudem seien besonders bei den Lehrküchen hohe Raumhöhen erforderlich. Notwendige, moderne Lüftungsanlagen und weitere technische Gebäudeausstattung seien im Bestand nur schwer bis gar nicht wirtschaftlich unterzubringen. Die Bezirksregierung habe sowohl für den Neubau in Euskirchen als auch die Sanierung in Kall dem Kreis Euskirchen mündlich die Förderfähigkeit zugesichert, so Blindert.


Das sagt die Politik zu den geplanten Projekten in Kall und Euskirchen

In der Sondersitzung des Planungsausschusses sowie des Bildungsausschusses wurden jüngst die Pläne für die künftige Ausrichtung des Berufskollegs Eifel in Kall und des Thomas-Eßer-Berufskollegs (TEB) in Euskirchen vorgestellt.

Die Konzepte – sowohl die pädagogischen als auch die baulichen – wurden seitens der Ausschussmitglieder einstimmig abgesegnet. Die UWV enthielt sich bei der Abstimmung über den Neubau des TEB.

Wir haben es uns nicht leicht gemacht, haben uns viele andere Konzepte in der Praxis angeschaut, um uns auf den Stand der Dinge zu bringen.
Jörg Grutke, Grüne

„Das ist ein gutes, wenn nicht gar ein hervorragendes Konzept. Wir haben es uns nicht leicht gemacht, haben uns viele andere Konzepte in der Praxis angeschaut, um uns auf den Stand der Dinge zu bringen. Auch Synergien werden berücksichtigt – das ist super“, sagte Jörg Grutke, Fraktionsvorsitzender der Grünen.

Wolfgang Heller (SPD) sagte: „Das ist zukunftsweisende Arbeit. Und es zeigt sich, dass im Zusammenwirken etwas Gutes entstehen kann. Wenn man alle Akteure an den Tisch holt und etwas offen gestaltet. Das ist auch ein zukunftsweisender Weg.“

Wenn wir die Chance erhalten, attraktive Bildungsangebote zu schaffen, dann müssen wir die nutzen.
Günter Weber, CDU

„Wir haben eine historische Chance. Wir brauchen Bildung und nicht nur akademische Bildung. Unsere Betriebe brauchen gut ausgebildete Menschen“, sagte Günter Weber von der CDU: „Wenn wir die Chance erhalten, attraktive Bildungsangebote zu schaffen, dann müssen wir die nutzen.“

Petra Kanzler von der FDP wollte wissen, wie die Investitionssumme von 100 Millionen Euro für das Berufskolleg Eifel in Kall zustande komme, weil zuvor immer von 79 Millionen die Rede gewesen sei. „In der Summe sind alle neuen Entwicklungen, beispielsweise bei den Baukosten, mit eingerechnet“, berichtete Achim Blindert, Wiederaufbaukoordinator des Kreises.

Wer in die Köpfe unserer Jugend investiert, sichert nicht nur die Zukunft unserer Region, sondern legt den Grundstein für ein starkes und innovatives Miteinander.
Karsten Stickeler, CDU

Jochen Kupp, Verbandsvorsteher des BZE und CDU-Kreistagsmitglied, sagte: „Ich bin ein großer Fan von der Campus-Idee. Der fachpraktische Unterricht findet im BZE statt, der fachtechnische in TEB. Da sind sehr viel Synergien möglich. Wir haben die große Möglichkeit, Anschaffungen von Maschinen abzustimmen. Aber auch Mensa, Sporthalle und Aula können gemeinsam genutzt werden. Die wichtigste Synergie sind aber die Schüler.“